Lohengrin – Erfurt, Theater

von Richard Wagner (1813-1883); Romantische Oper in drei Aufzügen; Libretto: Richard Wagner, UA: 28. August 1850 in Weimar

Regie: Hans-Joachim Frey, Bühne/Kostüme: Hartmut Schörghofer

Dirigent: Myron Michalidis, Philharmonisches Orchester und Opernchor des Theaters Erfurt, Thüringen, Philharmonie Gotha-Eisenach, Choreinstudierung: Andreas Ketelhut

Solisten: Kakhaber Shavidze (König Heinrich), Uwe Stickert (Lohengrin), Margrethe Fredheim (Elsa), Mate Solyom-Nagy (Telramund), Anne Derouard (Ortrud), Siyabulela Ntlale (Heerrufer), u.a.

Besuchte Aufführung: 8. Februar 2020 (Premiere)

Kurzinhalt

König Heinrich ruft die Brabanter zum Feldzug. Telramund, von seiner Gattin Ortrud angestachelt, beschuldigt Elsa des Mordes an ihrem Bruder Gottfried. Ein Gottesgericht in Form eines Zweikampfs soll über Elsas Schuld entscheiden. Da erscheint ein Fremder im Boot, gezogen von einem Schwan; er besiegt Telramund. Dieser Fremde wird Elsa heiraten, aber sie darf nie nach seinem Namen und Herkunft fragen. Ortrud und Telramund bezichtigen den Fremden der Zauberei. Im Brautgemach bricht Elsa ihr Versprechen und stellt die Fragen. Telramund dringt ein, im Zweikampf stirbt er. Nun muß Lohengrin Namen und Herkunft offenbaren. Ortrud triumphiert, aber Lohengrin bewirkt die Rückkehr Gottfrieds.

Aufführung

Wir befinden uns in einer weit entfernten Galaxis in ferner Zukunft oder auf dem Planet Erde in mystischer Vergangenheit? „Schwierig zu beantworten das ist!“ Die Anspielungen auf Sience fictions-Filme wie Krieg der Sterne, Independence Day, Metropolis (hier in Farbe!) oder Planet der Affen sind zahlreich, aber leicht verfremdet. Im Hintergrund sieht man die beleuchteten Wolkenkratzer einer futuristischen Stadt. Dazwischen schlängeln sich die Autobahnen mit viel Verkehr hindurch. In regelmäßigen Abständen kreisen moderne Flugkörper darüber, einige sind dem Krieg der Sterne entsprungen.

Lohengrin steigt aus einem großen kreisrunden Ufo, das über der Stadt schwebend den Himmel verdunkelt. Er trägt eine gleißend helle, futuristisch wirkende Uniform. Damit hebt er sich von den übrigen Solisten ab, die in pseudo-mittelalterlichen Kostümen herumlaufen. Sie teilen sich den Platz im Vordergrund an der Rampe mit geklonten, einheitlich schräg aussehenden Brabantern.

Der Chor der Brabanter stellt sich zumeist entlang der beiden Rampen auf, die den Vordergrund gegen das Stadtbild abgrenzen. Diese Klonkrieger (sie sehen bis zur Frisur identisch aus!) haben Probleme mit der Koordination ihrer Bewegungen und können deshalb keine optimalen Positionen zum Singen einnehmen, obwohl doch eine geeignete Spielfläche vorhanden ist. Auch wird der Platz durch eine Reihe gläserner Särge begrenzt, auf denen die Solisten herumlaufen. Endgültig zur Nekrophilie wird die Auseinandersetzung mit Ortrud im zweiten Akt, sobald Telramund eine Leiche aus dem Glassarg nimmt, mit ihr herumtanzt und sich dann selbst in den Sarg legt.

