Dresden, Staatsoper – LA TRAVIATA

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Melodramma in 3 Akten, Libretto von Francesco Maria Piave, UA:1853, Venedig
Regie: Andreas Homoki, Bühne: Frank Philipp Schlößmann
Dirigent: Fabio Luisi, Sächsische Staatskapelle Dresden, Chor der sächsischen Staatsoper Dresden
Solisten: Olesya Golovneva (Violetta Valéry), Angela Liebold (Flora Bervoix), Birgit Fandrey (Annina), Wookyung Kim (Alfredo Germont), Roberto Servile (Giorgio Germont), Tom Martinsen (Gastone, Vicomte de Letorières), Christoph Pohl (Baron Douphol), Matthias Henneberg (Doktor Grenvil) u. a.
Besuchte Aufführung: 13. Oktober 2009

Kurzinhalt
dresden-traviata1.jpgAuf einem Fest lernen sich die Kurtisane Violetta Valéry und Alfredo Germont kennen. Der Verehrer erhält von der Angebeteten eine Kamelie, mit der Einladung, sie am nächsten Tag zu besuchen. Beide verlieben sich und ziehen hinaus aufs Land. Da erscheint Alfredos Vater. Ohne Alfredos Wissen drängt er Violetta dazu, seinen Sohn zu verlassen, um seine Familie nicht in Verruf zu bringen. Violetta willigt ein und verläßt Alfredo mittels eines Abschiedsbriefes. Auf dem Fest von Violettas Freundin Flora begegnen sich Alfredo und Violetta, die wieder zu Baron Douphol zurückgekehrt ist. Alfredo beleidigt Violetta und wirft ihr ein Geldbündel vor die Füße. Später eilt Alfredo zur an der Tuberkulose erkrankten Geliebten, da ihm sein Vater den Grund ihrer Abwendung von ihm erklärte. Doch beiden bleiben nur wenige Momente bevor sie stirbt.
Aufführung
Der Vorhang öffnet sich vor einem leeren Einheitsraum. Von links schiebt sich eine rote spanische Trennwand auf die Bühne: Zuerst als ein Kreis, um den der Chor herumrennen, dann als ein Raumteiler, über den der Chor ins Publikum gucken kann. Danach kippt der Raumteiler nach hinten, damit der Chor über die sterbende Violetta laufen kann, bevor diese herunter rutscht und endgültig in den Armen Alfredos stirbt. Woran? Für das Landei Alfredo ist es offensichtlich die erste Party, so ungeschickt stellt er sich beim Koksen an: Er niest und verteilt den teuren Koks im Raum. Auf der zweiten Party spielen die Damen eine Mischung aus Blindekuh und Strip-Poker mit den Herren, das für die Herren in der Unterhose endet. Violetta ist ein mondänes Partygirl mit moderner Designer-Kleidung und Beehive-Frisur. Das entspricht dem Mode-Stil der Amy Winehouse. Der Chor besteht aus den üblichen Verdächtigen der heutigen Party-Gesellschaft wie Rappern oder Mooshammer mit seiner Daisy.
Sänger und Orchester
Musikalisch bleibt nur die Erkenntnis, daß die Staatskapelle und der Chor auf Verdi bestens vorbereitet sind. Zwischen dem zarten Schmelz der Geigen im Vorspiel und dem Furioso im Finale war viel Platz für ein Liebesdrama. Leider fand das nur im Graben und im Chor statt, denn Emotionen waren auf der Bühne selten: Wookyung Kim als Alfredo ist ein Tenor mit strahlender Höhe und großer Zukunft, ein wenig mehr Strahlkraft wird noch kommen. Wenig überzeugend war Olesya Golovneva als Violetta (sie war für die kurzfristig erkrannte Rebecca Nelson eingesprungen), die nur mit Kraft im Forte oder Fortissimo singt. Die lyrischen Abstufungen fehlten, vor allem das Verhauchen beim Tod Violettas. Roberto Servile orgelte sich durch seine Partie und glänzte damit, selten im Takt zu bleiben. Die große Arie des Giorgio Germont Di Provenza il mar, il suol chi dal cor di cancello – Wer hat dich das Meer und die Felder der Provence vergessen lassen war kaum wiederzuerkennen. Das schmerzte wegen ihres hohen Bekanntheitsgrades besonders. Wenigstens die Hauskräfte für die vielen Nebenrollen erfüllten die Erwartungen an eine Staatsopernproduktion.
Fazit
Im Prinzip ist diese Inszenierung ein weiterer Beleg dafür, daß Aktualisierungen dieser Oper meist zum Scheitern verurteilt ist. Viele Besucher finden Szenen aus der heutigen Zeit, hier die Schicki-Micki-Musikwelt, unpassend. Außerdem ist es nicht glaubhaft, daß eine angesehene Familie heutzutage Probleme bekommt, wenn der Sohn mit einer Amy Winehouse liiert ist. Wenn man auf Dekoration verzichtet, wie einst Brecht, dann muß eine ausgefeilte Personenführung die Geschichte erzählen. Das gelingt Homoki nur in ganz wenigen Momenten, nämlich den Chorszenen. So bleiben nur nichtssagende Momente und bunt-bebilderte Langeweile übrig. Diese war am Ende rasch verflogen, als sich die Buh-Rufer und Hurra-Schreier bei Homokis Auftritt ein Duell lieferten. Für Staatskapelle und Chor einhelliger Applaus.
Oliver Hohlbach

Bild: Matthias Creutziger
Das Bild zeigt: Staatsopernchor: Gäste auf dem Fest von Violetta Valéry

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