von Claudio Monteverdi (1567-1643) Opera musicale in drei Akten, Libretto: Giovanni Francesco Busenello, UA: 1642/1643, Venedig, Teatro Santi Giovanni e Paolo
Regie: Ted Huffman, Bühne: Johannes Schütz (Adaption: Anna Wörl), Kostüme: Astrid Klein, Licht: Bertrand Coudere
Dirigent: George Petrou und das Gürzenich-Orchester Köln
Solisten: Elsa Benoit (Poppea), Jake Arditti (Nerone), Adriana Bastidas-Gamboa (Virtú/Ottavia), Paul-Antoine Bénos-Dijan (Ottone), Christoph Seidl (Seneca), John Heuzenroeder (Arnalta/Nutrice), Maria Koroleva (Fortuna/Drusilla), Camille Poul (Amore/Valetto), Laurence Kilsby (Lucano/Soldato I), Armando Elizondo (Liberto/Soldato II)
Besuchte Aufführung: 05. Mai 2024 (Premiere)
Fortuna (Glück) und Virtú (Tugend) streiten darüber, wer den Lauf der Welt bestimmt. Amor, der Gott der Liebe, kommt ihnen dazwischen und will beweisen, daß er die wahre Macht über die Menschen hat. Wozu Liebe fähig ist, zeigt sich an Poppeas Geschichte. Sie verläßt ihren Mann Ottone und lebt als Geliebte im Kaiser Nerones Schloß. Dabei treibt sie der Ehrgeiz an, selbst Herrscherin über Rom zu werden. Nerone ist so von Poppea besessen, daß er sogar seine Frau Ottavia für sie verläßt. Racheschwörend tun sich Ottavia und Ottone zusammen und planen ein Komplott, um Poppea umzubringen. Doch das geht schief: Als Nerone von dem versuchten Mord erfährt, verbannt er Ottone und Ottavia. Der Krönung von Poppea steht nun nichts mehr im Wege. Beide feiern ihre Hochzeit.
Aufführung
Vorbemerkung: es handelt sich um eine Koproduktion des Festival d’Aix en Provence mit Palau de les Arts Reina Sofía, der Oper Rennes, der Oper Toulon und der Kölner Oper.
Die Handlung wird keiner bestimmten Epoche zugeordnet und bleibt zeitlos. Die Bühne wird von einem großen hohlen Rohr in Schwarz und Gold dominiert, das ca. 2 Meter über der Bühne schwebt. Wie ein Pendel bewegt es sich zu Beginn des ersten Akts zwischen den Akteuren auf der Bühne hin und her und zeigt, dass die Menschen dem Willen von Glück, Tugend und Liebe unterliegen und jederzeit von einer Seite getroffen werden können. Ansonsten ist die Bühne leer: schwarze Wände umrahmen einen spiegelnden Boden als Zentrum der Handlung und die Darsteller schauen sich das Schauspiel von der Seite aus an, wie Zuschauer bei einer Theateraufführung. Die Kostüme sind elegant und klassisch-zeitlos, dabei werden die besonderen Charakterzüge der Figuren hervorgehoben: Amor erscheint beispielsweise im pinken Anzug mit blonder Jünglings-Perücke, Poppea als sinnliche Verführerin trägt seidene Reizwäsche und Ottavia als tugendhafte Ehefrau eine hochgeschlossene Bluse zum knöchellangen Rock.
