Miranda – Köln, Oper

von: Henry Purcell (1659-1695) Semi-Opera (eine Art Vaudeville) nach William Shakespeare, Libretto: Cordelia Lynn, UA: 2. Oktober 2022, Köln

Regie: Katie Mitchell, Bühne: Chloe Lamford, Kostüme: Sussie Juhlin-Wallén

Dirigent: George Petrou und das Gürzenich-Orchester Köln

Solisten: Adriana Bastidas-Gamboa (Miranda), Alastair Miles (Prospero), Emily Hindrichs (Anna), Ed Lyon (Ferdinand), John Heuzenroeder (Pastor), Jakob Geppert (Anthony)

Besuchte Aufführung: 2. Oktober 2022

Kurzinhalt

Die junge Frau Miranda hat sich das Leben genommen und ihre Familie betrauert bei der Beerdigung ihren Tod. Eine verschleierte Braut unterbricht die Zeremonie und will die wahre Geschichte von Miranda erzählen. Unter ihrer Leitung spielen Schauspieler das verstörende Leben der Miranda nach und zeigen, wie sie von ihrem Vater vergewaltigt und als Kind verheiratet wird. Die Braut ist in Wahrheit Miranda, die ihren Vater und ihren Mann mit ihren Traumata konfrontieren will. Ferdinand, Mirandas Mann, bittet sie um Verzeihung, doch ihr Vater Prospero weigert sich, seine Fehler zuzugeben. Miranda verläßt mit ihrem Mann und ihrem Sohn die Kirche. Währenddessen träumt Prospero von Selbstmord.

Vorbemerkung

Bei der Oper handelt es sich um ein Projekt, für das Musik von Purcell rund um die Geschichte der Miranda aus Shakespeares Sturm arrangiert wurde. Bei der Musik handelt es sich sowohl um theatrale Semi-Opera-Kompositionen als auch geistliche Stücke. Ziel des Experiments sollte es sein, das außergewöhnliche Repertoire wieder zum Leben zu erwecken und der Semi-Opera ihre ursprüngliche Bestimmung zuzuführen.

Aufführung

Die Bühne zeigt das Innere einer Kirche mit Betonwänden, Altar, Gebetstühlen und weiteren Kirchensymbolen. Die Kostüme sind zeitlos in Schwarztönen gehalten und spiegeln die trauernde Beerdigungsgesellschaft wider. Die Frauen tragen schlichte Kostüme, die Herren Anzüge. Der Fokus der Inszenierung liegt klar auf der musikalischen Darbietung und der Entwicklung einer düsteren, tragischen Atmosphäre, die besonders durch die sakrale Musik Purcells unterstrichen wird. Mirandas Geschichte wird durch ein Alter Ego repräsentiert, die sich Masken von Prospero, Miranda und Ferdinand vor das Gesicht halten. Adriana Bastidas-Gamboa trägt unter ihrem Hochzeitskleid eine schwarze Maske, die sie erst zum Schluß abzieht, um ihre wahre Identität zu enthüllen und zielt mit einem Revolver auf die Gesellschaft, um sich Gehör zu verschaffen.

Sänger und Orchester

Die Ouvertüre wird von George Petrou mit einem schweren und gleichmäßigen Dirigat eröffnet. Das Orchester, das in der typisch barocken Instrumentierung besetzt ist, erzeugt eine tief melancholische Stimmung, die an einen Trauermarsch erinnert. Adriana Bastidas-Gamboa (Miranda) singt und spielt die Titelrolle bravourös und bietet damit mehrere Höhepunkte. Ihr warmer Mezzosopran füllt die Tiefe anmutig und schwer aus. In der Höhe steigert sie sich in den Spitzentönen und erzeugt einen ausgewogenen Klang. Die den Verzweiflungsanstrich ihrer Rolle bringt sie durch Anschwellen ihrer Stimme besonders gut zum Ausdruck, die sie in den barocken Arien mit vielen Verzierungen und Koloraturen sehr versiert und technisch gekonnt einsetzt. Dabei legt sie sehr viel Wert auf eine extrovertierte Aktion und zeigt auch in aggressiven Gesten wie sie ihren Vater und ihren Mann bedroht und sie öffentlich denunziert.

Ihre Gegenspielerin Emily Hindrichs (Anna) überzeugt durch einen glockenklaren Sopran, der die Unschuld ihrer Rolle gut verkörpert und in der Höhe wunderschön brilliert. Die Trauer über die dunkle Vergangenheit ihres Mannes, spielt sie als schwangere Frau durch sehr viele zerbrechlich anmutende einfühlsame Gesten, hält ihre Hand z.B. mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Bauch, wobei sie sich von ihrem Mann abwendet.

Alastair Miles (Prospero) dagegen betont mit seinem düsteren Baß und scharf, akzentuierten Gesang seine Wut und Aggressivität. Dabei verfügt seine Stimme über ein großes Volumen, das er gekonnt einsetzt, um seine Machtposition als Vater und Familienoberhaupt zu verdeutlichen. Ed Lyon (Ferdinand) schlägt mit seinem Tenor mit hellem metallischen Timbre eher sanftere und gefühlvolle Töne an. Dabei läßt er seine Stimme besonders in der Höhe eindrucksvoll poltern und bringt die Trauer über den Verlust seiner Frau auf vielfältige Weise zum Ausdruck.

Ein besonderer Höhepunkt ist auch die Leistung von Jakob Geppert (Anthony), der in seinem jungen Alter schon ein erstaunlich technisches Können an den Tag legt. Mit seiner Knabenstimme erreicht er die hohen Töne sehr gut und klingt dabei unschuldig und sehr rein. Den Verlust seiner Mutter bringt er durch eine gebeugte Haltung und Zusammenkauern vor ihrem Sarg zum Ausdruck. Auch der Chor besticht in den kirchlichen Partien durch einen sehr ausbalancierten Klang und erzeugt so sehr viele rührende Trauermomente.

Fazit

Eine sehr tragische und nachdenklich stimmende Inszenierung, die besonders durch die hervorragende musikalische Leistung besticht. Die Musik Purcells ist wunderbar arrangiert, auch wenn man sich mehr an eine Messe als an eine Oper erinnert fühlt. Publikumslieblinge sind Adriana Bastidas-Gamboa, Alastair Miles und Ed Lyon. Für Liebhaber von Purcell und Barockmusik eine absolut sehenswerte Aufführung!

Melanie Joannidis

Bild: Sandra Then

Das Bild zeigt: Alastair Miles (Prospero), Ed Lyon (Ferdinand), John Heuzenroeder (Pastor), Emily Hindrichs (Anna), Chor der Oper Köln, Mitglieder des Internationalen Opernstudios der Oper Köln

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