Norma – Hamburg, Staatsoper

von Vincenzo Bellini (1801-1835), Libretto: Felice Romani, UA: 26. Dezember 1831 Mailand, Teatro alla Scala

Regie: Yona Kim, Bühne: Christian Schmidt, Kostüme: Falk Bauer, Licht: Reinhard Traub, Dramaturgie: Angela Beuerle

Dirigent: Matteo Beltrami, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Chor der Hamburgischen Staatsoper

Solisten: Marcelo Puente (Pollione), Liang Li (Oroveso), Marina Rebeka (Norma), Diana Haller (Adalgisa), Gabriele Rossmanith (Clotilde), Dongwon Kang (Flavio)

Besuchte Aufführung: 8. März 2020 (Premiere)

Kurzinhalt

Die heidnische Hohepriesterin Norma liebt im von Römern besetzten Gallien heimlich den römischen Prokonsul Pollione, mit dem sie zwei Kinder hat. Pollione jedoch hat sich in die Novizin Adalgisa verliebt und möchte mit dieser fliehen. Als Norma davon erfährt, wird sie zwischen Rache, Selbstmord und Selbstaufgabe mehrfach hin- und hergerissen. Schließlich jedoch opfert sie sich selbst auf dem Scheiterhaufen. Der davon überwältige Pollione schließt sich ihr an.

Aufführung

Die Aufführung verlegt die Handlung in eine zeitlos abstrakte Gegenwart. Auf der schwarzen Bühne befindet sich ein zweistöckiger, bleich beleuchteter, beweglicher Container. Der Raum wird von einem dichten, asiatisch anmutenden Rankengewirr umschlossen. Die mit Hackebeilen hantierenden gallische Priesterinnen bilden hier eine Sekte, deren Kostüme und Verhalten an die TV-Serie The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd erinnern.

Die Gallier sind gewaltbereite Fanatiker, die auch vor Folter und Mord nicht zurückschrecken und somit voller Überzeugung die martialischen Chöre schmettern, während die Römer als Soldaten gekleidet sind. Am Ende wird Norma im Container als lebensgroße Puppe verbrannt, während Pollione zu Boden sinkt und Adalgisa hilflos zusieht.

Sänger und Orchester

Marina Rebeka ist ab ihrem ersten Auftritt eine spektakuläre wie authentische Norma. Die berühmte Arie Casta Diva – Keuche Göttin singt sie im Sitzen. Dabei schreitet sie mit staunenswerter Makellosigkeit den gesamten Bereich vom Pianissimo bis zum Fortissimo aus. Dementsprechend lange dauert der Zwischenapplaus. Mit schier unbegrenztem Volumen und packender Dramatik schleudert sie im weiteren Verlauf des Abends die Spitzentöne bis in den dritten Rang, gestaltet dabei jedoch ebenfalls einfühlsam – etwa wenn sie zu Beginn des Zweiten Akts darum ringt – ob sie ihre Kinder töten soll. Daß Diana Haller als Adalgisa auf ähnlich hohem Niveau agiert, macht sich nicht nur an ihrer feinen messa di voce bemerkbar, sondern ebenfalls in den Duetten mit Rebeka, die zu den Höhepunkten des Abends werden. Mit ihrer schlanken beweglichen Stimme, der es ebenfalls nicht an Plastizität mangelt, stellt sie die perfekte Ergänzung zu Rebeka dar.

Durchweg erfreulich fällt auch der Pollione von Marcelo Puente aus. Mit bebendem Vibrato und tenoraler Wärme füllt er das Stereotyp des Liebhabers mit Leben. Glücklicherweise bewältigt Puente auch die Höhe mit genau der Leichtigkeit, die auch Rebeka und Haller zu eigen ist, so daß der Tenor in dieser Norma alles andere als eine Schwachstelle ist. Überhaupt klingt keiner der Darsteller auch nur ansatzweise angestrengt oder grell, ein angenehm intensiver Ensembleklang ist also garantiert.

Liang Li fällt als Oroveso vom stimmlichen Gewicht her leicht ab, gestaltet jedoch ebenfalls mit scheinbarer Mühelosigkeit. Gabriele Rossmanith und Dongwan Kang erfüllen die kleineren Rollen als Clotilde und Flavio darstellerisch und stimmlich ebenfalls überzeugend.

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter Matteo Beltrami erfüllt die Rolle des Begleitorchesters mit zauberhafter Sicherheit, Vielseitigkeit und feurigem Ernst. Alleine die zahlreichen Flötensoli sind zum Einrahmen schön gespielt, während die Streicher den Gesang auf der Bühne mit samtigem Cantabile vervollständigen. Zudem versteht es Beltrami, Orchestergraben und Bühnengeschehen differenziert auszubalancieren, so daß auf der Bühne nie etwas untergeht, die Orchesterstimmen jedoch ebenfalls nie zu sehr in den Hintergrund treten.

Fazit
Während die musikalische Seite dieser Hamburger Norma zum Triumph wurde und dementsprechend vom Publikum bejubelt, wurde die Regie mit lauten, deutlichen Buhs bedacht. Für Belcanto-Fans ist diese Norma sicher ein Muß, da es keine musikalischen Ausfälle gibt und das Haupttrio Spitzenleistungen liefert. Die Regie orientiert sich zwar am martialischen Text, setzt jedoch auf starke Kontrastwirkung zur Musik, was nicht jedermanns Sache ist.

Dr. Aron Sayed

Bild: Hans Jörg Michel

Das Bild zeigt: Marcelo Puente (Pollione), Marina Rebeka (Norma); Chor der Hamburgischen Staatsoper

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