Die Meistersinger von Nürnberg – Dresden, Semperoper

von Richard Wagner (1813-1883) in drei Aufzügen, Libretto: R. Wagner, UA: 2. November 1862  München, Nationaltheater

Regie: Jens-Daniel Herzog, Bühne: Mathis Neidhardt, Kostüme: Sibylle Gädeke

Dirigent: Christian Thielemann, Sächsische Staatskapelle und Staatsopernchor, Choreinstudierung: Jan Hoffmann

Solisten: Georg Zeppenfeld (Hans Sachs), Vitalij Kowaljow (Veit Pogner), Adrian Eröd (Sixtus Beckmesser), Klaus Florian Vogt (Walther von Stolzing), Oliver Zwarg (Fritz Kothner), Sebastian Kohlhepp (David), Sara Jakubiak (Eva), Christa Mayer (Magdalene), Alexander Kiechle (Nachtwächter), u.a.

Besuchte Aufführung: 16. Februar 2020

Kurzinhalt

Der Ritter Walther von Stolzing liebt Pogners Tochter Eva. Sie soll demjenigen zur Frau gegeben werden, der den Meistersingerwettstreit gewinnt. Die Meistersingervereinigung lehnt die Aufnahme des Ritters zunächst wegen seines unkonventionellen, nicht regelkonformen Probeliedes ab. Allein der Schuster Hans Sachs tritt für ihn ein und erkennt sein Talent. Auch der Stadtschreiber Beckmesser interessiert sich für Pogners Tochter, doch am Ende ist es Walther von Stolzing, der den Wettstreit und damit Eva gewinnt.

Aufführung

Auf einer Drehbühne erblickt man zunächst die Hauptbühne der Semperoper, die durch die beiden Bühnenportale klar erkennbar ist. Durch entsprechende Drehung sieht man das Beleuchtungsportal von der Hinterbühne aus, oder die beiden Nebenräume auf den Seitenbühnen, das mal Kantine, Büro des Spielplangestalters Sachs oder Sachs‘ Schusterstube ist. Über den Nebenräumen befinden sich Funktionsräume der Oper wie Maske oder Requisite. Die Opernhausbediensteten laufen entweder in heutiger Kleidung umher oder wenn sie in dem „Stück im Stück“ auftreten, in den üblichen Renaissancekostümen der Meistersinger. Am Ende ist all die Mühe vergebens: Eva zerstört das Meistergalerie-Bild Stolzings, der als neuer Meister geführt werden soll und flieht vor den Zwängen der gar nicht so freien Kunst.

Sänger und Orchester

Nach diesem Abend kann man den Generalmusikdirektor der Sächsischen Staatsoper Christian Thielemann durchaus als deren Hausgott bezeichnen. Wieder einmal feilte er an der Einstudierung dieser Produktion, die zuerst bei den Osterfestspielen in Salzburg einstudiert wurde und jetzt nochmals für die Übernahme an der Semperoper geprobt wurde. Und wieder meint man ganz neue Töne oder Phrasierungen zu hören, selbst die Generalpause im Wach Auf!- Chor wirkt noch länger. Auch die Zusammenarbeit mit dem Chor der Semperoper ist fehlerfrei und problemlos, sogar die oft problematische Prügelfuge läuft synchron.

Der Chor bleibt im Vortrag spannungsgeladen und präsent bis in die höchsten Spitzentöne. Besonders das Solistenensemble sucht seinesgleichen und bildet die derzeit besten Kräfte im Wagnerfach ab. An erster Stelle sind die beiden Starsänger zu nennen, die am Haus engagiert sind. Georg Zeppenfeld ist sicherlich der derzeit führende Hans Sachs. Er singt die Rolle, die anderswo im losen Sprechgesang endet, kontinuierlich aus, gestaltet die Phrasierungen elegant und wortverständlich und trägt immer schwerelos leicht vor, daß man meinen könnte, diese Rolle wäre doch ganz einfach. Ebenfalls fest am Haus ist Christa Mayer, die in Bayreuth genauso bekannt ist. Sie verleiht der unterschätzen Nebenrolle der Magdalene Ausruckskraft und jugendlichen Elan und wertet die Rolle deutlich auf.

