von Georg Friedrich Händel (1685 – 1759), Opera seria in drei Akten, Libretto von einem anonymen Verfasser nach Silvio Stampiglia und Niccolò Minato
UA: 1738 London
Regie: Daniel Slater, Bühnenbild und Kostüm: Robert Inne Hopkins, Licht: Linus Fellbom
Dirigent: Andreas Stoehr, Königliche Hofkapelle, Chor der Königlichen Oper, Einstudierung: Folke Alin und Christina Hörnell
Solisten: Katarina Karnéus (Xerxes), Matilda Paulsson (Arsamenes), Katarina Leoson (Amastris), Lars Arvidson (Ariodates), Malin Byström (Romilda), Ailish Tynan (Atalanta), Mark Stone (Elviro)
Besuchte Aufführung: 10. Oktober 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Xerxes verliebt sich in Romilda, die ihrerseits aber Xerxes Bruder Arsamenes in heimlicher Liebe zugetan ist, so wie auch Arsamenes ihr. Eine Intrige der Schwester Romildas, Atalantas, die ihrerseits Arsamenes für sich haben möchte, schlägt fehl und das Paar Arsamenes-Romilda findet schließlich zueinander, während sich der Perserkönig mit der inkognito erschienen ausländischen Prinzessin Amastris, die verzweifelt seinem Werben um Romilda zugesehen hat und mit der er verlobt ist, verheiratet.
Aufführung
Daniel Slater verlegt die Handlung von der Ausstattung her in die späten 1940er Jahre, d.h. sowohl die Kostüme als auch das szenische Ambiente sind einheitlich im Stile dieser Zeit gehalten. Der erste Akt spielt in einem Hotel, in dem sich Xerxes aufhält, sowie an einem Flughafen, der zweite und dritte z.T. in seinem Büro oder an der Brücke über den Hellespont. Die Inszenierung betont die heiteren Momente der Handlung und ergänzt sie, etwa durch stummfilmartige Texteinblendungen während der Szeneneinleitungen und der Ouvertüre, ohne die Oper jedoch ins Lächerliche zu ziehen. Die lyrischen Momente – also vor allem die Arien der Hauptfiguren – werden deutlich herausgearbeitet und kontrastieren mit der sonst eher fröhlichen Grundstimmung dieser Inszenierung. Die Personenführung ist in sich restlos schlüssig: Sie läßt die dargestellten Charaktere deutlich werden und nimmt die Affekte, die die Musik schildert, stets ernst. Man kann die Personenregie an sich als zeitlos betrachten, so daß das 40er Jahre Ambiente vollkommen austauschbar wirkt. Genausogut hätte man die Akteure auch in barockem oder antikem Kostüm präsentieren können, denn bis auf ein paar Momente – etwa Romildas und Atalantes Streit in einem Spa – spielen die zeittypischen Requisiten keine Rolle.
Sänger und Orchester
Die beste Sängerin und Darstellerin des Abends war zweifelsohne Ailish Tynan (Atalanta), die mit ihrem neckischen Spiel und ihrer Stimmtechnik das Publikum für sich einnahm. Es handelt sich bei ihr klar erkennbar um eine auf das Barockrepertoire spezialisierte Sängerin, die sowohl über die nötige stimmliche Beweglichkeit als auch ein sehr schlankes und leicht ansprechendes Organ verfügt. Ein wenig unklar ist, warum sie bei manchen Spitzentönen enorm forcierte; vielleicht geschah das, um die Textaussage komisch zu überzeichnen, vielleicht aber auch aus Furcht, in dem ausverkauften Haus, das für Aufführungen von Barockmusik beinahe schon ein wenig zu groß ist, nicht gegen das Orchester anzukommen. Tatsächlich konnte man sich nämlich des Eindrucks nicht erwehren, daß Orchester und Sänger unter der Leitung von Andreas Stoehr erst im Laufe des ersten Aktes zu einer klanglichen Balance fanden, nachdem die Sänger etliche Male von den Instrumenten übertönt worden waren. Klar erkennbar legte es der Kapellmeister auf einen vollen, kontinuierlichen und dunklen Klang an und nicht – trotz der historischen Instrumente – auf einen transparenten, artikulatorisch mitunter schon fast manierierten Klang, wie er das Erscheinungsbild der historischen Aufführungspraxis in letzter Zeit prägt. Alle anderen Sänger des Abends schlugen sich wacker, auch wenn es sich bei ihnen nicht um Barockspezialisten handelte. Hervorzuheben sind Katarina Karnéus als Xerxes und Matilda Paulsson als Arsamenes, die mit geschmackvoll angebrachten, wenn auch wenigen Verzierungen aufwarteten und beide über volltönende Stimmen verfügen, die am klassisch-romantischen Repertoire geschult sind. Außerdem gelang es beiden Sängerinnen, treffend ihre männlichen Rollen mimisch darzustellen. Malin Byström sang die tiefe Partie der Romilda souverän, stellenweise ergreifend, und besitzt darüberhinaus eine ausgesprochen attraktive Bühnenpräsenz. Lars Arvidson gab seine kurze Partie mit nuanciertem Stimmeinsatz, während Mark Stone als Elviro die schwächste Leistung des Abends erbrachte. Seine Stimme und sein Spiel wirkten nervös und unausgeglichen.
Fazit
Abgesehen von der historischen Beliebigkeit in der Wahl der Ausstattung ist diese Inszenierung vollauf gelungen: Bühnenbild, Musik und Spiel der Sänger bilden eine feste Einheit. Die originale Handlung wird beibehalten, wenn auch das heitere Element des Librettos unterstrichen wird. Musikalisch geht es den Interpreten weniger um eine – ohnehin kaum greifbare – aufführungspraktische Authentizität, sondern um Klangschönheit. Man bekommt kurz gesagt weniger akrobatische Verzierungskünste und orchestrales Staccato als raumfüllende Stimmen und einen vielleicht etwas romantisch anmutenden Gesamtklang geboten. Eine wirklich sehenswerte Ergänzung des Stockholmer Repertoires!
Dr. Martin Knust
Bild: Alexander Kenney
Das Bild zeigt: Katarina Karnéus (Xerxes) und Malin Byström (Romilda)