Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein/Schauspielhaus – DAS SCHLOSS

nach dem Roman von Franz Kafka
Uraufführung der Bearbeitung von Alexander Müller-Elmau
Musik: Gustav Mahler, bearbeitet von Thomas Hertel
Regie und Bühnenbild: Alexander Müller-Elmau, Kostüme: Gabriele Sterz
Dirigent: Ville Enckelmann, Mitglieder der Düsseldorfer Symphoniker
Darsteller: Daniel Christensen (K.), Anke Hartwig (Wirtin/Mutter/Mizzi), Lisa Arnold (Olga/Frieda/Pepi), Moritz Führmann (Schwarzer/Barnabas/Lehrer), Folker Mosebach (Wirt/Vater/Vorsteher/Bürgel), Urs Peter Halter (Jeremias/Momus), Ronaldo Navarro (Tanz, Artur), Annette Seiltgen (Mezzosopran, Amalia), Laura Nykänen (Alt, Mädchen aus dem Gasthof), Heikki Kilpeläinen (Bariton, Fritz)
Besuchte Aufführung: 18. Oktober 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
duesseldorf-das-schloss.jpgK. kommt in ein Dorf, um dort als Landvermesser zu arbeiten. Über das Dorf herrscht ein allgegenwärtiger, rätselhafter Verwaltungsapparat mit Sitz im Schloß, der den Bürgern panische Angst einjagt. Von K.s Auftrag weiß man nichts. Um die Sache aufzuklären, versucht K. mit dem Schloß Kontakt aufzunehmen. Je stärker er sich bemüht, desto feindseliger und abweisender verhalten sich die Dortbewohner. Erst als K. resigniert, kommt es zu einer Annäherung zwischen ihm und der Wirtin, die stellvertretend für die Dorfgemeinschaft steht.
Aufführung
Kafkas Roman-Fragment ist auf wenige zentrale Szenen verdichtet, die in raschem Tempo ablaufen. Bühnenbild und Ausstattung sind auf das Notwendigste beschränkt. Die Hauptrollen übernehmen Schauspieler. Alle bis auf den Protagonisten schlüpfen in mehrere Figuren. Für besondere Effekte wie z.B. die Imitation von im Schnee knirschenden Schritten oder für erzählende Passagen sind die Schauspieler mit Mikrofonen ausgestattet. Die Akteure befinden sich bereits vor dem eigentlichen Beginn der Vorstellung auf der Bühne und verlassen sie danach so gut wie gar nicht mehr – der Darsteller des K. bleibt sogar während der Pause darauf. Aufgelockert wird das düstere, mitunter absurde Geschehen durch einen Tänzer und vor allem durch die drei Opernsänger, die solistisch oder im Terzett Lieder von Gustav Mahler vortragen. Die Instrumentalbegleitung übernehmen drei Streicher der Düsseldorfer Symphoniker, verstärkt durch Jazz-Bläser, eine E-Gitarre und einen DJ für akustische Verfremdungseffekte. Wie die Sänger sind auch die Musiker durch kurze Sprechrollen oder Attacken gegen K. in die Handlung eingebunden. Zur Pause und bei der Schlußszene leert sich die Bühne langsam: Zurück bleiben nur K. und die Frauen, zu denen er in einer besonderen Beziehung steht.
Sänger und Orchester
Alle Mitwirkenden lassen sich mit großem Engagement und ohne spürbare Berührungsängste zwischen Schauspielern und Sängern auf das schwierige Projekt ein. Daniel Christensen (K.), durch seine ununterbrochene Anwesenheit auf der Bühne stark gefordert, verkörpert intensiv einen jungenhaften, in seiner Hartnäckigkeit naiven Landvermesser. Lisa Arnold (Olga/Frieda/Pepi) ist vor allem für die zwiespältige Figur der Frieda eine Spur zu niedlich, dafür beweist Anke Hartwig (Wirtin/Mutter/Mizzi) als alte Frau Mut zur Häßlichkeit. Sie hinterläßt neben Christensen den stärksten Eindruck. Urs Peter Halter (Jeremias/ Momus) und der Tänzer Ronaldo Novarro (Artur) prägen sich vor allem durch ihre körperliche Agilität ein. Moritz Führmann (Schwarzer/Barnabas/Lehrer), zu Beginn auch als Hornist zu hören, und Folker Mosebach (Wirt/Vater/Vorsteher/Bürgel) wechseln geschickt und mitunter völlig nahtlos ihre verschiedenen Rollen. Die drei Sänger Annette Seiltgen, Laura Nykänen und Heikki Kilpeläinen sowie das Instrumentalensemble unter Ville Enckelmann stellen sich ihrer Herausforderung mit Musikalität und Gestaltungsreichtum– Eigenschaften, durch die sich die zu Fragmenten zerrissenen Mahler-Lieder doch wieder zu einem Ganzen fügen. Einen ganz eigenen Reiz entfalten die drei dunkel gefärbten Stimmen und die in ihren Ausdrucksmöglichkeiten völlig inhomogenen Instrumente in den Terzett-Versionen der Lieder.
Fazit
Eine Oper wie Aribert Reimanns von 1992 wollte Alexander Müller-Elmau mit seinem Düsseldorfer Schloß nicht schaffen. Seine Bearbeitung ist ein (zugegebenermaßen nicht ganz neues) Experiment, das aus Schauspiel, Musik und Tanz besteht. Im Vordergrund steht dabei die Nähe von Kafkas Text zu Mahlers Musik. Und tatsächlich eignen sich die fragmentarisch vorgetragenen Lieder vortrefflich zur Illustration der düsteren, mitunter ausweglosen Atmosphäre des Romans. Die auf dem Besetzungszettel zunächst gewagt anmutende Kombination aus Streichern, Jazz-Bläsern, E-Gitarre und Live-Elektronik tut dabei der Musik keineswegs Gewalt an, sondern ist ein interessantes Klangerlebnis. Die Stimmung der Lieder bleibt vollkommen erhalten.
Der darstellerische und musikalische Kraftakt aller Beteiligten wird mit herzlichem Applaus aufgenommen. Fraglich ist allerdings, was inhaltlich von diesem Schloß in Erinnerung bleibt: Die Bearbeitung fragmentarisiert den ohnehin nur als Fragment vorliegenden Text fast bis zur Unkenntlichkeit. Dem Ergebnis ist ohne Kenntnis des Romans nur schwer zu folgen.

E.-M. Ernst

Bild: Sebastian Hoppe
Das Bild zeigt: Die Dorfbewohner gegen K. (Daniel Christensen, mit Telefonhörer)

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