von Wolfgang Rihm (*1952), Musiktheater in drei Monodramen und zwei Zwischenspielen.
Aria/Ariadne, Szenerie für Sopran und kleines Orchester (2001) nach einer Dichtung von Friedrich Nietzsche
Zwischenspiel I: Das Gehege, eine nächtliche Szene aus „Schlußchor“ von Botho Strauß für Sopran und Orchester (2004/2005)
Zwischenspiel II: Penthesilea Monolog, nach der Dichtung von Heinrich von Kleist für dramatischen Sopran und Orchester (2005)
Regie: Georges Delnon, Bühne: Roland Aeschlimann, Kostüme: Marie-Thérèse Jossen, Dramaturgie: Ute Vollmar, Licht: Hermann Münzer, Video: Christoph Schödel
Dirigent: André de Ridder, Sinfonieorchester Basel
Solisten: Yeree Suh (Ariadne), Rayanne Dupuis (Anita), Renate Behle (Penthesilea), Rolf Romei (Dionysos)
Besuchte Aufführung: 25. September 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Wolfgang Rihms Oper Drei Frauen setzt sich aus drei unabhängig voneinander entstandenen Monologen der Jahre 2001 bis 2005 zusammen und verbindet sie zu einem Triptychon. Aria/Ariadne, der erste Teil, basiert auf einem Text von Nietzsche und zeigt Ariadne, die, allein zurückgelassen und in ihrer Vereinsamung gefangen, die Heimkehr des Gottes Dionysos erfleht. In Das Gehege (nach Botho Strauß) schenkt eine Frau namens Anita nachts einem geliebten Adler die Freiheit. Doch der flieht weder aus seinem Käfig noch nimmt er das Opfer Anitas an, die sich ihm zur Ausweidung anbietet. Schließlich tötet sie ihn. In Penthesilea Monolog (nach der gleichnamigen Dichtung Kleists) erwacht die Amazone neben ihrem ermordeten Geliebten und muß feststellen, daß sie selbst ihn im Wahn auf bestialische Weise getötet hat.
Aufführung
Die Verschmelzung unabhängiger weiblicher Selbstgespräche zu einem großen Ganzen gelingt der Inszenierung mittels szenischer Leitmotive: Der Schrank, optisch gleich, wechselt seine Funktion vom bloßen Wäscheschrank im ersten Teil zur Voliere in Das Gehege. Ein Kissen ist zunächst winzig klein gegenwärtig und wächst von Monolog zu Monolog, bis es die ganze Bühne einnimmt. Das Geschehen auf der Bühne wird wie ein Daumenkino gestaltet, das der Betrachter langsam Bild für Bild durchblättert. Dadurch entstehen immer wieder neue Standbilder, und es bleibt Zeit für die Aufnahme jedes Details. Die Frauen tragen in allen drei Monodramen dasselbe Kostüm, lediglich in anderer Farbe. So können die drei Psychogramme als unterschiedliche Sichtweisen auf ein und dieselbe Person verstanden werden. Ariadne wird zudem ein greises Alter Ego an die Seite gestellt – Sinnbild für das endlose Warten auf die Heimkehr des geliebten Dionysos.
Die Darsteller und das Orchester sind die ganze Aufführung hindurch hinter einem halbdurchsichtigen Vorhang versteckt, der Distanz zu den Akteuren schafft. Aufgehoben wird diese allerdings durch präzise eingesetztes Licht, durch das ein intimer Einblick in das Seelenleben der Frauen geboten wird. Der Schleier wird in den Zwischenspielen zur Projektionsfläche für Videoinstallationen, die thematisch-visuell zur nächsten Szene überleiten.
Sänger und Orchester
Die drei Solistinnen interpretierten ihre Partien feinsinnig und demonstrierten neben großer Textsicherheit und Textverständlichkeit auch ein enormes schauspielerisches Talent.
Yeree Suh (Ariadne) überzeugte mit einer großen dynamischen Bandbreite ihres Soprans, ihr Gesang war auch im piano deutlich artikuliert. Nur wollte man ihr die Emphase ihrer Rolle nicht immer glauben, wirkte sie zuweilen doch mehr wie ein kleines Mädchen als eine rasende Frau.
Rayanne Dupuis (Anita) meisterte ihren schwierigen Part der Anita mit ihrem glasklaren, fast kristallinen Sopran vortrefflich, ebenso wie Renate Behle (Penthesilea), die ihre Rolle als moderne Amazone mit großer Eindringlichkeit darbot und mit einer kräftig-durchdringenden Stimme glänzte.
Das Orchester unter der Leitung André de Ridders präsentierte eine große Palette differenziertester Klangfarben. Einer eher traditionellen Instrumentenbehandlung steht die enorme Anforderung der Partitur an das Orchester gegenüber, das deren Anforderungen aber sehr gut umzusetzen wußte. Im ersten Teil, nur in der Besetzung eines Kammerorchesters spielend, sind es vor allem Oboe und Hörner, die in Dialog mit der Stimme treten oder sie unisono unterstützen. Die beiden anderen Monodramen sind für großes Orchester geschrieben und kontrastieren mit dem ersten: War der erste Teil melancholisch, so steigert sich der musikalische Ausdruck nun von aggressiven bis hin zu hochdramatischen Stimmungen. Die Musik spiegelt immer die Emotionen der Solistinnen wider. Durchsichtig schimmernde Klänge, aber auch kraftvolle Blechakkorde kennzeichnen Rihms Musik, die von extremen Dynamikschwankungen lebt. Die Komposition ist nicht einfach zu hören und stellt durch ihre tiefe Emotionalität einen großen Anspruch an den Zuhörer.
Fazit
An diesem Abend präsentierte man nicht nur eine gelungenen Uraufführung, sondern auch eine sehenswerte Oper, die dementsprechend vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wurde.
Das Basler Theater beweist damit, daß es auch mit zeitgenössischer Musik keine Schwierigkeiten hat. Das Publikum spendete allen Akteuren großen Beifall – und auch dem Komponisten Wolfgang Rihm, der dieser Uraufführung beiwohnte.
Isabell SeiderBild: Peter Schnetz
Das Bild zeigt Yeree Suh (Ariadne)