Sänger und Orchester

In Sichtweite zum Uraufführungsort des Lohengrin sollte die Produktion im benachbarten Erfurt (das auch in gewisser Konkurrenz zum Nationaltheater Weimar steht) höchsten Anforderungen entsprechen. Der erste Schritt ist die herausragende Leistung des Uwe Stickert, der eigentlich eher Weimar und Nürnberg verbunden ist, wo er mit Rossini, Halévy oder Meyerbeer sich große Meriten im italienischen und Belcanto-Tenorfach oder der Grand Opera erworben hat. Auch als Lohengrin klettert er mit halsbrecherischen, aber sicher gemeisterten Wechseln zwischen Kopf- und Bruststimme strahlend sicher bis in die höchsten Höhen und entfacht wahre Begeisterungsstürme.

Mate Solyom-Nagy ist ein Spielbariton mit fast heldischem Glanz. Seine Gestaltung des Telramund ist herausragend. Ihm gelingen hier deutliche Abstufungen in der Lautstärke – untermalt mit entsprechender Spiel- und Gestaltungsfreude. Sein Telramund ist kein tumber, machtgieriger Täter, sondern eher ein Opfer von Ortrud und der Umstände. Dieser dominanten Ortrud gibt Anne Derouard ihre Stimme – technisch sauber und mit rauhen hexenhaften Zügen.

Leider kann Margrethe Fredheim als Elsa hier nicht mithalten. Ihr fehlt die jugendlich klare Stimme, sie ist zu durchschlagsstark und neigt zu unschönen Schärfen. Ebensowenig überzeugend Kakhaber Shavidze als gurgelnder König Heinrich und Siyabulela Ntlale als schwacher Heerrufer. Ein wichtiger Qualitätsträger ist der ständig präsente Opernchor – optimal für das stets optimale Zusammenwirken zwischen Chor, Solisten und Philharmonischen Orchester. Hilfreich sind die etwas sehr breiten Tempi, die Myron Michalidis anschlägt. Jedoch können so im Forte vorzutragende Chöre wie Ruhm Deiner Fahrt nicht ihre monumental pathetische Wucht entfalten. Es ergibt sich ein stets auf Ausgleich zwischen Orchester und Gesangsstimmen ausgerichtetes Dirigat – wie zum Beispiel die harmonischen Klangwolken beim Zug zum Münster, die unerhörten dynamischen Steigerungen bis hin zur Ekstase. Nicht unerwähnt bleiben soll die etwas überraschende Strichfassung für die Chöre. So fehlt In Frühn versammelt uns der Ruf (wohl weil es keinen Sonnenaufgang in dieser Inszenierung gibt?) und in vielen Chorszenen sind Folge-Strophen gestrichen – genauso wie der zweite Teil der Gralserzählung.

Fazit

Die Vorzeichen dieser Premiere waren eigentlich ungünstig. Angesichts der vieldiskutierten Thüringer Ministerpräsidentenwahl und der ebenso kritisierten Verleihung des St. Georg-Ordens des Balles der Semperoper Dresden – Hans-Joachim Frey ist der Vorsitzende des veranstaltenden Vereins – war mit Unmutsäußerungen eigentlich zu rechnen.

Mitnichten: Über die Erfurter Krämerbrücke pilgern die Touristen, in den Cafes sitzen die Einwohner gemütlich zusammen. Lediglich in der zweiten Pause zieht Polizei auf: Es handelt sich aber um die allabendliche Razzia in einem benachbarten Park gegen die Drogenszene. Ob also das heftige Buh-Gewitter am Schluß den Gegnern, die lautstarken Bravos den Unterstützern der Dresdener Ballveranstaltung zuzurechnen sind, bleibt ungeklärt: Vielleicht sind sie ja auch nur dem ungewohnten Bühnenbild, der seltsamen Personenregie und der fragwürdigen Strichspielfassung geschuldet?

Oliver Hohlbach

Bild: Lutz Edelhoff

Das Bild zeigt: Gralserzählung Lohengrins an Elsa, Chor und Metropolis im Hintergrund

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