Die Frau ohne Schatten – Köln, Oper

von Richard Strauss (1864-1949)) Oper in drei Aufzügen, Libretto: Hugo von Hofmannsthal, UA: 10. Oktober 1919, Wien, Staatsoper

Regie: Katharina Thoma, Bühne: Johannes Leiacker, Kostüme: Irina Bartels, Video: Georg Lendorff, Licht: Nicol Hungsberg

Dirigent: Marc Albrecht und das Gürzenich-Orchester Köln

Solisten: AJ Glueckert (Der Kaiser), Daniela Köhler (Die Kaiserin), Irmgard Vilsmaier (Die Amme), Jordan Shanahan (Barak, der Färber), Lise Lindstrom (Die Färberin), Karl-Heinz Lehner (Der Geisterbote), Giulia Montanari (Falke)

Besuchte Aufführung: 16. September 2023 (Premiere)

Kurzinhalt

Der Kaiser hat die Tochter des Geisterkönigs Keikoban zur Frau genommen. Sie wirft keinen Schatten, ist also nicht menschlich und auf ihr liegt ein Fluch. Wenn sie innerhalb von drei Tagen keinen Schatten wirft, erstarrt der Kaiser zu Stein. Die Amme der Kaiserin versucht durch Zauberei die Färberin dazu zu überreden, ihren Schatten zu verkaufen. Doch die Kaiserin erkennt, daß der Fluch, der auf ihr liegt, auch das Leben des Färberpaars zerstört. Sie geht zu ihrem Geistervater und lehnt dort ab, vom Wasser des Lebens zu trinken, da sie einen Schatten nicht auf Kosten anderer haben will. Mit dieser Geste des Mitgefühls ist der Fluch gebrochen und sie bekommt einen menschlichen Schatten.

Aufführung

Die Bühne besteht aus einer großen runden Treppenkonstruktion, an deren Ende oben im Zentrum ein Fels steht. Die ellipsenförmigen Stufen sind Dreh- und Angelpunkt der gesamten Handlung. Mit Videoprojektionen werden die Stufen animiert. Beispielsweise wird der Kopf des Kaisers auf den Fels projiziert, um seine Versteinerung zu verdeutlichen. Die Kostüme sind fantasievoll und betonen einerseits den gesellschaftlichen Status der Figuren sowie andererseits ihren Transformationscharakter. Die Kaiserin trägt im ersten Akt beispielsweise einen Kimono mit rotem Gürtel, im zweiten ein mädchenhaftes Kleid mit Blumen und im dritten Akt ein rotes, eng anliegendes Etuikleid, was ihre Verwandlung von einem Halb-Geisterwesen zur herangereiften Frau symbolisiert. Besonders ausgefallen sind die Kostüme der Figuren aus der Geisterwelt: sie tragen graue Ganzkörperanzüge, die ihre Gesichter verdecken, kriechen über den Boden mit Gehstöcken und haben Tücher umgeworfen. Insgesamt setzt die Inszenierung sehr auf eine märchenhaft-fantasievolle Atmosphäre.

Sänger und Orchester

Irmgard Vilsmaier (Die Amme) tritt als elegant gekleidete Dame im schwarzen Kleid mit Hut und Gehhilfe sehr streng und mütterlich auf. Dabei betont ihr samtiger Mezzo, den sie in der Höhe sehr schrill und akzentuiert einsetzt und in der Tiefe gekonnt grollen läßt, die Verachtung über die gesamte Menschheit. Daniela Köhlers (Die Kaiserin) Sopran bringt eigentlich alles mit, allen voran ein wunderschönes, gläsernes Timbre und eine voluminöse Stimme, allerdings überschattet ihr vibrato im ersten Akt öfters die hohen Töne und es fehlt ihr an technischer Raffinesse, ihre Stimme richtig in Szene zu setzen. Im dritten Akt, bevor sie sich von ihrer Amme trennt, kann sie sich aber deutlich steigern und legt einen glanzvollen Gesang hin, der die Wechsel zwischen Ärger, Mut und Verzweiflung stimmlich grandios wiedergibt. Unter den Frauenstimmen bietet Lise Lindström (Die Färberin) allerdings das beste Gesamtpaket: ihren hohen, stechend-klaren Sopran setzt sie sehr pointiert ein und betont auch durch ihr Schauspiel die unzufriedene Ehefrau, die verhärtet und desillusioniert ist über ihre ausweglose Situation. Dabei artikuliert sie einzelne Phrasen so deutlich, dass man die Untertitel gar nicht mitzulesen braucht. Unter den Männerstimmen sticht Jordan Shanahan (Barak, der Färber) mit einem warmen Bariton heraus, der über sehr viel Substanz in der Tiefe verfügt und den er sehr gefühlvoll und sanft intoniert einsetzt, besonders um seinen Kinderwunsch zu verdeutlichen. Dabei verteilt er Kleidung und Essen an Kinder auf der Bühne und zeigt sich väterlich-mitfühlend. Im zweiten Akt überzeugt er besonders im Duett mit seiner Frau, indem er auch Techniken wie das mezza di voce oder den Einsatz der Kopfstimme im Falsett einsetzt. AJ Glueckert (Der Kaiser) verfügt über einen eher schlichten, zurückhaltenden Tenor, kann aber auch in der Höhe seine Stimme anmutig anschwellen lassen. Sein Schauspiel ist eher zurückhaltend: außer einer dramatischen Geste des körperlichen Zusammenbruchs auf dem personalisierten Falken, bleibt er eher starr und konzentriert. Erwähnenswert sind ebenfalls die Chorpartien: der Frauenchor im zweiten Akt erzeugt einen sehr stimmungsvollen, sirenenhaften Klang, der Geisterchor der Männerstimmen, singt sehr synchron im unisono und der Kinderchor zum Schluß ist ebenfalls ein großer Genuß. Nicht zuletzt ist die hervorragende Leistung des Orchesters hervorzuheben. Unter der Leitung von Marc Albrecht läuft das massiv besetzte Orchester mit u.a. einer Glasharmonika und chinesischen Gongs zu Höchstformen auf und erzeugt eine atmosphärische Musik, die wie aus einer anderen Welt klingt.

Fazit

Diese Inszenierung läßt einen als Zuschauer staunen, entzücken und mitfühlen gleichermaßen, weil einfach alles stimmt! Bühnenbild, Kostüme und schauspielerische Darbietung: alles einfach hervorragend! Die musikalische Leistung ist da noch das i-Tüpfelchen des Abends. Unglaublich, zu welchen Höchstformen das Orchester im XXL-Format unter der Leitung von Marc Albrecht aufläuft. Das würdigt auch das Publikum mit stehendem Applaus. Weitere Publikumslieblinge sind Jordan Shanahan und Daniela Köhler.

Was für ein grandioser Auftakt für die neue Opernsaison!

Melanie Joannidis

Bild: Matthias Jung

Das Bild zeigt: Chor der Oper Köln, AJ Glueckert (Der Kaiser), Giulia Montanari (Falke)

 

Veröffentlicht unter Köln, Bühnen der Stadt, Opern