Sänger und Orchester
Die Canzona in der Einleitung der Oper wird von George Petrou in einem mäßigen schreitenden Tempo dirigiert, was den majestätischen Klang des Orchesters sehr gut hervorhebt. Das Orchester spielt in der typisch-barocken Besetzung mit Cembalo, Barockharfe und Lauten, was für den authentischen Klang sorgt. Maria Koroleva (Fortuna/Drusilla) ist die einzige Sopranistin des Abends mit einem sehr reinen und hellen Timbre in der Stimme, daß sie – einem lyrischen Sopran gleich – wunderschön in der Höhe glänzen läßt. Leider singt sie zu Beginn sehr leise und wird vom Orchester übertönt, jedoch kann sie sich im Laufe des Abends steigern und ihr volles Stimmvolumen abrufen. Mehr Kraft hat die Stimme von Adriana Bastidas-Gamboa (Virtú/Ottavia): mit ihrem warmen, vollmundigen Sopran hat sie von allen weiblichen Stimmen die größte Stimmgewalt. Dabei läßt sie ihre Bruststimme oft zur Geltung kommen und akzentuiert ihre Verzweiflung über die Untreue ihres Mannes sehr eindringlich und mit einem sehr forcierten Gesang. Camille Poul (Amore/Valetto) kokettiert mit ihrer Stimme in der Rolle des Amor und legt sich besonders schauspielerisch sehr bemüht: sie betont mit ihrem warmen Timbre in der Stimme sehr inbrünstig, aber auch oft schrill und überspitzt, um ihrer Rolle als überdrehter Liebesgott gerecht zu werden. Elsa Benoit (Poppea) setzt dagegen eher auf ein kontrolliertes und sinnliches Schauspiel, indem sie Nerone gekonnt mit ihren weiblichen Reizen umgarnt und dabei ihren schimmernden Sopran verführerisch in der Höhe glänzen läßt; in den tieferen Tönen bringt ihre Stimme aber sehr viel Substanz und ein eindringliches Timbre mit. Eine absolute Überraschung im positiven Sinne ist der glockenklare Countertenor von Jake Arditti (Nerone). Schließt man die Augen, glaubt man fast, man hört eine Sopranistin singen: sein sehr helles Timbre in der Stimme setzt er technisch gekonnt in den hohen Spitzentönen ein und läßt es so scheppern, dass der ganze Saal vibriert. Dabei singt er seine Arien mit großer Leidenschaft was Dynamik und Rhythmik angeht und einem erstaunlich präzisen und festen Stimmeinsatz. Paul-Antoine Bénos-Dijan (Ottone) schlägt im Vergleich dazu eher leisere und feinere Töne an: sein Countertenor ist dunkler, reicht an einen Alt heran und bringt sehr viel Schmelz mit durch die liebliche Intonation im sotto voce und einen sehr legato gebundenen Gesang. John Heuzenroeder (Arnalta) bringt zwar nicht so ein besonderes Timbre in der Stimme mit wie seine Mitstreiter, dafür kann er technisch und schauspielerisch in seiner Rolle überzeugen: er bringt das Publikum mit vielen komödiantischen Einfällen beim Nachahmen der Amme zum lachen und setzt seinen scharfen, leicht kehlig klingenden Tenor sehr lautmalerisch ein. Christoph Seidl (Seneca) bringt in seiner Rolle als Philosoph ebenfalls eine solide Leistung: sein düsterer, tiefer Baß klingt zwar manches Mal etwas starr, dafür erreicht er ein sehr beachtliches Volumen in den ganz tiefen Tönen.
Fazit
So viel stimmliche Vielfalt erlebt man selten in einer Oper. Das Zusammenspiel von Orchester, Sängerinnen und Sängern und die Wahl des Bühnenbilds ergeben ein absolut harmonisches Gesamtbild. Ein großes Highlight ist neben der atemberaubenden Einzelleistung aller Sängerinnen und Sänger vor allem auch das letzte Duett von Elsa Benoit und Jake Arditti, was alle Vorzüge der Monteverdi-Musik auf den Punkt bringt. Publikumslieblinge sind neben Jake Arditti und Elsa Benoit auch John Heuzenroeder und Adriana Bastidas-Gamboa.
Melanie Joannidis
Bild: Matthias Jung
Das Bild zeigt: Adriana Bastidas-Gamboa (Virtú/Ottavia), Camille Poul (Amore/Valetto), Ensemble, Maria Koroleva (Fortuna/Drusilla), Jake Arditti (Nerone)