von Gioacchini Rossini (1792-1868), Melodramma buffo in 2 Akten, Libretto: Cesare Sterbini nach Beaumarchais‘ Le Barbier de Séville (gespielt: deutsche Textfassung von Michael Heinicke); UA: 20. Februar 1816, Rom. Regie: Michael Heinicke, Bühnenbild/Kostüme: Stefan Weil; Dirigent: Domonkos Héja, Robert-Schumann-Philharmonie. Solisten: André Riemer (Graf Almaviva), Andreas Kindschuh (Figaro), Martin Gäbler (Doktor Bartolo), Jana Büchner (Rosina), Kouta Räsänen (Basilio), Tiina Penttinen (Marzelline), Thomas Mäthger (Offizier), u. a.
Besuchte Aufführung: 4. Oktober 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Graf Almaviva hat sich in Rosina, das Mündel von Doktor Bartolo, verliebt. Doch Bartolo hütet streng die Angebetete, denn er will sie, ein reiches Erbe im Blick, selber ehelichen. Der Barbier Figaro weiß, gut bezahlt, für Almaviva rat. Figaro fungiert als vermittelnder Liebespostbote und auf sein Geheiß schleust sich Almaviva als betrunkener Soldat Lindoro in Bartolos Haus ein, dort Rosina begegnend. Als die Wache eingreifen will, entkommt er unbehelligt. Als Musikmeister Don Alonso verkleidet stößt Almaviva erneut zu Rosina vor, wobei der echte Musiklehrer Basilio mit Geld ruhig gestellt werden kann. Bartolo entdeckt den Plan und wirft Almaviva und Figaro aus seinem Haus. Ein drittes Mal gelangen Almaviva, der seine wahre Identität Rosina endlich offenbart, und Figaro in Bartolos Haus. Figaro heißt den anwesenden Notar, sich als Bartolo verstellend, die Ehe zwischen Rosina und Almaviva zu schließen. Der ebenfalls anwesende Basilio wird mit Waffengewalt und goldenem Ring ruhig gestellt, der eintreffende Bartolo mit Rosinas Mitgift versöhnlich gestimmt. Letztendlich sind alle überglücklich.
Aufführung
Die in deutscher Fassung gesungene Inszenierung bringt die Zuschauer ganz nah an das Geschehen, da der Zuschauerraum arenenartig auf die Drehbühne des Opernhauses gehoben worden ist, welcher die zentrale Spielfläche dreiseitig umgibt. Durch gezielt eingesetzte Rotation der Spielfläche, mitsamt den Zuschauern, ergeben sich wechselnde Handlungsorte, so daß z. B. für eine Szene die obere Bühnengalerie, die als Balkon von Doktor Bartolos Haus fungiert, in den zentralen Blickpunkt rückt. Auf der Drehbühne selber kommen einige wenige klassisch anmutende Ausstattungselemente, wie Sessel und Adonisfigur, zum Einsatz, wie auch die detailreichen Kostüme als Mischung des Stils historischer Kleidung, verbunden mit überzeichnet märchenhafter Stilverbrämung gestaltet worden sind.
Sänger und Orchester
Die stimmlichen Vorzüge von Tenor André Riemer (Almaviva) liegen eindeutig in den lyrischen Passagen, die mit bewegend samtenem Timbre ausgekostet werden, wie in der Kavatine Sieh, schon die Morgenröte der Balkonszene. Bei den Duetten und Gruppenszenen verblassen jedoch die Spitzentöne in fahlem Ausklang, die zudem von gepresster Kurzatmigkeit begleitet werden. Jana Büchner liefert eine Rosina, deren Sopran stimmlich in ein breites Spektrum lyrisch warmer Klangfarben eintaucht, wie in der Arie Frag ich mein beklommnes Herz, verbunden mit subtil differenzierender Stimmdynamik in den dramatischen Abschnitten, die von druckvoll aufblitzenden Spitzentönen gekrönt werden. Der Figaro von Bariton Andreas Kindschuh zeichnet sich durch agile stimmliche Klangnuancierungen, wie im Ich bin das Faktotum der schönen Welt aus, die insbesondere in den Gruppenszenen ihre Kulmination erfahren, verbunden mit dynamischen Wechseln des Tempos. Bei Baßbariton Martin Gäbler (Doktor Bartolo) ist insbesondere sein zündendes Mimikspiel hervorzuheben. Stimmlich zeigt er eine Leistung, die gekonnt changierende Klangfarbenaufspreizung mit deutlich sich abzeichnender Linie im Duktus verbindet, wie im Einen Doktor meinesgleichen. Kouta Räsänen (Basilio) brilliert insbesondere in der Verleumdungsarie Die Verleumdung mit seinem schlanken und doch bestechend druckvollen Baß, der an diesem Abend ein Musterbeispiel an kristallklarem Duktus abgibt. Tiina Penttinen (Marzelline) verführt mit ihrem leuchtend vollem Sopran und auch Thomas Mäthger (Offizier) überzeugt mit seinem impulsiven Baß.
Die Robert-Schumann-Philharmonie unter Domonkos Héja bettet die Sänger dazu in nuancenreich austarierte Stimmungsfärbungen satt ausgespielter Klangszenen.
Fazit
Die Umsetzung des Stückes auf der Drehbühne spornte alle Beteiligten zu hohen Leistungen an, insbesondere die spielerische Umsetzung betreffend, da der Zuschauer unmittelbar vor den Sängern saß und so das Geschehen hautnah miterleben konnte. Unter Einsatz der Drehbühnenrotation und von zwei Versenkungen, verbunden mit stimmungsbeeinflussender Beleuchtung und damit verbundener intelligenter, zeitlich auf den Punkt abgestimmter Handlungsführung, gelang eine heitere Inszenierung, die für langen Applaus sorgte.
Dr. Andreas Gerth
Bild: Dieter Wuschanski
Das Bild zeigt: Der gehörnte Esel auf seinem Thron. (v.l.n.r) Andreas Kindschuh (Figaro), Martin Gäbler (Doktor Bartolo), André Riemer (Graf Almaviva), Jana Büchner (Rosina).