Der Rosenkavalier – Berlin, Staatsoper unter den Linden

von Richard Strauss (1864–1949), Komödie für Musik in drei Aufzügen, Libretto: Hugo von Hofmannsthal, UA: Dresden 26. Januar 1911, Königliches Opernhaus

Regie: André Heller, Bühne: Xenia Hausner, Mitarbeit Bühne: Nanna Neudeck, Kostüme: Arthur Arbesser, Mitarbeit: Onka Allmayer-Beck, Licht: Olaf Freese, Video: Günter Jäckle und Philipp Hillers

Dirigent: Zubin Mehta, Staatskapelle Berlin, Staatsopernchor, Choreinstudierung: Anna Milukova

Solisten: Camilla Nylund (Feldmarschallin), Günther Groissböck (Baron Ochs auf Lerchenau), Michèle Losier (Octavian), Roman Trekel (Herr von Faninal), Nadine Sierra (Sophie), Anna Samuil (Jungfer Marianne), Erik Rosenius (ein Polizeikommissar), Atalla Ayan (ein Sänger), u.v.a.

Besuchte Aufführung: 9. Februar 2020 (Premiere)

Kurzinhalt

Die Handlung spielt im Wien der 1740er Jahre. Nachdem sie eine Liebesnacht mit ihrem jugendlichen Geliebten, dem Graf Octavian, verbracht hat, wird die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg durch den Besuch ihres Vetters, Baron Ochs auf Lerchenau, gestört. In Hast verkleidet sich Octavian als Kammerzofe und hat sich fortan den Nachstellungen des Barons, der sich mit seinen zahllosen Affären brüstet, zu erwehren. Der verarmte Baron plant Sophie, die Tochter des Parvenüs Herrn von Faninal, zu heiraten, um an Geld zu kommen. Die Marschallin macht den Vorschlag, durch seinen entfernten Vetter Octavian eine silberne Rose an die zukünftige Braut überbringen zu lassen, dem der Baron zustimmt. Darauf empfängt die Fürstin etliche Bittsteller und wird verstimmt. Sie wirft alle Gäste hinaus und erklärt auch dem enttäuschten Octavian, daß ihre Affäre früher oder später zu einem Ende kommen werde. Im zweiten Aufzug empfängt Herr von Faninal seinen zukünftigen Schwiegersohn, der seine Braut Sophie allerdings mit seiner Grobschlächtigkeit abstößt. Sie findet den jungen Rosenkavalier Octavian viel interessanter, dem die Schmähungen des Barons zu weit gehen, so daß er zum Degen greift und ihn verwundet. Faninal läßt ihn hinauswerfen und droht seiner Tochter, sie ins Kloster zu geben, wenn sie den Baron nicht ehelichen wolle. Im dritten Aufzug lädt der Baron Ochs in der Hoffnung auf eine weitere Affäre die Kammerzofe der Marschallin, bei der es sich in Wahrheit um den verkleideten Octavian handelt, zum Souper ein. Nachdem eine Unbekannte, die sich als seine Frau ausgibt, mit vielen Kindern auftaucht, die ihn Papa nennen, ruft man nach der Sittenpolizei, die auch auf den Plan tritt. Die Maskerade wird beendet, doch nicht ohne daß Herr von Faninal sich zuvor ein Bild von der zweifelhaften Moral seines zukünftigen Schwiegersohns machen kann. Die Marschallin löst die angespannte Situation auf, indem sie den Baron fortschickt, Herrn von Faninal ihre Kutsche anbietet und Octavian mit Sophie zusammenführt. Das junge Paar lobt sich ewige Treue.

Aufführung

Kostüme und Bühnenbild sind bunt und halten sich nicht strikt an eine bestimmte historische Epoche. Am ehesten läßt sich das Bild des zweiten Aufzugs in der Ära des Jugendstils verorten dank der großen Klimt-Gemälde an den Wänden. Abweichend von den Anweisungen des Librettos spielt der dritte Aufzug nicht in einer billigen Wiener Gaststätte, sondern in einem sogenannten Palmenhaus.

