Karlsruhe, Badisches Staatstheater – FIDELIO (3. FASSUNG, 1814)

Oper in zwei Aufzügen von Ludwig van Beethoven (1770-1827); Libretto: Josef Sonnleithner und Georg Friedrich Treitschke nach Jean-Nicolas Bouilly; mit einem Prolog aus „Roccos Erzählung“ von Walter Jens
UA: 1814 Wien
Regie: Robert Tannenbaum; Kostüme und Licht: Peter Werner
Dirigent: Justin Brown, Badische Staatskapelle, Badischer Staatsopernchor, Extrachor und Statisterie des Badischen Staatstheaters
Solisten: Edward Gauntt (Don Fernando), Walter Donati (Don Pizarro), Lance Ryan (Florestan), Christina Niessen (Leonore), Ulrich Schneider (Rocco), Ina Schlingensiepen (Marzelline), Matthias Wohlbrecht (Jaquino), Gideon Poppe (Erster Gefangener), Tibor Brouwer (Zweiter Gefangener)
Besuchte Aufführung: 3. Oktober (Premiere)

Kurzinhalt
karlsruhe-fidelio.jpgJaquino will Marzelline, Tochter des Gefängnisaufsehers Rocco, zur Frau nehmen. Diese lehnt ab, da sie Fidelio, der in die Dienste ihres Vaters getreten ist, bevorzugt. Rocco muß auf Befehl von Gouverneur Pizarro die Nahrung des Gefangenen Florestan reduzieren. Pizarro will Florestan ermorden. Als er sich anschickt, ihn umzubringen, wirft sich Fidelio dazwischen und gibt sich als Florestans Gattin Leonore zu erkennen.
Aufführung
Die Oper begann nicht, wie zu erwarten, mit der Ouvertüre. Dieser vorangestellt war ein Monolog Roccos, in welchem er in Anlehnung an Roccos Erzählung von Walter Jens über Schuld und Blindheit der Protagonisten redet. Durch diesen Prolog erscheint die Oper als ein Rückblick, der aus Roccos Perspektive erzählt wird. Die Darsteller sind alle in orange gekleidet, Florestan sitzt bis zum Finale in der Mitte der Bühne in einem Rollstuhl. Außer Fernando sind die Protagonisten während des ganzen Abends auf der Bühne präsent, gefangen in einem hohen dunklen Raum, dessen Mauern erst durch das hereinströmende Volk im Finale des zweiten Aktes geöffnet werden. Die Handlung verfolgt der ständig in diese Grube schauende Opernchor von oben herab, die Hauptpersonen erscheinen als eigentliche Gefangene.
Sänger und Orchester
Justin Brown bevorzugte rasche Tempi. Die Ouvertüre zeichnete sich durch schneidende Bläserfanfaren und harten Paukenklang aus. Ina Schlingensiepens (Marzelline) funkelndes Timbre kam vor allem in ihrer Arie Ach wär ich schon mit dir vereint zur Geltung. Matthias Wohlbrecht (Jaquino) meisterte seine Partie anstandslos, auch wenn die Artikulation teils undeutlich war und die Endsilben verschluckt wurden. Ulrich Schneider (Rocco) überzeugte vor allem durch einen kräftigen Baß, der allerdings im Duett Jetzt Alter, jetzt hat es Eile seinen Partner Walter Donati (Don Pizarro) eher blaß erscheinen ließ. Dieser sang ansonsten seine Partie routiniert, beispielsweise die Rachearie Ha, welch ein Augenblick. Nicht nur handlungsspezifisch sondern auch künstlerisch war Christina Niessen (Leonore) die Heldin des Abends. Mit Brillanz und technischer Perfektion schien ihr nicht nur die Arie Komm Hoffnung, lass den letzten Stern mit großer Leichtigkeit zu gelingen, auch ihr Ausruf Töt erst sein Weib verdient Erwähnung! Leider war der Auftritt Edward Gauntts (Ferndando) Des besten Königs Wink und Wille im Tempo etwas gehetzt und klang so leider wenig majestätisch. Lance Ryan (Florestan) schien mit seiner geradlinigen, schlanken Stimme in dieser Rolle kräftemäßig an seine Grenzen zu stoßen, was ihn aber andererseits als ausgehungerten Florestan sehr glaubwürdig erscheinen ließ. Schauspielerisch beschränkten sich die Akteure an mancher Stelle auf pantomimisches Spiel, wie Fidelio, der sich mit der unsichtbaren Last der Ketten quält.
Fazit
Die Glanzleistungen von Ina Schlingensiepen und Christina Niessen gleichen das fade Bühnenbild und die wenige Bühnenaktion wieder aus. Irritierend ist an mancher Stelle die ständige Präsenz aller Akteure, und die Bedeutung des im Finale durch die geöffneten Mauern hereinströmenden Volkes bleibt unklar. Vielleicht würde sich mancher Regisseur Buh-Rufe ersparen, wenn im Programm ein paar eigene Worte zu Idee und Konzept zu lesen wären.
Daniel Rilling

Bild: Jacqueline Krause-Burberg
Das Bild zeigt: von links: Lance Ryan (Florestan), Ulrich Schneider (Rocco), Fidelio (Christina Niessen), Matthias Wohlbrecht (Jaquino), Ina Schlingensiepen (Marzelline)

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