Meiningen, Südthüringisches Staatstheater – GUGLIELMO TELL

von Gioacchino Rossini, Oper in 4 Akten, Libretto von Joseph Ètienne de Jouy und Hippolyte-Louis-Florent Bis
UA: 3. August 1829, Paris
Regie: Philipp Kochheim; Bühnenbild: Thomas Gruber; Kostüme: Annette Mey
Dirigent: Hans Urbanek, Meininger Hofkapelle, Chor, Einstudierung: Sierd Quarré
Solisten: Erdem Baydar (Geßler), Stan Meus (Rodolfo), Da-Hee Shin (Guglielmo Tell), Xu Chang (Arnoldo), Sybille Sachs (Jemmy), Alla Perchikova (Matilde), Maida Karišik (Edwige), Calin-Valentin Cozma (Melchthal), Dominik Nekel (Gualtiero Fürst)
Besuchte Aufführung: 2. Oktober 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
meiningen-tell.jpgUnter der habsburgischen Fremdherrschaft leidend, haben die Schweizer eine Unabhängigkeitsbewegung gegründet und bekämpfen die Soldaten des Kaiserlichen Landvogts Geßler. Wilhelm Tell und seine Mitstreiter verstecken sich in den Wäldern. Tell wird gefangen und muß zur Strafe einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Jemmy schießen. Obwohl ihm dieses gelingt, läßt Geßler ihn verhaften. Der Vogt erscheint, gefolgt von den Soldaten Geßlers. Tell erschießt den Vogt. Die Soldaten, nun ohne Pflicht gegenüber dem Tyrannen, schließen sich den Freiheitskämpfern an.
Aufführung
Die Meininger Inszenierung verlegt Rossinis Tell in das beginnende 20. Jahrhundert. Der erste Akt spielt in einem vom Brand zerstörten Museum, welches den Freiheitskämpfern als Lager dient. Überall liegen halbverbrannte Bücher und Gemälde. Die Kostüme sind in verschiedenen Graustufen und aus derben, praktischen Stoffen. Die Männer haben als Erkennungszeichen weiße Schärpen am Oberarm. Die Ausstattung erinnert an Filme über den italienischen Widerstand zu Zeiten der deutschen Besatzung. Der dritte Akt spielt nicht auf einem Dorfplatz, sondern in einem Konzertsaal. Das Publikum wird dabei in die Inszenierung integriert, denn das gesamte Geschehen findet bei geschlossenem Vorhang statt. Das Volk strömt von beiden Seiten in den Theatersaal, Geßler und sein Gefolgsmann Rodolfo sind in den Logen plaziert, Matilda und Jemmy erscheinen auf den ersten Rängen und Soldaten versperren die Ausgänge. Erst nach der Verhaftung Tells öffnen die Schweizer langsam den Bühnenvorhang und bewegen sich wieder auf der Bühne.
Sänger und Orchester
Bereits nach der Ouvertüre spendete das Publikum Dirigent Hans Urbanek und der Meininger Hofkapelle begeisterten Applaus, und es wurde auch im Verlauf des Opernabends nicht enttäuscht. Das Orchester spielte von der ersten Minute an mit spannungsvoller Intensität, transparent und technisch präzis. Vor allem das Cellosolo zu Beginn war ausnehmend schön. In der Dynamik hätte sich das Orchester jedoch öfter den sängerischen Möglichkeiten anpassen müssen. Dae-Hee Shin als Guglielmo Tell begeisterte durch seine Bühnenpräsenz und seinen voluminösen, weichen Baß. Auch Sybille Sachs ging in ihrer Rolle als Tells Sohn Jemmy auf. Ihr heller und klarer Sopran unterstützte die Wirkung ihrer Rolle, und ihr darstellerisches Talent stach aus der Gesamtleistung des Ensembles in besonderer Weise heraus. Die von Rossini außergewöhnlich hoch gesetzte Tenorpartie des Arnoldo bereitete Xu Chang nur wenige Schwierigkeiten. Darstellerisch agierte er etwas eindimensional im Vergleich zu seiner Duettpartnerin Alla Perchikova (Matilda). Deren große Szene entfachte zu Beginn des zweiten Akts Beifallsstürme. Alla Perchikova nahm die hohen Stellen ihrer Arien mit Leichtigkeit, forcierte aber bei den dramatischen Momenten stark in der Mittellage. Besondere Anerkennung verdient neben dem insgesamt ausgezeichneten Solistenensemble der Chor des Meininger Theaters unter der Leitung von Sierd Quarré. Der Chor bot spielerisch starke Momente, sei es in Gestalt der willenstarken, stimmlich kraftvoll auftretenden Alpenbevölkerung, sei es bei den zwischen Pflicht und Vaterlandstreue hin- und her gerissenen Soldaten.
Fazit
Diese in sich schlüssige, spannende und beinahe filmisch wirkende Inszenierung von Rossinis Tell hat, obwohl einige Chorszenen gestrichen wurden, die anschließenden langanhaltenden stehenden Ovationen des Premierenpublikums definitiv verdient.
Josephin Wietschel

Bild: H. H. Dohmen
Das Bild zeigt: Hochzeitsgesellschaft (Chor des Meininger Theaters) mit Dae-Hee Shin (Guglielmo Tell), Maida Karišik (Edwige), Jacques le Roux (Fischer) und Xu Chang (Adolfo, ganz links)

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