Götterdämmerung – Coburg, Landestheater im Globe

von Richard Wagner (1813-1883), Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen in drei Aufzügen und einem Prolog, Text vom Komponisten, UA: 17. August 1876 Bayreuth, Festspielhaus

Regie und Bühne: Alexander Müller-Elmau, Kostüme: Julia Kaschlinski

Dirigent: Daniel Carter, Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg

Solisten: Gustavo Lopez Manzitti (Siegfried), Lars Fosser (Gunther), Bartosz Araskiewicz (alternierend mit Michael Lion) (Hagen), Irina Oknina (Brünnhilde), Martin Trepl (Alberich), Ana Naqe (Gutrune), Annika Schlicht (Waltraute) u.a.

Besuchte Aufführung: 28. April 2024

Kurzinhalt

Für Siegfried besitzt der von Alberich verfluchte Ring des Nibelungen ewige Macht. Auch Hagen, Halbbruder des Fürsten Gunther, möchte den Ring besitzen. Als es Siegfried an den Rhein zu Gunther verschlägt, verliert er unter dem Einfluß eines Zaubertranks jede Erinnerung an Brünnhilde, heiratet Gutrune und verspricht Gunther Brünnhilde zur Frau. Haßerfüllt wendet sich Brünnhilde gegen Siegfried und berichtet, daß sie quasi vermählt seien. Für seinen Betrug an Gunther tötet Hagen auf der Jagd Siegfried, doch Hagen erringt nicht den Ring, denn Brünnhilde stürzt sich mit dem Ring in den für Siegfried brennenden Scheiterhaufen. Die Flammen erfassen Walhall, die Götterdämmerung bricht an: Der Ring versinkt im Rhein und die Welt ist erlöst vom Fluch.

Aufführung

Szenische Erinnerungsmomente an die vorausgegangenen Ringteile prägen auch diese Götterdämmerung. Wir sehen auf der Drehbühne wieder einen Ausstellungs- oder Laborraum, die drei Rheintöchter oder Nornen können in großen Glasvitrinen Platz nehmen, als Alberich aus einem Regal das Rheingold, einen Goldklumpen, an sich nehmen will, schreitet eine Aufsicht ein. Die Gibichungen verwandeln sich in Besucher, die schon seit dem Rheingold die Bühne bevölkern. Lagertore ermöglichen den Zugang zur Handlung, so kommen Gutrune, Gunther und Siegfried zur Tür herein und nicht durch ein Flammenmeer. Blutsbrüderschaft trinkt man nicht aus Hörnern sondern mit Dosenbier (Handschlag reicht), auch Zaubertränke gibt es nicht. Sogar Wotan hat einen Cameo-Auftritt, sein Ausstellungsstück ist ein abgehangener Hirsch (dabei ist er doch Wölfe?). Einen Festsaal, oder Walkürenfelsen, geschweige denn Walhal gibt es nicht. Alles findet im intimen Kreis im Ausstellungsraum statt. Am Schluß erdolcht Hagen Gunter, Gutrune hindert Hagen. Alberich tötet Hagen und ergreift als einziger Überlebender den Ring. Der Weltenbrand bleibt aus, beginnt die Ringhandlung von neuem – oder gibt es Hoffnung auf einen Neubeginn? Alberich wirft den Ring ins Publikum.

Sänger und Orchester

Auch in der neuen Spielstätte Globe gibt es nur einen kleinen Orchestergraben, hier sitzen nur 70 Orchestermusiker, hinter der Bühne spielt im Hintergrund die Bühnenmusik, in der linken Sonder-Loge spielt die einzige Harfe. Man spielt wie in den anderen Ring-Teilen und in der alten Spielstätte, dem historischen großen Haus des Landestheaters die sogenannte Lessing-Fassung, eine reduzierte Orchesterfassung für kleine Häuser, im Falle des Rheingolds liegt vom Meister sogar eine Autorisation vor. Die musikalischen Höhepunkte in der Götterdämmerung sind eigentlich Siegrieds Rheinfahrt und das feurige Finale. Das wird mit monumentaler Wucht von Daniel Carter zelebriert. Unter seiner Leitung erlebt man einen unverstellten Blick auf die Wagnerschen Klangbilder, die mit großer lyrischer Spielfreude ohne überzogene dramatische Effekte über die Bühne kommen. Das Philharmonische Orchester des Landestheaters Coburg ist schon lange im Wagner-Fach tätig, kann auf seine Erfahrungen im Vorfeld der Gründung der Bayreuther Festspiele – auch wenn die kleinere Besetzung im Blech wegen der sehr direkten Akustik manchmal etwas wackelig klingt – Siegfrieds Hornrufe sind eben gefürchtet. Auf dieser Basis können die Solisten aufbauen, besonders erwähnenswert die Einspringerin Annika Schlicht von der Deutschen Oper Berlin. Sie singt dort die Waltraute in der aktuellen Ring Produktion. Eine klar strukturierte Präsentation, bestens intoniert, absolut wortverständlich vorgetragen, emotional bis in die letzte Strophe, das macht den flehentlichen Auftritt der Waltraute mit der Bitte um die Rückgabe des Ringes zu einem dramaturgischen Höhepunkt. Wenn man es auf der großen Bühne der Deutschen Oper exzellent gestalten kann, dann gelingt es auch auf der kleinen Bühne in Coburg!

