von Siegfried Wagner (1869-1930), Oper in drei Akten, Dichtung vom Komponisten, UA: 30. Oktober 1918 Darmstadt
Regie: Peter Paul Pachl, Bühne und Video: Robert Pflanz, Kostüme: Christian Bruns
Dirigent: Ulrich Leykam, Digitales Orchester
Solisten: Uli Bützer (Kaiser Alexios), Rebecca Broberg (Kaiserin Irene), Giorgio Valenta (Ritter Fridolin), Steven Scheschareg (Albrecht: Vater von Fridolin), Dirk Mestmacher/William Wallace (Gomella), Julia Reznik (Iris: Gomelias Tochter), Maarja Purga (Eustachia), Robert Fendl (Ritter Gottfried, Gesandte Venedigs), Xenia Galanova (Eunoe/Phila), Reuben Scott (Bote/Verschwörer/Priester/Sklave), u.a.
Besuchte Aufführung: 15. August 2020 (Premiere)
Die 1918 uraufgeführte Oper ist eine im historischen Kontext des Untergangs von Byzanz versteckte soziale Situationsanalyse des untergehenden deutschen Kaiserreiches. Der Gegensatz zwischen der degenerierten realitätsfernen Hofgesellschaft und der hungernden Gesellschaft wird häufiger thematisiert. Die verschrobene Handlung ist die Liebe des fahnenflüchtigen Kreuzritters Fridolin zur Tochter des Hofnarren, Iris, die aber nur halb erwidert bleibt. Denn Iris läßt sich vom Kaiser Alexios mit einer Halskette betören. Er hatte seinem Hofnarren Gomella befohlen, Iris ihm als Strafe für den Diebstahl von Rosenöl gefügig zu machen. Außerdem ist seine Liebe zur Kaiserin Irene, die ihm nur einen degenerierten kranken Thronfolger geboren hat, erkaltet.
Die Kaiserin schützt Iris vor weiteren Nachstellungen des Kaisers und Fridolins. Ein Attentat auf den Kaiser scheitert. Als Konspirant wird Fridolin verhaftet, der sich wahnsinnig stellt und dafür als zweiter Hofnarr begnadigt wird. Der Vater versucht seinen Sohn Fridolin zur Rückkehr in die Heimat zu bewegen. Dieser erkennt seine ehrlose Situation als Fahnenflüchtiger und bekennt sich zum Bleiben und zu Iris. Die Kaiserin ertränkt sich mitsamt dem Kind, die Kreuzritter greifen an and legen Feuer. In dem Brand geht die Hofgesellschaft unter.
Aufführung
Die Bühne zeigt eine beleuchtete Spielfläche, eingebaut in einem ehemaligen Kino. Links neben dem neu geschaffenen Portal werden Übertitel projiziert. Auf der eigentlich leeren Bühne wird mit Bündeln von bunten Schaumstoffschlangen, (Pool-Nudeln), aufrecht stehend oder liegend, ein Bühnenbild geschaffen. Eine Holzkiste dient als Altar oder Sitzgelegenheit.
Die Kostüme können in historisierender Weise bezüglich Byzanz gesehen werden. Andererseits könnte man sie mit Strohhut, weißem Anzug, Bikini und Birkenstock Sandalen auch als modern ansehen. Zentraler Blickfang ist die bühnenfüllende Projektionsfläche, auf der mal mehr mal weniger sinnvolle Videos oder abstrakte Bilder eingeblendet werden.
Am Anfang stehen bewegte Bilder aus den Jahren 1048-1423, auch1920. Hier geht es um das Leben in Byzanz und bei Revolutionswirren. Ein Waldbild und eine Verlobungsfeier schließen sich in der Ouvertüre an. Das Schlußbild wird von einer Zusammenstellung vieler Tagesschau-Sprecher eingeleitet, das nach einem Atompilz und viel hellem Licht den Untergang von Byzanz darstellt.
Sänger und Orchester
Nicht weniger als 18 Rollen weist der Besetzungszettel für die Sonnenflammen aus, einige davon sind sogar zusammengelegt worden. Die Anforderungen an die Sänger sind dabei hoch, Siegfried Wagner orientierte sich durchaus auch an seinem Vater, aber auch an anderen Spätromantikern. Die meisten hier auftretenden Künstler sind junge Nachwuchskräfte, nur wenige haben bereits Erfahrungen mit den Opern Siegfried Wagners sammeln können.
Rebecca Broberg war bereits im Vorjahr an der Oper An Allem ist Hütchen Schuld beteiligt und gibt der Kaiserin Irene die emotionale Ausdruckskraft. Ihr eher dramatischer Sopran gibt der Verzweiflung weiten Raum.
