von Giuseppe Verdi (1813-1901) Oper in drei Akten, Libretto: Francesco Maria Piave, UA: 6. März 1853 Venedi, Teatro La Fenice
Regie: Ruth Berghaus, Bühne: Erich Wonder, Kostüme: Marie-Luise Strandt, Dramaturgie: Antje Kaiser
Dirigent: Friedrich Haider, Chor: Manuel Pujol, Orchester, Chor und Statisterie der Staatsoper Stuttgart
Solisten: Elena Tsallagova (Violetta Valery), Ida Ränzlöv (Flora Bervoix), Alexandra Urquiola (Annina), Pavel Valuzhin (Alfredo Germont), Luis Cansino (Giorgio Germont), Elmar Gilbertsson (Gastone, Visconte Di Létoriéres), Elliott Carlton Hines (Il Barone Douphol), Andrew Bogard (Il Marchese d‘Obigny), Jasper Leever (Dottore Grenvil)
Besuchte Aufführung: 20. September 2019 (Premiere der Wiederaufnahme)
Alfredo Germont trifft die in Paris stadtbekannte und todkranke Violetta Valery auf einem abendlichen Ball und gesteht ihr seine Liebe. Kurze Zeit später sind die beiden ein Paar und ziehen aus der Stadt aufs Land. Das Landleben macht Violetta jedoch finanzielle Probleme. Außerdem fordert Alfredos Vater die Trennung der beiden, um die Familienehre zu wahren. Als Violetta nun von ihrem alten Leben eingeholt wird, macht Alfredo ihr große Vorwürfe. Verlassen und allein sieht Violetta ihrem Lebensende entgegen. Im letzten Moment erscheinen Alfredo und sein Vater und bitten sie um Verzeihung.
Aufführung
Der erste Akt spielt in einem düsteren Ambiente. Regisseurin Ruth Berghaus läßt die Handlung in einem dunklen, bedrückenden Ambiente stattfinden. Der Festsaal ist in schwarzem Holz gehalten und wird von großflächigen Glasfenstern gesäumt. Die Festgesellschaft bewegt sich zeitlupenhaft und statisch, auch hier überwiegt die Farbe Schwarz, lediglich Violetta sticht durch ein weißes Kostüm aus der Masse heraus. Im zweiten Akt ist die Bühne zweigeteilt. Linkerhand sehen wir ein kleines, halb leergeräumtes Zimmer mit einem Sekretär. Auf der rechten Seite ist eine Betonkonstruktion zu sehen, die einer Baustelle gleicht. Das Fest bei Flora findet in denselben Räumlichkeiten statt wie zu Beginn des ersten Aktes. Die Zigeunerinnen zücken bereits zu Beginn der Szene die Karten, was kurz darauf in der Partie zwischen Alfredo und Douphol seinen Höhepunkt findet. Auch hier ist alles wieder in tristen, düsteren Farbtönen gehalten. Im letzten Akt befinden wir uns wieder in einer bedrückenden, weitläufigen Betonatmosphäre. Violetta liegt hier nicht todkrank in einem Bett, ihr Sterben gleicht vielmehr einer Apotheose, in der sie ihrer Verzückung auch körperlich starken Ausdruck verleiht.
Sänger und Orchester
Die musikalische Leitung hat Friedrich Haider, der das Orchester souverän durch den Abend führt. Die Musik hat viele schöne Spannungsbögen, es gelingt dem Staatsorchester entsprechende klangliche Höhepunkte zu generieren. Die Verdischen Rhythmen sind allesamt sehr impulsiv und insbesondere im dritten Akt plastisch herausgearbeitet.
Violetta Valery wird von Elena Zsallagova gesungen. Sie hat einen schönen schlanken Sopran mit einer weichen angenehmen Höhe. Im ersten Akt scheint ihr ein wenig die italienische Expressivität zu fehlen, alles wirkt ein wenig gravitätisch und zurückhaltend wie z.B. das Sempre libera – Immer frei ihrem seelischen Zusammenbruch im zweiten Akt zeigt sich, wie gut sich ihr Rollenverständnis auf einmal zur Musik fügt. Insbesondere ihre gebrochene, trotz aller virtuosen Spitzentöne eher zum sprachlichen neigende Deklamation im dritten Akt zeigt eine authentische Lesart dieser Partie.
Ihr zur Seite steht Pavel Valuzhin als Alfredo Germont. Auch er ist wenig vom Belcanto geprägt, in weiten Teilen erlebt man eine nüchterne und rational erdachte Rolleninterpretation, die eher verhalten und pragmatisch erscheint. Dies fügt sich vor allem gut in den zweiten Akt ein, der stark von Dialogen geprägt wird. Hier erweist sich Luis Cansino als eine sehr gute Besetzung für Giorgio Germont. Man erlebt einen raumfüllenden Bariton mit klarer Artikulation und einem Timbre, das gut die väterliche Autorität und Unbeugsamkeit widerspiegelt. Das Staatsorchester beeindruckt vor allem durch abgerundete Klangfarben und rhythmische Präzision sowie einem lebhaften dynamischen Auf- und Abschwellen der Lautstärke.
Fazit
Die optische Seite dieser La traviata ist sehr düster und über die verschiedenen Akte hinweg etwas monoton und unbeweglich. Die Interaktion der Protagonisten ist gut gelungen, auch stimmlich erlebt man von den Sängern einen gut gemachten Verdi. Am beeindruckendsten ist die musikalische Präzision und Klangfülle des Orchesters dank der vorteilhaften Akustik des Stuttgarter Opernhauses. So erlebt man in Stuttgart musikalische Feinheiten, die einem an anderen Häusern oftmals verborgen bleiben. Wer Verdi also unmittelbar auf sich wirken lassen möchte, sollte unbedingt nach Stuttgart fahren.
Dr. Daniel Rilling
Bild: Martin Sigmund
Das Bild zeigt: Elena Tsallagova (Violetta) und Pavel Valuzhin (Alfredo), Opernchor Stuttgart