An dieser Gestaltung wächst auch die zweite Person in der Waltrautenerzählung. Irina Oknina versucht ähnlich zu gestalten und reduziert ihre dramatische Strahlkraft um ihrer Brünnhilde Gestaltungsräume zu gewähren. So werden die Starken Scheite am Ende kein wuchtiger hochdramatischer Aufruf zum Kampf, sondern eine differenziert gestaltete Trauerrede auf Siegfried. Der brennende Weltuntergang entfällt – es gibt noch Mitleid.

Kein Mitleid kennt ihr Gegenspieler Hagen. Bartosz Araskiewicz kann ebenso in der Lautstärke differenzieren und seine Stimme bösartig charakterisieren. Seine Rollengestaltung als kaltblütiger und mitleidloser Strippenzieher gestaltet er dank seinem eloquenten Baßbariton mit aller Macht. Ähnlich auch Michael Lion, der Haus-Baß, der gestalterisch noch mehr Möglichkeiten hat.

Im ersten Akt mag man Gustavo Lopez Manzitti seinen Siegfried als Heldentenor titulieren. Danach versucht er es, indem er mit seiner groß-volumigen Stimme immer mehr zum Sprechgesang übergeht. Er zieht die Töne auch manchmal von unten herauf, statt sich von oben darauf zu setzen, was auch manchmal zur Ungenauigkeit in der Intonation führt. Dafür kann er mit raschen Forcierungen das Publikum in seinen Bann ziehen. Die Gutrune der Ana Naqe überzeugt mit resolutem Format und der bösartige Gunther von Martin Trepl, ist zwar etwas zurückhaltender als der Hagen von Bartosz Araskiewicz, seinen Eroberungsdrang kann er aber stimmlich geltend machen.

Fazit

Mit dieser Götterdämmerung in der Ausweichspielstätte Globe ist der Ring des Nibelungen vollendet. Die ersten Zyklen werden erst in der übernächsten Spielzeit erwartet, denn die übrigen Ring-Teile müssen erst an die neuen Gegebenheiten der Ausweichspielstätte angepaßt werden. Dieses hat nämlich im Gegensatz zum großen Haus außer einer Drehbühne eigentlich keine weitere Bühnentechnik, wie z.B. Züge oder Versenkungen. Das große Haus des Landestheaters, die alte Spielstätte mit Technik, wird wohl auf lange Zeit wegen Renovierung ausfallen. Ursprünglich war die Ausweichspielstätte im Entwurf an der Shakespeare-Bühne Globe als Rundtheater geplant – davon blieb nur die äußere runde Hülle übrig, im inneren ist es ein klassisches kleines Theater geworden.

Errichtet wurde es auf einer innerstädtischen Sanierungsfläche, zwischen Güterbahnhof und ehemaligen Schlachthof. Es steht nun inmitten eines Schotterplatzes, die übrigen Flächen werden noch mit Parkflächen und einem neuen Stadtviertel mit unendlich vielen Möglichkeiten entwickelt. Coburg ist eine Stadt des Designs, der renovierte Hauptbahnhof nebenan zeugt ebenso davon. Das Globe hat es schon auf die Titelseite vieler Fach- und insbesondere Opernzeitschriften gebracht. Es wird das Schicksal vieler Ausweichspielstätten teilen – es wird auch nach der Ausweichnutzung erhalten bleiben – vielleicht sogar als Schauspielhaus des Landestheaters.

Die musikalische Umsetzung ist ganz sicher ein Gewinn, da hier unaufgeregt das Werk Wagners wortverständlich wirken wird. Die Sängerriege ist eine gesunde Mischung aus Nachwuchs und erfahrenen Sängern. Dem Publikum ist hörbar zufrieden: Jubel, Bravos ohne Grenzen.

Oliver Hohlbach

Bild: Elke Walkenhorst

Das Bild zeigt: Michael Lion (Hagen)

Veröffentlicht unter Coburg, Landestheater, Opern