Bremen, Theater – EINE FLORENTINISCHE TRAGÖDIE – DER ZWERG

Eine florentinische Tragödie
von Alexander von Zemlinsky (1871-1942), Oper in einem Akt, Text von Oscar Wilde, deutsche Übersetzung: Max Meyerfelds
UA: 30.Januar 1917, Stuttgart
Der Zwerg
von Alexander von Zemlinsky, ein tragisches Märchen in einem Akt, Text: Georg C. Klaren frei nach Oscar Wildes Märchen Der Geburtstag der Infantin
UA: 28.Mai 1922, Köln
Regie: Andreas Bode, Dramaturgie: Hans-Georg Wegner, Ausstattung: Ai Weiwei und Monika Gora
Dirigent: Markus Poschner, Bremer Philharmoniker, Chor und Choreinstudierung: Tarmo Vaask,
Solisten: Mark Duffin (Guido Bardi),Carsten Wittmoser (Simone), Nadja Stefanoff (Bianca), Sara Hershkowitz (Donna Clara), Nadine Lehner (Chita), Loren Lang (Don Estoban), Peter Marsh (Zwerg), Steffi Lehmann (erste Zofe), Agnes Selma Weiland (zweite Zofe), Sirin Kilic (dritte Zofe), Maja Gabriel (erstes Mädchen), Julia Huntgeburth (zweites Mädchen), Lukas Helming (Don Alvarez)
Besuchte Aufführung: 4.Oktober 2009 (Doppelpremiere)

Kurzinhalt
bremen-zwerg.jpgSimone überrascht seine Frau Bianca bei einem tête-à-tête mit dem Prinzen Bardi, tut aber zunächst so, als wenn er nichts gesehen hätte. Doch bald nimmt er das Duell mit Worten, später mit Schwertern auf. Im Kampf scheint er zunächst zu verlieren, doch Bianca löscht auf sein Geheiß hin die Lichter, und er erwürgt seinen Widersacher im Dunkeln. Bianca, die eben noch ihren Liebhaber angefeuert hat, ihren verachteten Mann zu töten, ist fasziniert von seiner plötzlich auftauchenden Stärke so wie er von ihrer Schönheit.

Zum 18. Geburtstag erhält die Infantin von Spanien Donna Clara ein seltsames Geschenk: einen verwachsenen Zwerg, der seine Häßlichkeit nicht kennt, weil er noch nie in den Spiegel geschaut hat. Er verliebt sich in die Infantin, auch wenn Clara glaubt, er treibe nur Scherz mit ihr. Nachdem der Zwerg ein wehmütiges Liebeslied vortragen hat, soll er sich eine Frau zum Heiraten aussuchen und wählt Donna Clara. Die Infantin geht scheinbar auf seine Liebeserklärung ein. Durch Zufall sieht der Zwerg sich im Spiegel und erschrickt zutiefst vor seinem Anblick. Er stirbt, als die Infantin ihm gesteht, daß sie ihn häßlich findet.
Aufführung
Die florentinische Tragödie findet ausdrucks– und weitgehend bewegungslos neben einer hoch aufgetürmten Fahrradinstallation statt. Das Eifersuchtsdrama mit tödlichem Ausgang, so wie es das Libretto eigentlich vorsieht, wird hier eher zu einer konzertanten Aufführung als zu einem in Szene gesetzten Musikdrama.
In der zweiten Oper hängt ein großes instabiles Gebilde aus weißen Stäben von der Decke herab. Alle Mitwirkenden tragen weiße Kostüme, in die geometrische Körper eingebaut sind, was verunstaltet wirkt im Gegensatz zum Zwerg, der – weder klein noch häßlich – als verunsicherter Mann, barfuß und in braunen Cordhosen auftritt. Anstelle eines Spiegels spiegelt ein Tänzer den Zwerg, indem er seine Bewegungen nachmacht. Der Chor in der Rolle der höfischen Gesellschaft weicht vor dem Zwerg zurück, um sein Erschrecken vor sich selbst deutlich zu machen. Anstatt zu tanzen läßt sich die Infantin vom Chor tragen, anstatt zu sterben bleibt der Zwerg hilflos und allein auf der Bühne zurück.
Sänger und Orchester
In der florentinischen Tragödie tritt das Orchester in seiner tonmalerischen und die Handlung musikalisch nachzeichnenden Funktion zeitweilig in den Vordergrund und überlagert die Szene. Die an Richard Strauss und Wagner erinnernde, durchkomponierte Musik übertönt an manchen Stellen den sonst gut verständlich singenden Carsten Wittmoser (Simone).
Die emotionale und musikalische Entwicklung im zweiten Werk des Abends wird in Übereinstimmung mit dem Libretto von der Gestalt des Zwergs, also von Peter Marsh, und seiner herausragenden Tenorpartie getragen. Auch wenn er mit seinen dramatisierenden Gesten nicht glaubhaft wirkt und wenig nuanciert spielt, so ist er mit seinem Gesang der Star des Abends. Musikalisch ist ihm Nadine Lehner (Zofe) eher gewachsen als Sara Hershkowitz (Infantin), die schauspielerisch, aber nicht so sehr sängerisch überzeugt.
Fazit
Zemlinskys Kompositionen erscheinen als berauschende Tongemälde, die das Publikum zu begeistertem Applaus animieren. Beide Inszenierungen vernachlässigen allerdings die Textaussagen: Weder das durch Doppelbödigkeit in der Wortwahl immer gefährlicher werdende Dreiecksverhältnis noch das Zerbrechen der schönen Träume des liebenden Zwergs angesichts seiner Häßlichkeit kommen zum Ausdruck. Das, was alternativ dargestellt werden soll, bleibt in unklaren Ansätzen stecken. Das Programmheft stellt in rot leuchtenden Lettern den Namen des chinesischen Künstlers Ai Weiwei vor den des Komponisten, auch der Inhalt des Heftes dient deutlich seiner Selbstdarstellung. Ist das publikumswirksamer als die Oper selbst?
C. Jakubowski

Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt: Der Zwerg – Peter Marsh (Zwerg), Sara Hershkowitz (die Infantin), Chor

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