von Hector Berlioz (1803-1869) Opéra-comique in zwei Akten, Libretto: Hector Berlioz nach William Shakespeare, UA: 9. August 1862, Theater Baden-Baden
Regie: Jean Renshaw, Bühnenbild & Kostüme: Christof Cremer
Dirigent: François-Xavier Roth und das Gürzenich-Orchester Köln
Solisten: Luke Stoker (Don Pedro), Sébastien Dutrieux (Leonato), Jenny Daviet (Héro), Isabelle Druet (Béatrice), Thomas Dolié/Charlotte Wulff (Claudio), Paul Appleby (Bénédict), Ivan Thirion (Somarone), Lotte Verstaen (Ursule)
Besuchte Aufführung: 30. April 2022 (Premiere)
Don Pedro kehrt mit Claudio und Bénédict erfolgreich aus dem Krieg nach Messina zurück. Héro, die Tochter des Gouverneurs Leonato, ist mit Claudio verlobt und erwartet sehnsüchtig die Hochzeit. Béatrice und Bénédict dagegen befinden sich in einem ständigen Krieg der Geschlechter, in dem sie sich gegenseitig verspotten. Pedro, Leonato und Claudio spinnen eine Intrige, um die beiden zu verkuppeln. Vor Bénédict beteuern sie, dass Béatrice heimlich in ihn verliebt sei; das gleiche Spiel treiben Héro und Ursule bei Béatrice. Dies bringt beide zum Nachdenken: Am Tag der Hochzeit fühlen sie sich plötzlich doch zueinander hingezogen und unterzeichnen einen Ehevertrag.
Aufführung
Die Bühne im Staatensaal 2 zeigt die Fassade einer sizilianisch anmutenden Stadt mit einem weißen Balkon und Balustrade im Hintergrund, sowie einer Madonnenfigur links davon. Der Boden zeigt eine schräg nach vorne geneigte Häuserfront mit Fensterläden, während der hintere rechte Teil der Bühne für den Orchestergraben reserviert ist. Die Petticoat-Kleider der Frauen sind an die 50er Jahre angelehnt, die Herren tragen dazu passende Anzüge oder Militärkleidung. Insgesamt spiegelt die Inszenierung das bunte Treiben einer italienischen Dorfgesellschaft wieder und macht dabei durch viele kleine Details am Rande Nebenschauplätze auf, die die Rolle von Mann und Frau verdeutlichen. Beispielsweise laufen die Frauen mit Kinderwagen über die Bühne oder hängen Wäsche auf während einige Männer betrunken aus der Kneipe torkeln oder anderen Frauen nachstellen. Trotz der gesellschaftlichen Unterschiede der Geschlechter verkörpert das Schauspiel der Sänger und Sängerinnen aber Lebenslust, Freude und Leichtigkeit.
Sänger und Orchester
Der Abend beginnt mit der Ankündigung, dass Miljenko Turk seine Rolle als Claudio krankheitsbedingt nicht spielen kann. Für ihn springt spontan die Regieassistentin Charlotte Wulff ein, die seine Rolle auf der Bühne spielt, während Thomas Dolié von der Seite den Gesangspart übernimmt. Schon während der Ouvertüre zeigt sich das Orchester unter der Leitung von François-Xavier Roth von seiner besten Seite. Roth arbeitet durch ein sehr konzentriertes Dirigat alle Feinheiten der Partitur heraus und sorgt so für einen sehr abwechslungsreichen Klang – auch im Zusammenspiel mit den Sängerinnen und Sängern. Aufgrund der Raumsituation bekommen die Solisten zwar manchmal eine Nuance zu spät ihren Einsatz mit, jedoch ist dies nicht auffällig und spielt sich im Laufe des Abends immer besser ein. Besonderes Highlight ist der Chor, der in mehreren Partien sein Können zeigt. Im ersten Akt besingt er in Le More et en fuite – Der Feind ist bezwungen den Sieg der Sizilianer mit einem raumfüllenden forte in allen Stimmen und betont dabei besonders den majestätischen Charakter der Musik. Doch auch die leisen Töne im zweiten Akt während des Brautliedes werden perfekt intoniert: engelsgleich-sanft singen die Frauen- und Männerstimmen zusammen und sind dabei wunderbar harmonisch. Unter den Frauenstimmen kann Jenny Daviet (Héro) dank ihres glockenklaren Soprans, der ein seidiges Timbre hat und in der Höhe angenehm vibriert, am meisten überzeugen. Während ihrer Eingangsarie Je vais le voir – Ich werde ihn sehen sitzt sie am Boden und klammert sich sehnsüchtig an einen Brief von Claudio, während sie ihre Liebe zu ihm in einem wunderbar sanften legato betont. Besonders hervorzuheben ist auch das Duett mit Lotte Verstaen (Ursule), die mit ihrem dunklen und üppigen Mezzosopran einen wunderbaren Kontrast zur hellen Stimme von Daviet bildet; zusammen singen beide unfassbar synchron und harmonisch, dabei betonen sie die einzelnen Silben so bedächtig, daß eine hypnotisierende Atmosphäre entsteht, in der man jeden einzelnen Ton in sich aufsaugen möchte. Isabelle Druet (Béatrice), die mit einem warmen Mezzosopran singt und dabei ein metallisches Timbre in der Stimme aufweist, singt ebenfalls sehr gut und kokettiert mit ihrer Stimme durch einen akzentuierten Gesang. Besonders gut ergänzt sie sich mit ihrem männlichen Partner Paul Appleby (Bénédict) in den Duetten. Dabei spielt sie ihre Abneigung gegen Bénédict durch ausladende Gesten, verspottet und verhöhnt ihn und lässt ihre Stimme lautmalerisch in der Bruststimme grollen. Appleby überzeugt mit einem metallischen Tenor, der ein sehr helles Timbre hat und singt in der Höhe Belcanto-artig. Sein Schauspiel ist sehr bissig: bei dem Gedanken sich zu vermählen ahmt er beispielsweise eine Erhängung nach. Für seine Arie Ah! Je vais l’aimer, in der er seine Stimme in der Höhe wunderbar anschwellen lässt, erntet er vom Publikum schallenden Applaus. Ebenfalls erwähnenswert ist Thomas Dolié (Claudio), der mit seinem dunklen Bariton voluminös und vollmundig scheppert und sich als gute Alternative zu dem ausgefallenen Miljenko Turk erweist. Das Aufsplitten der Rolle in Gesang und Schauspiel zerstört natürlich ein wenig die Illusion auf der Bühne, insgesamt zeigt es sich aber als gute provisorische Lösung.
Fazit
Besonderes Highlight ist der Chor, der in seiner ganzen Pracht die wunderschöne Musik von Berlioz verkörpert und dafür vom Publikum mit besonders langem Applaus belohnt wird. Ebenso ein Genuss sind die Solisten, allen voran Jenny Daviet, Paul Appleby und Isabelle Druet. Eine wunderschöne Inszenierung, die alles bietet, was man sich von einer Opéra-comique wünscht: Unterhaltung, hervorragende Musik, wunderschöne Kostüme und ein stimmiges Bühnenbild. Einfach nur schön!
Melanie Joannidis
Bild: Hans-Jörg Michel
Das Bild zeigt: Lotte Verstaen (Ursule), Jenny Daviet (Héro)