Jedesmal wenn wir nach der im Weinland Burgund gelegenen Stadt Beaune in Mittelfrankreich fuhren, erlebten wir einige positive Überraschungen. Dieses Jahr wurden wir mit der Aufführung von Monteverdis großer Oper Die Krönung der Poppea insofern überrascht, daß sie in ihrer ganzen Länge von vier Stunden präsentiert wurde. Da man nicht von dem späten Beginn 21 Uhr abging, endete die Aufführung erst um ein Uhr in der Nacht. Doch niemand im Publikum äußerte sich ärgerlich darüber, alle applaudierten am Ende lange und ausgiebig der wirklich großartigen Leistung der Sänger und des Orchesters Ensemble les Épopées. Dieses bestand nur aus sechs Streichinstrumenten und einem Cembalo. Der Klang ist sonor, der nie zu laut und aufdringlich wurde.
L’incoronazione di Poppea (Die Krönung der Poppea)
von Claudio Monteverdi (1567-1643), Oper in einem Prolog und drei Akten, Libretto: Giovanni Francesco Busenello UA: Venedig 1642, Teatro Santi Giovanni e Paolo
Dirigent: Stephane Fuget, Ensemble les Épopées
Solisten : Francesca Aspromonte (Poppea), Isabelle Druet (Nerone), Eva Zaïcik (Amore, Ottavia)
Paul-Antoine Bénos-Dijan (Ottone), Camille Poul (Drusilla) Alex Rosen (Seneca, Tribuni), Mathias Vidal (Arnalta), Juan Sancho (Nutrice, Lucano), Jennifer Courcier (Amore, Damigella), Claire Lefilliâtre (Fortuna, Pallade, Venere), Ana Escudero Virtu (Valetto) u.a.
Besuchte Aufführung: 14. Juli 2023, Basilique Notre-Dame, Beaune
Vorbemerkung
Die Krönung der Poppea war die letzte Oper des fünfundsiebzigjährigen Monteverdi. Sie wurde 1642 in Venedig mit großem Erfolg uraufgeführt. Für sein letztes Werk paßte Monteverdi die musikalische Form stärker als zuvor an die Theatersituation und die Figuren an. Das Ergebnis war ein immenser Reichtum an Formen, Strukturen und Stilen, die zur dramatischen Darstellung beitrugen.
Das Libretto berichtet von der Liebesbeziehung zwischen Kaiser Nero und Poppea. Poppea bringt Nero dazu, ihr zu versprechen – und das gegen den Rat seines ehemaligen Lehrers Seneca – daß er sie heiraten und sie dadurch Kaiserin wird. Poppea wird also zur Kaiserin gekrönt und somit dem Sieg der Liebe geweiht. Die Monologe zeigen Monteverdis Fähigkeit als Komponist, die dramatische und musikalische Form zu vereinen. Besonders die Gesänge von Ottone und Octavia sind von außerordentlich dramatischer Intensität.
Kurzinhalt
Wir befinden uns in Rom, im Jahre 62 n. Chr.: der machtbesessene Kaiser Nerone verspricht seiner Geliebten Poppea, seine Gattin Ottavia zu verstoßen und sie zu heiraten, womit sie Kaiserin wird. Der Philosoph Seneca kritisiert diese Entscheidung, doch Nero zwingt ihn, Selbstmord zu begehen. Kaiserin Ottavia will ihre Nebenbuhlerin Poppea ausschalten und überredet Ottone, seine ehemalige Geliebte Poppea umzubringen, was aber mißlingt. Ottavia und Ottone werden aus Rom verbannt. Nero verspricht Poppea, sie sogleich zu heiraten, so daß die Krönung folgen kann, was allgemeinen Jubel auslöst.
