Tosca – München, Staatstheater am Gärtnerplatz

von Giacomo Puccini (1858-1924), Melodramma in drei Akten, Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica, nach dem gleichnamigen Schauspiel von Victorien Sardou, UA: 14. Januar 1900 Rom, Teatro Costanzi

Regie, Bühne/Kostüme/Licht: Stefano Poda

Dirigent: Anthony Bramall, Orchester, Chor, Extrachor und Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Choreinstudierung: Pietro Numico

Solisten: Oksana Sekerina (Floria Tosca), Artem Golubev (Mario Cavaradossi), Noel Bouley (Baron Scarpia), Timos Sirlantzis (Cesare Angelotti), Levente Pali (Mesner), Juan Carlos Falcon (Spoletta), Holger Ohlmann (Sciarrone), Martin Hausberg (Schließer), Nestor Erofeev (Hirt)

Besuchte Aufführung: 25. November 2019

Kurzinhalt

Rom 1800. Der Maler Cavaradossi verspricht dem politischen Gefangenen Angelotti Unterstützung bei seiner Flucht. Diesen Flüchtigen will Polizeichef Scarpia will ergreifen. Er foltert Cavaradossi, in dem er ein Mitwisser Angelottis vermutet. Tosca, Cavaradossis Geliebte, will er zu seiner Geliebten machen. Angelotti verübt Selbstmord. In einer Begegnung mit Tosca ersticht diese Scarpia, nachdem er ihr die Flucht Cavaradossis zu ermöglichen versprochen hatte. Auf dem Hochplateau der Engelsburg wir Cavaradossi standrechtlich erschossen. Daraufhin stürzt sich Tosca von der Engelsburg in die Tiefe.

Aufführung

Basis für das Bühnenbild aller drei Akte ist die Finsternis. Aus dieser Dunkelheit erhebt sich ein mal mehr mal weniger beleuchteter Raum mit markant strukturierten Wänden: die Oberfläche sieht aus wie eine Spachtelmasse, bestrichen mit dunkler Ölfarbe, ähnlich wie bei historischen Bilderrahmen.

Im ersten Akt steht in diesem Raum ein überdimensionales liegendes Kreuz aus dem gleichen Material, das sich um sich selber dreht. Die Kleidung der Kirchgänger ist zeitlos der katholischen Liturgie angepaßt. Im zweiten Akt steht in diesem dunklen Raum quer auf der gesamten Bühnenbreite ein sehr langer Holztisch, auf dem Papiere, Lebensmittel und Eßbesteck zu finden sind. Cavaradossi und seine Gefolgsleute tragen dunkle Uniform mit Schulterkoppel. Scarpia wird von Tosca erst erschossen, dann erstochen. Im dritten Akt senken sich ein gefederter Flügel (von der Statue auf der Engelsburg) und ein großes Flechtwerk aus Stäben (für den Sternenhimmel?) auf die Bühne herab. Cavaradossi versinkt zur Exekution im Bühnenboden, bleibt genauso wie seine Folterszenen fürs Publikum unsichtbar. Zum Schluß schießen Spoletta und seine Schergen mit Pistolen auf Tosca, die nach vorn an die Rampe ins Licht läuft.

Sänger und Orchester

Puccini ist ein Meister der edlen, warmen, kraftvollen musikalischen Stimmungen, die eine psychologische Deutung untermalt. Anthony Bramall gelingt dies auch mit dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz hörbar zu machen. Hier werden Emotionen als permanente musikalische Höhepunkte zelebriert. Neben dem perfekt aufeinander abgestimmten Orchester können auch die verstärkten Chöre harmonisch zusammen wirken. Besonders positiv der Kinderchor in der Kirche, der durch den Chor von der Seite unterstützt wird. Die Russin Oksana Sekerina hat bei ihrem ersten Engagement in Deutschland keinerlei Probleme als schwerer Sopran mit viel Erfahrung im italienischen Fach die hysterisch-emotionalen Höhepunkte ausdrucksvoll auszudrücken. Artem Golubev bleibt als Cavaradossi leider blaß, ihm fehlt die Leuchtkraft und das strahlende Forte, um die dramatischen Momente glaubwürdig darzustellen. Die Vittoria-Rufe verhallen ungehört, aber bei E lucevan le stelle – es leuchten die Sterne bekommen vom mitfühlenden Publikum Szenenapplaus.

Noel Bouley läßt sich als indisponiert ansagen, liefert aber ein beeindruckendes Rollenporträt eines dämonischen intelligent verschlagenen Scarpia ab, der nicht bösartig mit tiefer Stimme gurgelt, sonder mit eloquenten tief fundiertem Bariton die Parallele zum Jago aus Otello aufzeigt. Beeindruckend, daß auch die Nebenrollen adäquat besetzt sind, wie Levente Pali als eloquent aufdringlicher Mesner oder Juan Carlos Falcon als bösartiger Spoletta. Besonders erfreulich der Knabensopran, Nestor Erofeev (Hirte) tastet sich herzerwärmend durch die kurze Rolle.

Fazit

Ein schöner Erfolg für das Staatstheater am Gärtnerplatz: Zufriedener Applaus eines dankbaren Publikums. Bemerkenswert wieder, wie hoch der jugendliche Besucheranteil an einem fast voll besetzten Haus ist –  an einem Montagabend! Da sieht man gerne über die wieder einmal gescheiterte Aktualisierung des Werkes in eine fiktive faschistoide Epoche mit automatischen Schußwaffen ab. Die für die Handlung wichtige Schlacht bei Marengo fand 1800 statt – die zugehörigen Vittoria-Rufe Cavaradossis bleiben unauffällig – überfordern den Regisseur und den Solisten. Normalerweise ist diese Szene musikalisch und szenisch ein Publikumsliebling. Hier nicht. Ebenso das rätselhafte Finale, in dem Tosca zwar von Spoletta und seinen Schergen erschossen wird, aber dann diese von der umfallenden Hausfassade erschlagen werden und Tosca ins Licht läuft.

Oliver Hohlbach

Bild: Christian POGO Zach

Das Bild zeigt: Oksana Sekerina (Floria Tosca), Holger Ohlmann (Sciarrone), Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz

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