Ebenso jugendlich dynamisch, kraftvoll (wenn auch gelegentlich etwas zu viel des Guten) gibt Sara Jakubiak der Eva einen erfrischenden Auftritt. Ihr Seelig wie die Sonne wirkt nachdenklich introvertiert und sie kann auch im anschließenden Quintett zusammen mit Klaus Florian Vogt harmonieren und dabei dominieren. Er ist als Walther immer noch der jugendliche Tenor vom Dienst, auch wenn er mittlerweile immer mehr Volumen hinzugewinnt und jetzt dem lyrischen schweren Tenorfach zugerechnet werden kann. Sein Preislied trägt er sehr nuanciert vor, kann auch die Lautstärke stufenweise steigern und gewinnt den Preis am Ende völlig zu Recht.

Vitalij Kowaljow ist ein mehr als solider Veit Pogner, Adrian Eröd gibt dem Sixtus Beckmesser das Niveau eines Stadtschreibers, ohne ihn als Karikatur zu überzeichnen. Sein Preislied mißlingt wegen seiner hohen Ansprüche. Oliver Zwarg hat schon als Veit Pogner reüssiert. Er singt die Rolle des Fritz Kothner mit durchschlagsstarker Eleganz und sicherer Phrasierung. Sebastian Kohlhepp ist ein jugendlich dynamischer Lehrbube David. Alexander Kiechle kann als Nachtwächter mit durchschlagsstarker Nachwuchskraft auf sich aufmerksam machen.

Fazit

Im Prinzip funktioniert die Übertragung der Meistersinger in die heutige Zeit sicherlich als ein Plädoyer für die Freiheit der Kunst, in diesem Falle als Anerkennung des kreativen aber aggressiven Neukünstlers Stolzing als pseudo-avantgardistischer Trendsetter; denn er wird als derber Wandergeselle dargestellt. Der Nürnberger Intendant Jens-Daniel Herzog versteckt jedoch diese Aussage in seiner für die Salzburger Osterfestspiele entstandenen Produktion hinter den Ablenkungen eines bombastisch aufwendigen Bühnenbildes und den überflüssigen Mätzchen und absonderlichen Einfällen des Regietheaters. So läuft in der tiefgründigen Diskussion zwischen Sachs und Beckmesser in der Schusterstube im Hintergrund in der Maske des Opernhauses Pogner, dessen Direktor offensichtlich Sachs ist (und auch noch die Rolle des Sachs in der gleichzeitig stattfindenden Meistersinger-Produktion hat) eine völlig sinnlose, hinzuerfundene Fummelei zwischen einem Meister und der Garderobiere ab. Besonders ärgerlich ist es, wenn die Handlung verändert wird: zum Beispiel das Wiedersehen zwischen Stolzing und Eva Das törige Kind, da hast du’s, da. Statt Romantik gibt es eine Diskussion mit Sachs und Beckmesser. Allerdings beeindruckt das durchdachte und sehr aufwendig konzipierte Bühnenbild.

Dank Christian Thielemann, einem herausragenden Solistenensemble und einem perfekt aufeinander abgestimmten Chor und Staatskapelle ist diese Aufführungsserie eine Sternstunde der derzeitigen Wagner-Rezeption und ein Meilenstein in der Aufführungsgeschichte der Semperoper. Auch eine bilder- und geschichtenlastige Inszenierung kann nicht ablenken von den zahllosen musikalischen Höhepunkten, wie Prügelfuge, Einzug zur Festwiese und dem Wach Auf! Chor, die ganz offensichtlich intensiv geprobt wurden. Am Ende enthusiastischer Jubel des Publikums aus Freude darüber an diesem Ereignis teilgenommen haben zu dürfen.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Georg Zeppenfeld (Hans Sachs), Sebastian Kohlhepp (David)

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