Aufführung
In dieser Musik gibt es nicht die Arien oder ariose Musik, die man sonst in einer Oper antrifft. Für jemand, der diese Musikform nicht kennt, wirken die Musikpassagen ein wenig wie der Choral in der Kirche. Um es auf den Punkt zu bringen, man sollte Monteverdis Musik im Ohr haben, um die Musik zu genießen. Ist das der Fall, dann ist man von der außerordentlichen Biegsamkeit des Musikablaufs überrascht. Die Sänger und Sängerinnen waren außerordentlich engagiert und versuchten, mit Körperbewegungen den Musikeindruck noch zu verstärken. Hinzu kam, daß sie nach ihrem Gesang stets die Bühne verließen und dann bei erneutem Gesangspart wieder auftraten. Dadurch kam es zu einer permanenten Bewegung auf der Bühne. Manchmal stürmten die einzelnen Sänger geradezu die Szene und das meist dann, wenn sein Gesang eine hohe dramatische Wirkung hatte. Das gelang im allgemeinen durchaus eindrucksvoll.
Sänger und Orchester
Um es vorwegzunehmen: die Sängerinnen und Sänger waren durch die Bank hervorragend und sehr gut vorbereitet. Alle Stimmen vernahm man im Kirchenraum angenehm deutlich und gut artikuliert. Von unseren Plätzen konnte man die Übertitelung in französischer Sprache gut verfolgen. Das war auch sehr notwendig, da man sonst die zeitliche Länge, die die Vorstellung benötigte, nicht ohne eine gewisse Langeweile überbrückt hätte. Auf diese Weise hatten wir große Freude beim Zuhören der ausgedehnten Gesänge und verließen den Kirchenraum nach etwa viereinhalb Stunden zwar müde, aber sehr bereichert.
Eine große Sängerpersönlichkeit war die Darstellerin der Poppea Francesca Aspromonte. Ihr Sopran hatte ein sanftes Timbre, das wohltuend dem Ohr schmeichelte. Hinzu kam der mächtige Mezzosopran von Isabelle Druet als Nérone, der neben ihr postiert war. Alle Sänger traten mit Beginn ihres Gesangs auf die Szene, so daß hier ein dauerndes Kommen und Gehen war. Damit wurde die Szene ungemein belebt.
Alle Sängerinnen und Sänger waren sehr gut in ihren Rollen engagiert, was sich auf die Lebendigkeit der Szenen vorteilhaft auswirkte. Zu Beginn waren Amour (Liebe) Virtu (Tugend) und Fortune (Schicksal) zu einem Disput aufgetreten um darzustellen, wer denn nun die Vorherrschaft beanspruchen darf.
Fazit
Es wurde eine runde Darstellung, daß das große Engagement aller beteiligten Künstler bewies. Hinzu kam das Dirigat von Stephane Fuget, der auch das Cembalo sehr präzise und brillant spielte. Das kleine Orchester erschien großartig engagiert.
Dr. Olaf Zenner
Fanny et FelixFANNY (1805-1847) und FELIX MENDELSSOHN (1809-1847)
Programm
Felix Mendelssohn : Das Märchen von der schönen Melusine, Ouvertüre Op.32
Fanny Mendelssohn-Hensel: Faust II, Kantate H389
Fanny Mendelssohn-Hensel: Hero und Leander, Dramatische Szene
Felix Mendelssohn: Le Songe d’une nuit d’été (Sommernachtstraum) Op.61
Orchester: Le Cercle de l’Harmonie, Dirigent: Jérémie Rhorer
Solisten: Jodie Devos (Sopran), Valentina Stadler (Mezzosopran)
Eric Génovèse (Text Vorleser)
Besuchte Aufführung: 15. Juli 2023, Basilique Notre-Dame
Vorbemerkung
Es kommt selten vor, daß man in Frankreich an einem Konzertabend ein ganzes Programm nur von deutschen Kompositionen aufführt. So erlebten wir ein ungewöhnliches Programm.
Fanny, die ältere Schwester des Komponisten des Sommernachtstraums Felix, wuchs wie ihr Bruder in der Zeit der Aufklärung und Frühromantik auf. Die Familie war mit Goethe und Heine befreundet und besuchte sich oft gegenseitig. Fanny wurde als Pianistin in den renommierten Salons bewundert. Ihre Berufung als Komponistin wurde immer wieder vereitelt, da man in der Zeit der Aufklärung der Meinung war, daß eine anständige Frau nicht ohne Schande eine öffentliche Karriere anstreben könne. Das gleiche Schicksal erlebten auch viele der damaligen Komponistinnen, die dadurch zum Schweigen gebracht wurden. Deren Werke, die sie dennoch komponierten, kommen erst heute wieder ans Licht. Felix und Fanny schrieben beide nie eine vollständige Oper, doch vertonten sie die schönsten Stücke des europäischen Repertoires, von Shakespeare über Goethe bis hin zu Schiller.