Ihr Partner und die wichtigste und markanteste Rolle ist Kaiser Alexios. Uli Bützer charakterisiert ihn als dynamisch dekadenten Herrscher, technisch sauber mit flexibler baritonaler Stimme. Das Ziel seiner Begierde weiß sich stimmlich zu behaupten. Julia Reznik in der Rolle der Iris gibt mit ihrem souveränen
jugendlichen Sopran ihr Operndebüt. Der ebenfalls an Iris interessierte und Gegenspieler des Kaisers ist Ritter Fridolin. Für den Fridolin konnte mit Giorgio Valenta, ein erfahrener lyrischer Tenor, gewonnen werden, der mit den Mitteln des Belcanto der technisch schwierigen Rolle Herr wird und den Kampf um Iris musikalisch überzeugend gestaltet. Wirklich schade, daß sein Vater Albrecht (Steven Scheschareg) ihn mit voluminöser baritonaler Stimme wegen seiner Fahnenflucht beschimpft.
Die szenisch wichtige Rolle der Attentäterin übernimmt Xenia Galanova. Als Eunoe und auch Phila kann sie mit einer großen volltönenden und ausdrucksstarken Sopranstimme leider nur kurz Aufmerksamkeit erregen.
Corona wirft einen starken Schatten. Vermag die Verwendung von Solisten-Sextetten noch die Vorschrift „Abstand der Chormitglieder“ adäquat lösen, kann ein Orchester aus dem Synthesizer nicht befriedigen. Technisch mag die Programmierung durch Ulrich Leykam überzeugen – auch wenn der Computer durch einige Systemausfälle für Kunstpausen verantwortlich zeichnet. Das Klangbild aus dem Synthesizer ist steril und kann natürlich nicht die Klangfülle eines Streichorchesters ersetzen. Es klingt immer so wie die Gruppe Kraftwerk früher. Als Notlösung ist es aber akzeptabel.
Fazit
Wieder einmal eine Produktion eines Werkes Siegfried Wagners, die unter schwierigen Bedingungen zustande kam. War es noch 2019 möglich im Markgräflichen Opernhaus seine Oper An Allem ist Hütchen Schuld! (und in einem Konzert mit Klavierbegleitung u.a. Ausschnitte aus den Sonnenflammen) auf einer respektablen Opernbühne darzustellen, stand diese ein Jahr später nicht mehr zur Verfügung. Diese wird von der Bayerischen Schlösserverwaltung als Museum nur begrenzt zur Verfügung gestellt. Daher mußte der Veranstalter auf die preiswertere Bühne eines ehemaligen Kinos ausweichen, das erst kürzlich auf private Initiative als Kulturzentrum reaktiviert wurde. Was auch ein gewisses Schlaglicht auf die öffentliche Unterstützung bzw. Interesse in Bayreuth und besonders auf die Aufführung der Werke Siegfried Wagners wirft.
Eine etwas spartanische Ausstattung und eine kürzere Probenzeit hat sich in diesem Zusammenhang auch angeboten. Hingegen war eine exquisite Sängerriege erfreut, in Coronazeiten eine Möglichkeit zum Auftritt zu bekommen – was die vielen Nebenrollen deutlich aufwertete. Ein weiterer Rückschlag war der überraschende Tod von Johannes Föttinger am 26.Juli, der die wichtige Rolle des Gomella übernehmen sollte. Die Rolle wurde kurzfristig von Dirk Mestmacher und William Wallace übernommen, die sich die Rolle szenisch und musikalisch aufteilten. Besonderes Lob für das Programmheft, das eigentlich der Ausstellungskatalog zu der Ausstellung der Siegfried-Wagner-Gesellschaft zum 90. Todestag in der Bayreuther Stadtbibliothek ist, der auf interessante Parallelen des Narren Gomella zum Vaterbild Richard Wagner und zu Verdis Narren Rigoletto hinweist. Eine weitere Einschränkung war der Corona-Mindestabstand im Publikum, dem mehr als die Hälfte der Sitzplätze zum Opfer fielen. Das Publikum bedankte sich eindringlich für die gelungene Umsetzung dieses musikalisch sehr anspruchsvollen und immer wieder unterschätzten Werk Sonnenflammen. Langer und freundlicher Applaus für alle Mitwirkenden.
Oliver Hohlbach
Bild: Internationale Siegfried-Wagner-Gesellschaft
Das Bild zeigt: Das Solo-Vokalsextett der Damen (Damenchor) bei der Vorbereitung des Messerattentats