Die Entführung aus dem Serail – Hamburg, Staatsoper

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)

Libretto: Johann Gottlieb Stephanie, UA: 16. Juli 1782  Wien, Burgtheater

Regie: David Bösch  Ausstattung: Patrick Bannwart, Falko Herold  Licht: Bernd Gallasch

Dirigent: Adam Fischer, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Chor der Hamburgischen Staatsoper (Leitung: Eberhard Friedrich)

Solisten: Burghart Klaußner (Bassa Selim), Tuuli Takala (Konstanze), Narea Son (Blonde), Martin Mitterrutzner (Belmonte), Michael Laurenz (Pedrillo), Ante Jerkunica (Osmin)

Besuchte Aufführung: 24. Oktober 2021

Kurzinhalt

Mitte des 16. Jahrhunderts will der junge Adlige Belmonte seine Geliebte Konstanze aus dem türkischen Serail des Bassa Selim befreien, der von dessen Aufseher Osmin bewacht wird. Dem Bassa wurden Konstanze und deren Zofe Blonde sowie der Diener Pedrillo von Piraten verkauft, nachdem diese Schiffbrüche erlitten. Der Bassa wirbt um Konstanze, die den Bassa respektiert, ihm jedoch keine Liebe entgegenbringt, während Osmine um Blone wirbt. Mit Hilfe Pedrillos schleicht Belmonte sich getarnt in den Serail. Letzen Endes scheitert der Befreiungsversuch und der Bassa erkennt in Belmonte den Sohn seines Erzfeindes. Anstatt jedoch alle hinrichten zu lassen, lässt er sie in einer großmütigen Geste frei und wird daraufhin von den Janitscharen und vom Volk gefeiert.

Aufführung

Im Vorspiel wird per Video-Animationen die Vorgeschichte zur Handlung erzählt. So liegt der Serail des Bassa Selim hier auf einer nächtlichen Insel, die Belmonte per Schlauchboot erreicht. Ob die fast komplett schwarze leere Bühne daher rührt, daß der Serail als Nachtclub/Puff gedeutet wird oder die Trauer den durch seine Verluste gebeutelten Bassa symbolisiert, ist schwer zu sagen. Das einzig ‚Türkische‘, das in der Aufführung bleibt, ist der Umstand, daß sich der Bassa in Momenten der weisen Eingebung dreht wie ein Derwisch. Auch der Text wurde an manchen Stellen ergänzt beziehungsweise gekürzt, wobei die Änderungen sich aber in Grenzen halten. So singt der Gärtner Pedrillo von der ‚Nordseeküste‘ während Osmin diesen für ein ‚Weichei‘ hält. Der Bassa wiederum darf zwischen den Akten auch mal andere Texte zitieren. Osmin trägt die meiste Zeit eine Axt und wirkt wie eine Art Türsteher. In der ‚Martern‘-Arie Konstanzes schwankt der Bassa schön zwischen Hingabe und Zorn, wenn er in der einen Sekunde Champagner kredenzt und in der nächsten mit dem Gürtel zuschlagen will. Überhaupt nimmt sich diese Hamburger Entführung einige Freiheiten, ohne sich jedoch allzu weit vom Text oder der Musik zu entfernen. So will Bassa Selim am Schluß kurz Osmin erschießen, weil dieser die beiden Liebespaare nicht ziehen lassen will, doch dann überzeugen ihn diese, dass nichts so häßlich ist wie die Rache. Die Grundbotschaft des Singspiels, dass Vergebung und Liebe höchste Güter sind, bleibt also erhalten.

Sänger und Orchester

Musikalisch können bei dieser Entführung alle Beteiligten zufriedenstellen, teilweise auch beeindrucken. Nicht nur körperlich hervor ragt Ante Jerkunica als Osmin hervor, dessen tiefklarer Baß in Sachen Präsenz und Plastizität an diesem Abend wohl unübertroffen bleibt. Zudem formuliert er so deutlich, dass man jede gesungene Silbe versteht, und auch darstellerisch ist er herrlich böse. Der unter anderem als Filmschauspieler renommierte Burghart Klaußner ist als Bassa Selim wunderbar besetzt. Mit suchendem Zögern in Stimme und Körpersprache gibt er den innerlich zerrissenen Herrscher mit subtilem Charisma, der sich zur richtigen Entscheidung erst durchringen muß. Tuuli Takala überzeugt als Konstanze mit ihrem flexibel biegsamen Koloratursopran, der vor allem in der Höhe viel Farbe verstrahlt, jedoch fehlt es bei der Gestaltung manchmal an der letzten Präzision. Anders ist da Martin Mitterrutzner als Belmonte, dessen leichtem Tenor es nie an Klarheit und Biegsamkeit mangelt und der auch die Höhe problemlos meistert, dafür aber nicht immer die letzte Durchschlagskraft aufweist. Letzteres gilt auch für Michael Laurenz als Pedrillo, der viel komödiantisches Talent mitbringt, jedoch stimmlich weniger präsent wirkt als Narea Son als aggressiv auftretende Blonde, deren Volumen schier unerschöpflich wirkt und die überaus agil sowie mit viel Wärme gestaltet. Unter dem Mozart-Exegeten Adam Fischer klingt das erhöht plazierte Philharmonische Staatsorchester Hamburg beschwingt leicht, aber wenn nötig auch zupackend. Nicht nur die Janitscharenmusik fährt so ins Blut. Die Streicher spielen mit leichtem Bogen, so daß eine schöne Mischung aus historisch informiertem Spiel auf modernem Instrumentarium entsteht. Leider sind jedoch vor allem in den hohen Streichern auch immer wieder Wackler dabei, die den Gesamteindruck nicht zu sehr trüben. Zudem stimmt die Abstimmung mit den Sängern nicht immer hundertprozentig.

Fazit

Eine Hamburger Entführung, die musikalische zufriedenstellt, szenisch jedoch nicht allzu viel Bleibendes hinterlassen dürfte. Wer diesen unsterblichen Mozart-Streich auf der Bühne erleben will, wird gleichwohl glücklich damit werden.

Dr. Aron Sayed

Bild: Jörg Landsberg

Das Bild zeigt: Burghart Klaußner (Bassa Selim), Tuuli Takala (Konstanze), Ante Jerkunica (Osmin), Chor der Hamburgischen Staatsoper

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