Der Schatzgräber – Berlin, Deutsche Oper

Der Schatzgräber

von Franz Schreker (1878-1934), Oper in einem Vorspiel, vier Aufzügen und einem Nachspiel, Text vom Komponisten, UA: 1920 Frankfurt a.M.

Regie: Christof Loy, Bühnenbild: Johannes Leiacker, Kostüme: Barbara Drosihn, Licht: Olaf Winter, Dramaturgie: Dorothea Hartmann

Dirigent: Marc Albrecht, Orchester der Deutschen Oper Berlin

Chor und Extrachor der Deutschen Oper Berlin, Einstudierung: Jeremy Bines

Solisten: Tuomas Pursio (der König), Michael Laurenz (der Narr), Daniel Johansson (Elis), Elisabet Strid (Els), Thomas Johannes Mayer (der Vogt), u.v.a.

Besuchte Aufführung: 1. Mai 2022 (Premiere)

Kurzinhalt

Die Königin ist krank, seitdem ihr Schmuck gestohlen wurde. Der Narr berichtet dem König von Elis, dem wandernden Sänger, der mit seiner Laute verborgene Schätze aufspüren könne. Der König läßt nach Elis fahnden und verspricht dem Narren als Belohnung, sich eine Frau nehmen zu dürfen. Els, die Tochter eines Wirtes, ist dem gestohlenen Schmuck verfallen – und die Männer ihr. Sie bringt das Diebesgut nach und nach an sich, indem sie ihre Verlobten ermorden läßt, die die Juwelen bei einem Hehler erwerben. Als Elis erscheint, verliebt sie sich in ihn. Allerdings wird er des Mordes an Els‘ letztem Verlobten verdächtigt und der Vogt ordnet seine Hinrichtung an. Der Narr trifft ein, rettet Elis und verliebt sich ebenfalls in Els. Sie läßt die geheimnisvolle Laute des Sängers stehlen, damit er nicht den Schmuck bei ihr entdecke, gibt sich ihm in einer Liebesnacht hin und schenkt ihm den Schmuck, nachdem er ihr versprochen hat, nicht nach dessen Herkunft zu fragen. Die Königin wird von den Juwelen geheilt, aber Els verliert ihre Lebensfreude. Außerdem gelingt es dem Vogt, ihren Auftragsmörder zu fassen, und die gesamte Geschichte kommt ans Licht. Der König befiehlt, Els zu verbrennen, doch der Narr rettet sie, indem er sie zur Frau nimmt, während Elis sich mit Grauen von ihr abwendet. Nach einem Jahr, während dessen Els dahingesiecht hat, besucht er sie ein letztes Mal und singt die Sterbende in den ewigen Schlaf.

Aufführung

Das Bühnenbild bleibt im wesentlichen während aller Aufzüge identisch: ein großer, steingetäfelter Saal mit Fenstern zur Rechten und Eingängen an der Rückseite. Lediglich durch ein paar Möbel werden die Schauplatzwechsel angedeutet. Kostüme und Saal sind elegant; sie erinnern entfernt an die Mode der Uraufführungszeit. Es gibt – über die stumme Rolle der Königin hinaus – viele stumme Komparsen und Tänzer, die den Gesangstext verdeutlichen und die Szene beleben so wie der Chor es tut. Doch da sowohl die Personen auf der Bühne als auch die Requisiten in allen Aufzügen und Vor- und Nachspiel gleich aussehen, trägt das Bühnenbild nicht zur Verdeutlichung der Handlung bei – dies ist Aufgabe der Interaktionen zwischen den Akteuren – und wird, da es im Gegensatz zum farbig-schillernden Orchestersatz Schrekers auf Farben weitgehend verzichtet und so das Schwarz-Grau der Halle und Anzüge dominiert, im Laufe des Abends ein wenig eintönig. Zugleich ist die Personenführung sehr sängerfreundlich, da sie keine Aktionen ausführen müssen, die ihnen ihre ohnehin schon schweren Parts noch zusätzlich erschweren würden. Die Hauptfiguren – Elis, Els und der Narr – singen zumeist ins Publikum hinein.

