Essen, Aalto Theater – SIEGFRIED

Zweiter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Musik und Text von Richard Wagner
UA: 16.08.1876 Bayreuth
Regie: Anselm Weber, Bühnenbild: Raimund Bauer, Kostüme: Bettina J. Walter
Dirigent: Stefan Soltesz, Essener Philharmoniker
Solisten: Johnny van Hal (Siegfried), Rainer Maria Röhr (Mime), Almas Svilpa (Wotan/Wanderer), Oskar Hillebrandt (Alberich), Kirsi Tiihonen (Brünnhilde), Marcel Rosca (Fafner), Ljubov Sokolova (Erda) Christina Clark (Waldvogel)
Besuchte Aufführung: 10. Oktober 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
essen-siegfried.jpgZwerg Mime will den Ring des Nibelungen für sich gewinnen, das Symbol ewiger Macht. Da der Ring von dem Drachen Fafner bewacht wird, hat Mime den verwaisten Heldensprössling Siegfried großgezogen. Dieser soll den Drachen für ihn besiegen. Auf den Ring haben es auch Mimes Bruder Alberich und der als Wanderer umherziehende Gott Wotan abgesehen. Mit einem selbstgeschmiedeten Schwert tötet Siegfried jedoch nicht nur Fafner, sondern auch Mime. Nachdem Siegfried den Ring an sich genommen hat, rät ihm ein Waldvogel, sich eine Frau zu suchen: Brünnhilde, die von Feuer umgeben auf einem Felsen schläft. Vor dem Brünnhilden-Felsen begegnet Siegfried Wotan, der gerade die Göttin Erda über die Zukunft von Menschen und Göttern ausgehorcht hat. Im Streit zerschlägt Siegfried Wotans Speer, das Zeichen seiner göttlichen Macht. Der Weg zu Brünnhilde ist frei.
Aufführung
Mime und Siegfried hausen in einem heruntergekommenen Backsteinbau, der sich im Hintergrund zu einer trostlosen, zerstörten Landschaft öffnet. Die gesamte Bühnenboden besteht bis zum Ende des zweiten Aufzuges aus kleinen Hügeln – den Schuppen des Drachen, wie sich später herausstellt: Siegfried tötet Fafner, indem er mehrfach mit dem Schwert in den Boden sticht. Mime, Siegfried und der als obdachloser Krüppel vor der Drachenhöhle lebende Alberich tragen Alltagskleidung unserer Zeit und hantieren mit Requisiten wie Krücken, Liegestühlen oder Fastfood. Der Waldvogel erscheint als attraktive junge Frau im Abendkleid. Die Kostüme von Wotan, Erda und Brünnhilde dagegen entführen in eine zwischen Mittelalter und Fantasy schwankende Sagenwelt. Mythologische Elemente, zum Beispiel Wotans Raben, werden durch Projektionen dargestellt. Für die Szene mit Erda (in einem Wartezimmer) verwandelt sich Wotan kurzzeitig in einen biederen Anzugträger, der auch mit einem Strauß Rosen bei der Göttin nicht zum Ziel kommt. Für das Finale senkt sich der Brünnhilden-Felsen rot glühend vom Schnürboden herab. Siegfried befreit Brünnhilde von ihrer Rüstung und drapiert deren Bestandteile sorgfältig auf dem Felsen, bevor das Paar zueinander findet und sein Schlußduett dicht an der Rampe singt.
Sänger und Orchester
Das größte Lob gebührt den Essener Philharmonikern unter Stefan Soltesz. Was hier an Spannung, Leidenschaft und Detailreichtum aus dem Graben kommt, kann es ohne weiteres mit internationalen Standards aufnehmen. Von den Sängern erreicht dieses Niveau höchstens Oskar Hillebrandt (Alberich), der einen nicht nur stimmgewaltigen, sondern auch in seiner verzweifelten Machtgier überzeugenden Nibelungen auf die Bühne bringt. Auch Kirsi Tiihonen (Brünnhilde) steht, von zwei verunglückten Spitzentönen abgesehen, ein beeindruckendes Stimmaterial zur Verfügung. Johnny van Hal (Siegfried) kann dank seiner Ausstrahlung und Statur den aufmüpfigen Halbstarken authentischer darstellen als mancher Fachkollege, seine eher kleine, eng geführte Stimme ist aber wenig attraktiv. Rollen-Debütant Almas Svilpa (Wotan) kämpft sich mit undeutlicher Aussprache wacker durch seine Partie, hat jedoch mit der Bewältigung der Töne soviel zu tun, daß seine Figur ohne Profil bleibt. Der agile Rainer Maria Röhr (Mime) setzt ganz auf seinen zwar farblosen, aber durchschlagskräftigen Tenor und könnte dabei darstellerisch noch etwas präsenter sein. Ljubov Sokolova (Erda), Marcel Rosca (Fafner) und Christine Clark (Waldvogel) runden ein solides, aber nicht herausragendes Ensemble ab.
Fazit
Die Regie von Anselm Weber arbeitet überwiegend eng am Text und unterhält anfangs auch durch witzige Details. Der für Wagners Opern notwendige lange Atem fehlt: Im dritten Aufzug hält nur das brillant spielende und dafür mit Ovationen gefeierte Orchester die Spannung – sicher auch ein Grund dafür, daß Regisseur Weber vor dem Vorhang mit kräftigen Buhrufen empfangen wird. Die Solisten werden wohlwollend – wenn auch nicht enthusiastisch – beklatscht, können aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dieser Siegfried ist der bisher schwächste Teil der Essener Ring-Tetralogie. Auf die Götterdämmerung (Premiere Herbst 2010) darf man gespannt sein.

Dr. E.-M. Ernst

Bild: Thomas Aurin
Das Bild zeigt: Aufmüpfiger Halbstarker: Siegfried (Johnny van Hal, rechts) mit seinem Ziehvater Mime (Rainer Maria Röhr)

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