Sänger und Orchester

Musikalisch war diese Oper erstklassig besetzt. Die Staatskapelle Berlin unter Zubin Mehta ließ die Partitur in allen Farben leuchten. Die Einsätze der Bläser saßen tadellos, die dynamischen Schattierungen waren fein abgestuft, die Tempi ließen den Sängern die nötige Luft und die Ensembles der Sänger waren gut durchhörbar. Die Hauptpartien waren durchweg exzellent besetzt. Camilla Nylund hat eine hervorragend ausgeglichene Stimme und eine wohltuend deutliche Aussprache. Darstellerisch gab sie die Fürstin würdevoll und überlegen, mit wenigen lakonischen Bewegungen, ganz wie von dem Librettisten beabsichtigt. Ein ganz anderes Fach bedient Günther Groissböck, der sich auf die burleske Rolle des Baron Ochs spezialisiert hat. Zum einen singt er seinen Part in einem breiten österreichischen Dialekt, was eine andere Vokalisierung als die des Hochdeutschen nach sich zieht. Dennoch bleibt seine Aussprache verständlich und seine Tongebung rund. Zwar tritt er als Baron vorzugsweise plump und polternd in Erscheinung, aber seine szenische Präsenz bleibt bei allen Grobheiten dennoch nicht ohne eine gewisse Eleganz. Nächst ihnen beiden war es die Sängerin der Partie der Sophie, Nadine Sierra, die am meisten begeisterte. Ihre Stimme klingt für einen Sopran recht warm und dunkel, auch in den höheren Registern und bei den lauten Stellen, ihre Aussprache ist deutlich und ihre schauspielerische Leistung über jeden Zweifel erhaben. Michèle Losier (Octavian) löste die Aufgabe, sowohl einen energischen Siebzehnjährigen als auch eine naive Kammerzofe zu spielen, schauspielerisch souverän. Allerdings war ihre Tongebung als Octavian manchmal so wie ihre Gestik etwas zu zackig und scharf. Einzelne Töne stachen zu sehr heraus und im Vergleich mit den anderen Hauptrollen könnte ihre Aussprache noch etwas besser sein. Das gilt nicht für Roman Trekel als Herr von Faninal. Seine sprecherische Gestaltung ist vorbildlich, doch ist seine Stimme den starken orchestralen Akzenten zu Beginn seiner Partie nicht ganz gewachsen und sein Spiel bleibt etwas steif. Letzteres gilt auch für den Sänger des Polizeikommissars, Erik Rosenius, der eine etwas monotone Tongebung hat; beides paßt allerdings gut zu seiner Rolle. Etwas zu groß ist das Tremolo von Anna Samuil (Jungfer Marianne), deren schwer zu gestaltender Part auch etwas besser artikuliert hätte sein können. Von den kleinen Rollen war es wie häufig die des Sängers, dargeboten von Atalla Ayan, die am meisten Applaus einheimste, und das zu Recht. Ein kraftvoller Tenor, ein langer Atem, eine ausgeglichene Höhe und eine im besten Sinne des Wortes belcantistische Tongebung kennzeichnen seinen Vortrag.

Fazit

Ein wenig widersprüchliche Eindrücke hinterließ dieser Abend. Wie bereits gesagt: Musikalisch gab man den Rosenkavalier tadellos. Was beim Publikum jedoch nicht recht ankam, war die Inszenierung und weshalb dem so ist, darüber kann man nur spekulieren. André Heller und sein recht großes Team von Mitarbeitern haben sich sichtlich alle Mühe gegeben, das Stück mit schönen Bildern zu versehen, die Personenregie kam ohne Gewaltsamkeiten daher, und es gab keine dekonstruktiven Ansätze.

Man kann zusammenfassend sagen, daß die Absichten des Regieteams die besten gewesen sein dürften. Und dennoch hat es nicht für einen umwerfenden Abend gereicht. Mag sein, daß der allzu große Respekt vor dem Librettisten und dem Komponisten – ihre beiden Portraits waren als Projektionen auf dem Pausenvorhang gegenwärtig – das Regieteam ein wenig zu sehr in Ehrfurcht erstarren ließ. Mag auch sein, daß Hellers fehlende praktische Erfahrung als Opernregisseur verhindert hat, daß das Team einen eigenen Zugang zum Werk zu eröffnen imstande war. Diese Inszenierung tut sicherlich niemandem weh, aber womöglich hat das Publikum eine etwas spektakulärere Produktion erwartet. In dieser Form hatte sie leider ein paar Längen. Wenn man möchte, kann man sich bei der Fernsehübertragung dieser Inszenierung am 21. März auf 3sat selber ein Bild davon machen.

Dr. Martin Knust

Bild: Credits: Ruth Walz

Das Bild zeigt: Nadine Sierra (Sophie), Michèle Losier (Octavian) und Ensemble

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