Musik und Text von Richard Wagner (1813-1883), Opera in drei Aufzügen, UA: 21. Juni 1868, Hofoper, München
Regie: Hans-Peter Lehmann, Bühne: Hannes Neumaier
Dirigent: Samuel Bächli, Philharmonisches Orchester Erfurt, Opernchor des Theaters Erfurt
Solisten: Johannes von Duisburg (Hans Sachs), Ernst Garstenauer (Veit Pogner), James Daniel Frost (Kunz Vogelgesang), Uwe Tobias Hieronimi (Sixtus Beckmesser), Wolfgang Schwaninger (Walther von Stolzing), Rainer Weiss (Fritz Kothner), Hans Sojer (Balthasar Zorn), Tilman Birschel (Hermann Ortel), Jan Kristof Schliep (David, Sachsens Lehrbube), Isabell Bringmann (Eva), Verena Usemann (Magdalene), Michael Farbacher (Ein Nachtwächter), u.a.
Besuchte Aufführung: 2.Oktober 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Der Ritter Walther von Stolzing erblickt Pogners bezaubernde Tochter Eva. Diese soll demjenigen zur Frau gegeben werden, der im Meistersingerwettstreit siegt. Die Meistersingerrunde lehnt den Ritter zunächst wegen seines unkonventionellen, nicht regelkonformen Probeliedes ab. Allein der Schuster Hans Sachs tritt für ihn ein und erkennt sein Talent. Auch der Stadtschreiber Beckmesser interessiert sich für Pogners Tochter, doch am Ende ist es Walther von Stolzing der den Wettstreit und damit Eva gewinnt.
Aufführung
Das Theater Hildesheim wurde am 2.Oktober 1908 als Bürgertheater mit zwei Rängen und ca. 650 Plätzen eröffnet. Grund genug, diese 100 Jahre mit einer Produktion zu feiern, die die Leistungsfähigkeit des Theaters für Niedersachen aufzeigt. Für die Meistersinger von Nürnberg mußten alle Kräfte zusammengezogen werden. Hans-Peter Lehmann, ab 1960 Assistent Wieland Wagners in Bayreuth (er betreute nach seinem Tod dessen Inszenierungen) konnte für die Inszenierung gewonnen werden. Er führt uns zurück in ein Pseudo-Mittelalter mit Fachwerkhäusern und mittelalterlichen Gewandungen. Mit ausgefeilter Personenführung (übrigens für jede Rolle!) stellt er Hans Sachs als netten Schelm und Dichteroriginal dar. Beckmesser liefert das fesselnde Bild eines arroganten und schmierigen Paragraphenreiters. Immer wieder gab es bei Auftritten der beiden Gelächter und Szenenapplaus. Der dritte Akt erinnert an die Inszenierung Wolfgang Wagners aus den 1980er Jahren mit der Schusterstube. Nur auf der schönen grünen Festwiese ist die Limmersdorfer Tanzlinde durch die Hildesheimer St. Michaelis Kirche ersetzt. Aber solche Änderungen sind erlaubt, schließlich wurde Hildesheim einst auch das Nürnberg des Nordens genannt.
Sänger und Orchester
Das Landestheater Hildesheim muß für eine große Oper wie die Meistersinger Abstriche machen. Das Orchester hat 30 Stellen. Mit 35 Aushilfen wurde es zu einer Meistersinger-Besetzung aufgefüllt. Dennoch fehlt – vor allem bei den Streichern und den Holzbläsern – die Klangfülle. Für den Chor wurden sämtliche Chorsänger aus Hildesheim zusammengezogen. Da grenzt es an ein Wunder, daß fast alle Rollen mit hauseigenen Kräften besetzt werden konnten – nur Sachs, Stolzing und Kothner waren Gäste. Johannes von Duisburg gab sein Rollendebüt als Sachs mit einer hervorragenden Wortverständlichkeit. Ein Sachs, der immer voll aussingt und über alle Akte verteilt dieses Niveau hält, erfüllt alle Anforderungen an diese Rolle. Wolfgang Schwaninger (Stolzing) ist ein Heldentenor alter Schule am Scheitelpunkt seiner Kariere. Gegen Ende verließ ihn die Kraft, er konnte die Höhe nicht mehr erreichen und lange Töne nicht mehr halten. Uwe Tobias Hieronimi ist eine große schauspielerische Begabung. Daß er als Spielbariton immer mehr zum Sprechgesang neigte, entspricht dem historischen Rollenverständnis des Beckmessers. Eine Perle im Ensemble ist die 28jährige Verena Usemann mit ihrer ersten Wagnerrolle als Magdalene. Durch ihren wohltönenden klaren Mezzo mit strahlender Höhe lief sie der Eva den Rang ab. Isabell Bringmann (Eva) besitzt einen schmalen Sopran, der in der Höhe schrill klingt. Auch die kleinen Rollen konnten gut besetzt werden. Stellvertretend seien Michael Farbacher als Nachtwächter und Ernst Garstenauer als Veit Pogner genannt.
Fazit
Langer Applaus für das Ensemble war der Lohn der Mühen. Der Applaus kam hauptsächlich von auswärtigen Gäste; denn fast ganz Hildesheim stand ja auf der Bühne! Für Freunde des „konservativen“ Wagnertheaters ist der Besuch empfehlenswert – trotz Abstrichen in der musikalischen Umsetzung. Die Inszenierung setzt die Oper wagnergerecht um. Von altbacken und bieder sprechen wahrscheinlich jene, die an Katharina Wagners Meistersinger-Deutung in Bayreuth Gefallen finden.
Oliver Hohlbach
Hinweis:
Es folgen noch acht Vorstellungen bis Mai 2010. Hervorzuheben ist die Vorstellung am 26.Dezember 2009, gedacht als eine Hommage an Hans-Peter Lehmann, der an diesem Tag seinen 75. Geburtstag feiert.
Oliver Hohlbach
Bild: Andreas Hartmann
Das Bild zeigt: Die Festwiese im Nürnberg des Nordens: Mit der Hildesheimer St. Michaelis-Kirche statt der Nürnberger Burg