von Gioachino Rossini (1792-68), Azione tragico-sacra in drei Akten, Libretto: Leone Andrea Tottola, UA: 7. März 1819, San Carlo, Neapel, 2. Fassung (hier gespielt)
Regie: Moshe Leiser, Patrice Caurier, Bühne: Christian Fenouillat, Kostüme Agostino Cavalca
Dirigent: Paolo Carignani, Orchester und Chor der Oper Zürich
Solisten: Erwin Schrott (Mosè), Michele Pertusi (Faraone), Eva Mei (Elcia), Javier Camarena (Osiride), Sen Guo (Amaltea), Reinoldo Macias (Aronne), Anja Schlosser (Amenofi), Peter Sonn (Mambre)
Besuchte Aufführung: 19. September 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Es handelt sich um die durch die Plagen (Finsternis, Hagel- und Feuersturm) erwirkte Freilassung der Israelis aus ägyptischer Knechtschaft (Altes Testament). Das Hebräermädchen Elcia und der Pharaosohn Osiride leiden darunter. Elcia bleibt bei ihrem Glauben, Osiride kämpft um ihre Liebe. Finsternis und Feuersturm, von Moses durch Gott erwirkt, brachte den Israelis ihre Freiheit. Osiride stirbt, als er Moses mit dem Messer angreift. Die Israelis überwinden das Rote Meer, die verfolgenden Ägypter versinken in den Meeresfluten.
Aufführung
Im fensterlosen Raum Monitore mit sich bewegenden Börsenkurven. Davor Computertische. Frauen und Männer (die Ägypter) in Busineßkleidung singen: Ach, wer hilft uns? Wann wird der Schleier der Finsternis sich heben. Man ist verdutzt: die Bühne ist hell. Den Mantel mit einem pelzbesetzten Kragen lässig über die Schultern geworfen, betritt ein großer Mann den Raum. Fallende Kurse auf den Monitoren. Alle rutschen vor Schreck auf den Boden, der stattliche Mann ins Sofa. Die Lampen erlöschen. Pharao ruft nach Moses. Er erscheint im Soldatenlook und zottigem Bart, schwingt seinen Stab, das Licht geht an, Aktienkurse und Zahlen steigen. Voci di jubilo – Jubelrufe.
Dann ein Propellerflugzeug, davor Frauen und Männer mit Koffern. Soldaten erscheinen. Die Abreise wird abgesagt. Eine Explosion. Könnte der Feuersturm der Bibel sein!
Zweiter Akt: Küche mit Wandschrank. Faraone bereitet ein Brat-Ei. Er unterhält sich mit seinem Sohn Osiride. Weiter: ein Raum mit Bett, heruntergelassene Jalousien. Hierhin hat Osiride Elcia „verschleppt“. Durch die Zimmerdecke lassen sich zwei mit schwarzen Kopfmasken vermummte Soldaten herunter. Osiride wird festgenommen.
Festlich gedeckte Tafel, Frauen mit Abendkleidern und Männer im Frack. Osiride greift Moses an. Osirides weiße Hemdenbrust färbt sich rot, er stirbt.
Die Rückwand zeigt das Rote Meer, davor die Israelis. Die Festgesellschaft erscheint. Hinter dem Meer verschwinden die Israelis, die Festgesellschaft verschwindet im Bühnenboden.
Sänger und Orchester
Würdevolle Darbietung des Orchesters der eindrucksvollen rossinischen Musik unter Paolo Carignani. Selbst der Paukist schlägt wohltönend seinen Part. Sehr gekonnt hört man die einleitende Klarinettenkantilene zur Arie von Sen Guo (Amaltea) im zweiten Akt: La pace mia smarrita – Der Friede ist mir entschwunden. Sie hat Schwierigkeiten in den Höhen und der Intonation. Die Harfe, das „Himmelsinstrument“, begleitet deutlich, zurückhaltend und sehr musikalisch das berühmte Quartett (2. Akt): Mi manca la voce – Mir versagt die Stimme und später natürlich die Preghiera (Gebet des Mosè, 3. Akt): Dal tuo stellato soglio – Vor deinem Sternenthron. Das Gebet begründete bekanntermaßen Rossinis Ruhm in Europa. Javier Camarena (Osiride) besitzt eine hellen Tenor, er schleudert die hohen Töne mit seiner durchdringend Bruststimme heraus. Solches hätte Rossini Ohrenschmerzen bereitet, aber ruft heute beim Publikum Applaus hervor. Eva Mei (Elcia) zeigt weder den Liebreiz eines sehr jungen Hebräermädchen noch die dazu passenden intonationsreinen Höhen. Zum Liebreiz einer jungen Israelin passen auch wenig Bluse, Rock und die flachen Schuhe. Eva Meis Koloraturtechnik ist aber immer noch in Ordnung bei leider mangelhafter Artikulation.
Der im bärbeißigen Soldatenlook, mit Strickmütze und Zottelbart auftretende Erwin Schrott (Mosè) besitzt eine überraschend schöne Baßstimme, beweglich in den Verzierungen und sicher in Höhen und Tiefen. Sein Begleiter Reinoldo Macias (Aronne) singt auf dem gleichen Niveau.
Pharao ist die Bezeichnung des Königs der Ägypter und ein König im Baßstimmenfach ist zweifellos der Norditaliener Michele Pertusi (Faraone). Er verfügt über eine glänzende Tonkonzeption, exzellente Trillertechnik, expressive Gesangskultur und genaueste Artikulation, Beispiel seine Arie (1. Akt): Cade dal ciglio il velo – Fällt von meinen Augen der Schleier. Pertusis Stimme hat so viel Volumen, daß sie mühelos das große Orchester überbietet. Verdienter, langer Applaus.
Fazit
Ein Gefühl für Würde und Großartigkeit von Musik und Handlung sollte man besitzen, auch wenn man der Religion fernsteht. Mit Bedacht hat Rossini die Bezeichnung Azione tragico-sacra – Heilig-tragische Handlung gewählt. Hier herrschen unausgewogenes Ausdenken und möglicherweise ideologische Vorstellungen (neue Sicht) der beiden Regisseure gegenüber einem unerreichten Meisterwerk. Besser läßt man die Finger von dieser vom christlich-jüdischen Glauben beseelten Oper.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Ingo Höhn
Das Bild zeigt: Reinoldo Macias (Aronne) liest die wohl die Bibel, Moses re hört sinnend zu, während die Ägypter (Busineßangestellte) auf steigende Börsenkurse zeigen.