von Jacques Offenbach (1819-1880), Operette (Opera-bouffe) in drei Akten, Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy, Wiener Textfassung: Ernst Poettgen, für die Semperoper eingerichtet von Josef E. Köpplinger, Zusatztexte von Thomas Pigor,
UA: 12. April 1867, Paris, Theatre des Varietes, Wiener Fassung, 13.Mai 1867, Theater an der Wien
Regie: Josef E. Köpplinger, Bühne: Johannes Leiacker und Kostüme: Alfred Mayerhofer
Dirigent: Jonathan Darlington, Sächsische Staatskapelle, Sächsischer Staatsopernchor, Kinderchor der Semperoper, Choreinstudierung: Jan Hoffmann
Solisten: Anne Schwanewilms (Großherzogin), Maximilian Mayer (Fritz), Katerina von Bennigsen (Wanda), Martin Winkler (General Bumm), Daniel Prohaska (Prinz Paul), Jürgen Müller (Baron Puck), u.a.
Besuchte Aufführung: 29. Februar 2020 (Premiere)
Fritz, ein Soldat, liebt Wanda. Sein Vorgesetzter General Bumm ist von diesem Verhältnis nicht begeistert, da er sich selber erfolglos um Wanda bemüht hat. Als die Großherzogin von Gerolstein (GHZ) ihrem Regiment einen Besuch abstattet, wirft sie ein Auge auf Fritz und ernennt ihn zum General, was Prinz Paul mißfällt, denn dieser hofft, von der Großherzogin endlich erhört zu werden.
Siegreich kehrt Fritz zurück von einem „Scheingefecht“ zurück und erbittet von der Großherzogin die Vermählung mit Wanda. In der Hochzeitsnacht werden Komplotte von (Ex)-General Bumm und der eifersüchtigen Großherzogin geschmiedet, um Fritz zu degradieren. Doch am Ende bekommt jeder mehr oder weniger das, was er will.
Aufführung
Die Vorstellung beginnt schon vor der Vorstellung: Als wahrhafter „running gag“ jagt eine Herde Touristen durch die Ränge der Semperoper und lauscht den wenig erhellenden Erläuterungen des Fremdenführers. Diese Gruppe nimmt immer wieder Teile der Handlung auf der Bühne in Augenschein und kommentiert sie. Ort dieser Handlung gehört eher zur benachbarten Gemäldegalerie „Alte Meister“, die gerade wiedereröffnet wurde. Allerdings sind die Wandgemälde im Hintergrund von Kugeln durchlöchert. Die Einschußlöscher bilden das Wort „Gerolstein“, das Gemälde (Reiter mit Säbel) und ein nackter Kriegsgott fallen nicht aber aus dem Goldrahmen. Hier wird den Touristen ein ehemaliger Operettenstaat vorgeführt, doch die Touristen und eingebaute Zitate verweisen jedoch in die Gegenwart. So beschwert sich Prinz Paul über die „ investigativen Journalisten“ bei einer „Pegida-Demo“. Die dreizehn Gerolsteiner Soldaten dürfen, mit Pickelhaube perfekt ausgestattet, auf und ab galoppieren. In dem hier dargestellten Operettenstaat wirkt das natürlich nicht militärisch stramm, sondern revueartig heiter. Die Großherzogin läßt erst das Badewasser ein, dann das gelbe Quietsche-Entchen zu Wasser und versucht bei ihrem neuernannten General zu landen. Aber das ist genauso erfolglos wie die Kriegszüge ihres Generals und so endet die Geschichte – wie vorgesehen – mit einer Vernunftehe. Ganz unspektakulär.
Sänger und Orchester
Die musikalische Darlegung der Offenbach‘schen Ideen ist für Jonathan Darlington und der Staatskapelle Dresden quasi ein feierliches Moment. Schon die gewählte Spielfassung überzeugt von Anfang bis Ende – vom bestens eingestimmten Kinderchor am Anfang bis zu dem musikalischen Rausschmeißer nach dem Schlußapplaus. Vom Verschwörer-Terzett im Finale des ersten Aktes bis zur meist gestrichenen Verschwörungsszene des dritten Aktes mit dem Zitat der Schwertweihe aus Meyerbeers Prophet.
Der gute musikalische Eindruck wird ein wenig von der alterfahrenen Anne Schwanewilms in der Titelrolle getrübt, die gesanglich sehr verhalten, wahrlich keine männerverschlingende Amazone abgibt. Der Säbel ihres Vaters ist alles andere als schwungvoll. Auch Katerina von Bennigsen läßt beim Publikum für Wanda wenig Liebesgefühle aufkommen – weder stimmlich, noch szenisch. Dafür können die vom Münchner Gärtnerplatztheater bekannten Protagonisten Daniel Prohaska als Prinz Paul (mit Verve und gekonnt gelangweiltem Ausdruck) sowie Sigrid Hauser als Erusine von Nepumukka sowohl stimmlich als auch schauspielerisch eloquent und elegant die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sängerisch besondere Aufmerksamkeit erzielt Maximilian Mayer als Fritz mit melodiöser tenoraler Stimmführung. Martin Winkler gibt einen brummigen General Bumm, mit tiefer baritonaler Durchschlagskraft mal trottelig, mal intrigant.
Fazit
An der Dresdener Semperoper ist das Münchner Gärtnerplatztheater zu Gast – unter der Leitung des Intendanten Josef E. Köpplinger, der nicht nur eine allzeit lustige Produktion in seinem in München sehr beliebten Revue-Stil auf die Bühne stellt, sondern auch bewährte Sänger-Darsteller mitgebracht hat. Die Handlung erzählt von einem heutigen Operettenzwergstaat, der vom Tourismus lebt – und darum die Handlung um einen Touristenführer samt Reisegruppe ergänzt hat.
Das Militär ist eher eine gut choreographierte Tanztruppe und Touristenattraktion. Kein Wunder, daß diese Truppe – falls man sie tatsächlich in die Schlacht schickt – mangels Gegner die Touristen verhaftet, was natürlich nicht sein darf und zum Sturz von General Fritz führt. Die musikalischen Kostbarkeiten Offenbachs, weswegen das Stück auch heute noch gespielt wird, werden dem Publikum nicht nur eloquent und unterhaltsam serviert, sondern auch musikalisch auf dem Niveau einer Staatsoper angeboten: Das Publikum dankt mit donnerndem Applaus.
Oliver Hohlbach
Bild: Ludwig Olah
Das Bild zeigt: Anne Schwanewilms (Großherzogin), Daniel Prohaska (Prinz Paul)