Aufführung
Die Solistinnen und der Chor sangen sehr präzise artikuliert die Texte. Dadurch konnte man besonders Jodie Devos (Sopran) und Valentina Stadler (Mezzosopran) gut verstehen.
Das Orchester Le Cercle de l’Harmonie unter der Leitung von Jérémie Rhorer spielte mit großer Perfektion, was besonders bei den Streichern auffiel: es war als ob die acht ersten Geigen nur aus einer eine einzigen bestehen würden. Sie wurden von der Bläsergruppe bestens ergänzt. Einen derart makellosen Klang ist selten zu hören. Auch bei Faust II war die Einheit von Solisten, Chor und Orchester meisterhaft.
Fazit
Wir erlebten einen Musikabend, der seinesgleichen sucht. Mit einem Wort: alles war makellos und bewies meisterhaftes Können aller beteiligten Künstler.
Dr. Olaf Zenner
SolokonzertPaul-Antoine Bénos-Djian, Countertenor
Georg Friedrich Händel (1685-1759)
Programm
Kantaten und Opernarien von G. F Händel (1685-1759)
Cantate pour alto Carco sempre di gloria
Giulio Cesare: Se in fiorito prato
Rinaldo: Vo´far guerra (transcription pou clavecin de William Babell
Poro: Vedrai con tuo periglio
Admeto: Orride Larve, e che da me volete
Tolomeo: Se un solo è quel core
Agrippina: Ottone, Tacero
Ottone: Dell’onda a i fieri moti
Sonata pour violon e clavecin, Op. 1, 10 HWV 368
Poro: Dov’è? S’affretti per me la morte
Ariodante: Polinesso: Dover giustizia, amor
Ensemble les Épopées
Violin: Jasmine Eudelin
Violoncelle : Alice Coquart
Théorbe: Léo Brunet
Clavecin, Orgue et direction: Stephane Fuget
Besuchte Aufführung : 16. Juli 2023, Hospice: Salle des Pôvres
Aufführung
Bei diesem Konzert hatte das Publikum Zutritt zum Krankensaal des Hospice, der normalerweise zum Museum gehört. Alle Plätze waren besetzt. In einem etwas abgetrennten Bereich im vorderen Teil des langgestreckten Raums war das kleine Orchester unter Stéphane Fuget plaziert.
Counter Tenor Bénos-Djian sang Arien von Georg Friedrich Händel. Seine Belcantotechnik hat sich gegenüber denjenigen zwei Jahren zuvor gut entwickelt. Auffallend war, wie er sein Stimmvolumen gesteigert hat. Besonders bei der Arie Agrippina konnte er geschmeidig die hohen und tiefen Töne gut ausbalancieren. Auch die Lautstärke hatte er ebenso gut im Griff. Die Koloraturen gestaltete er perlend. Hinzu kam sein angenehm warmes Timbre.
Ein überragendes Talent erlebten wir mit der Violinistin Jasmine Eudelin. Sie zeigte ihre enorme Virtuosität. Die äußerst schnellen Läufen und die großen wie kleinen Intervalle ihrer Musikstücke meisterte sie mit absoluter Präzision. Selten konnte ich eine solche Meisterschaft erleben. Ein ähnliches Können bewies die Violoncellistin Alice Coquart. Die Fingergeläufigkeit des Cembalisten Stephane Fuget war teilweise geradezu atemberaubend.
Das Publikum bedankte sich für den Liederabend mit langanhaltendem Applaus, so daß Paul-Antoine Bénos-Djian uns noch mit einigen schönen Zugaben erfreute.
Dr. Olaf Zenner
Alle Bilder: @ars-essentia