Sänger und Orchester

Diese Oper hat viele kleinere Rollen, von denen Tuomas Pursio (der König) und Thomas Johannes Mayer (der Vogt) zu den umfangreicheren gehören. Darstellerisch waren beide ausgezeichnet, aber Pursio kann noch ein wenig mehr an seiner Aussprache arbeiten. Generell befanden sich alle Sänger – zwei Hauptrollen wurden von Schweden gesungen, ohne daß man bei ihnen einen markanten Akzent gehört hätte – in dieser Hinsicht auf einem hohen Niveau. Schrekers Sprechgesang erlaubt es, wenn er derart akribisch geprobt worden ist, den Gesangstext ohne Probleme zu verstehen, auch in den stärker begleiteten Passagen. Michael Laurenz (der Narr) ragte in dieser Hinsicht heraus, hat allerdings auch eine Spieltenorrolle, was die Aussprache begünstigt. Daniel Johansson (Elis) und Elisabet Strid (Els) haben die gesangstechnisch schwierigsten und umfangreichsten Rollen zu singen. Die einzige weibliche Partie dieser Oper wurde von Strid musikalisch sicher und mit Hingabe gestaltet. Sie hat neben den rezitativischen Passagen auch laute, kräftige Töne zu setzen; beides kann bei Schreker mitunter sehr abrupt miteinander abwechseln. Die ständig modulierende Harmonik macht die Einsätze zu einer echten Herausforderung. Der einzige kleine Makel an ihrer Leistung war, daß sie sehr häufig in Richtung des Dirigenten sang, was ihr Spiel ein wenig steif werden ließ. Johansson hatte mit seiner schweren Partie keine Probleme. Möglicherweise durch die Fremdsprache bedingt verlor sein Tenor, der ansonsten ausgeglichen und kraftvoll ist, in der Höhe gelegentlich ein wenig an Glanz. Laurenz, Johansson und Strid wurden für ihre Leistungen vom Publikum zu Recht gefeiert ebenso wie das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Marc Albrecht. Schrekers Kennzeichen ist seine virtuose, ständig variierende Klangkunst, sein oft unruhiges Überblenden von dem einem faszinierenden Orchesterklang in den nächsten. Seine Partitur kann man ohne Übertreibung als eine Perlenkette von musikalischen Ideen, ein musikalisches Pendant zu den funkelnden Edelsteinen und Preziosen des märchenhaften Schatzes dieser Oper. Die klanglichen Übergänge gelangen tadellos und ließen die zahllosen Schönheiten der Partitur zur Geltung kommen. Die rhythmische Koordination von Orchester und Sängern war sauber und von der Lautstärke her kamen Solisten und Choristen bei den kraftvolleren Stellen stets gut durch und der Orchesterklang blieb rund.

Fazit

Der Schatzgräber gehörte nach der Uraufführung zu den meistgespielten neugeschriebenen Werken der 1920er. Trotz der Schreker-Renaissance der vergangenen Jahrzehnte ist diese Oper heute nach wie vor eine echte Rarität geblieben, und dementsprechend schwierig ist es, Sänger zu finden, die diese anspruchsvolle Musik bewältigen können und bereit sind, sich in musikalisches Neuland vorzuwagen. Diese Produktion ist sehr gut besetzt, die Regie nimmt das Stück ernst und wahrt den engen Zusammenhang zwischen Musik und Aktion. Alles, was man an diesem Abend zu hören bekommt, ist grundsolide, es gibt keine störenden szenischen Momente und die Idee, das Stück als psychologisches Drama anstatt als düsteres Märchen zu erzählen, geht auf. Was man ein wenig vermißt, sind ein paar überraschende visuelle Einfälle, die mit der vor Klängen und musikalischen Ideen überbordenden Musik zusammenspielen würden. Wenn man dies also überhaupt als einen Kritikpunkt auffassen will, so wäre er, daß die Produktion vielleicht etwas zu konzentriert und seriös geraten ist, statt an der einen oder anderen Stelle ruhig einmal auf Effekthascherei und Spektakel zu setzen, also ein wenig mehr zu riskieren. Wie dem auch sei, die Inszenierung ist dennoch kurzweilig und musikalisch packend.

Dr. Martin Knust

Bild: Monika Rittershaus

Das Bild zeigt: Tuomas Pursio (der König), Michael Laurenz (der Narr)

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