Tristan und Isolde – Kopenhagen, Die Königliche Oper

von Richard Wagner (1813 – 1883), Handlung in drei Aufzügen, Text vom Komponisten, UA: 10. Juni 1865 Hof- und Nationaltheater  München

Regie: Sofia Adrian Jupither, Bühnenbild: Erlend Birkeland, Kostüme: Maria Geber, Licht: Ellen Ruge, Choreographie: Katarina Sörenson

Dirigent: Paolo Carignani, Königlich dänische Hofkapelle

Chor der dänischen Hofoper, Leitung: Steven Moore

Solisten: Bryan Register (Tristan), Elisabet Strid (Isolde), Stephen Milling (König Marke), Hanne Fischer (Brangäne), Jens Søndergaard (Kurwenal), Niels Jørgen Riis (Melot), u.a.

Besuchte Aufführung: 18. Mai 2024 (Premiere)

Kurzinhalt

Tristan, der Held Kornwalls, und Isolde, Prinzessin von Irland, sind insgeheim füreinander in Liebe entflammt, obwohl er ihren Verlobten Morold getötet und ihr Vertrauen mißbraucht hat: Unter falschem Namen ließ Tristan seine Wunden, die er beim Kampf mit Morold erlitten hatte, von ihr heilen und kehrte danach zu ihr zurück, um sie seinem Onkel Marke, dem König von Kornwall, als Braut zuzuführen. Auf der Überfahrt von Irland beschließt Isolde, sich und Tristan mit einem giftigen Trank umzubringen. Brangäne, die Zofe Isoldes, verabreicht ihnen jedoch statt dessen einen Liebestrank, und nun können beide ihre Gefühle nicht länger verheimlichen. Ihre Liebe verstößt jedoch gegen Gesetz und Moral, und so beschließen sie, den Tod zu wählen. Tristan stürzt sich in das Schwert Melots, nachdem er sie im Morgengrauen gemeinsam mit Marke und seinem Hofstaat ertappt hat, und wird schwer verletzt. An seiner Wunde siechend erwartet er auf seiner Burg verzweifelt die Ankunft Isoldes, um den ersehnten Tod finden zu können. Als sie bei ihm eintrifft, stirbt er. Isolde wird in ihrem Schlußgesang verklärt. Der Vorhang fällt.

Aufführung

Die Bühne ist in allen Aufzügen dunkel und das Feld für die Aktionen begrenzt sich auf die Mitte und den vorderen Rand der Szene. Im ersten Aufzug wird das Schiff durch eine schwankende Plattform angedeutet, auf der die Sänger stehen, der Garten im zweiten Aufzug durch blühende Bäume und die Burg Tristans im dritten durch ein paar schwarze Steine. Neben dieser recht spartanischen Gestaltung kommt ein riesiger Stahlrahmen mit vielen Scheinwerfern zum Einsatz, der im letzten Aufzug beim Schlußgesang Isoldes eine lodernde Flamme andeutet. Die Kostüme sind stilisiert und erinnern entfernt an das Mittelalter oder die Renaissance. Zentrale Requisiten wie die Fackel, die Isolde zu Beginn des zweiten Aufzugs löscht, oder der Kasten mit den Tränken im ersten Aufzug sind zu sehen. Der Fokus dieser mit szenischen Effekten sparsam umgehenden Inszenierung liegt auf der Personenregie sowie der Plazierung und Gruppierung der Akteure auf der Bühne. Die Regieanweisungen des Textbuchs werden befolgt und am Ende wird durch die Beleuchtung Isolde aus den anderen Charakteren herausgelöst, die im Dunkel verschwinden. Das Spiel der Akteure ist eindringlich und physisch intensiv.

Sänger und Orchester

Paolo Carignani leitete die königliche Hofkapelle mit aller nur zu wünschenden Deutlichkeit. Die Tempi waren gut gewählt und die schimmernden Farben der Partitur kamen schön zum Tragen. Er bot eine solide musikalische Gestaltung ohne Extravaganzen. Bis auf die ersten Szenen des ersten Aufzugs, die stellenweise im Orchester etwas zu laut waren, und die Monologe Tristans im dritten befanden sich Orchester und Sänger in klanglicher Balance. Der Chor agierte und sang sicher und nuanciert.

Stephen Milling gab einen würdevollen König Marke. Er verfügt über eine akzentfreie, deutliche Aussprache und in allen Registern einen vollen, ausgeglichenen Ton, den er ausdrucksvoll abzuwandeln vermag. Auch in den stärker begleiteten Passagen stand seine Stimme stets über dem musikalischen Geschehen. Hanne Fischer (Brangäne) hat eine nicht minder warme Stimme und nahm ihre Partie nicht nur im zweiten Aufzug eher legato, was der Textverständlichkeit im ersten Aufzug etwas abträglich war. Ihr darstellendes Spiel im ersten Aufzug war ergreifend und ihre Stimme mischte sich schön in den Gesamtklang. Jens Søndergaard (Kurwenal) ist eine jugendliche, bewegliche Erscheinung und hatte überhaupt keine Schwierigkeiten mit der musikalischen Gestaltung. Bei ihm war jedes Wort gut zu verstehen. Schauspielerisch war er glänzend. Niels Jørgen Riis (Melot) gestaltete seine kleine Rolle mit Eleganz. Natürlich aber steht und fällt Tristan und Isolde mit den Sängern der beiden Titelrollen. Beide bewältigten ihre Partien recht unterschiedlich. Bryan Registers Interpretation des Tristan hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Er agiert mit Hingabe und schonte sich vor allem im letzten Aufzug bei der Verkörperung von Tristans Qualen nicht. Allerdings war seine sängerische Leistung unausgeglichen. Im ersten Aufzug machte sich eine Brüchigkeit seiner Stimme bemerkbar, dergestalt, daß die lauten, hohen Töne sauber und kraftvoll klangen, aber diejenigen Passagen, die er mit halber Stimme sang, tremolierten bzw. es ihm nicht gelang, einen Formanten auszubilden, den es nun einmal braucht, um durch das Orchester hindurch hörbar zu werden. Im zweiten Aufzug, bei den kantablen Passagen und eher getragenen Zwiegesängen, schien dann alles wieder in Ordnung. Doch im dritten Aufzug, bei den dynamisch wild schwankenden Fiebermonologen, brach ihm einige Male die Stimme und fehlte die Spitze in der Höhe, so daß das Orchester ihn häufig übertönte. Mochte man das noch zu Beginn als ein expressives Mittel des Sängers verstehen, wurde zum Ende hin klar, daß er mit handfesten stimmlichen Problemen zu kämpfen hatte. Bleibt zu hoffen, daß es sich hierbei lediglich um eine Indisposition und nicht um einen permanenten Verschleiß handelt. Ganz anders hingegen die Leistung von Elisabet Strid (Isolde), bei der wirklich alles stimmte. Sie hat eine umwerfende szenische Präsenz und ging mimisch-gestisch in jedem Moment vollkommen in ihrer Rolle auf. Ihr Gesang ist hervorragend durchgestaltet und ihr stehen viele Nuancen zur Verfügung. Sie hat eine schlackenfreie, metallische Höhe, kann aber ihren Stimmklang für einen dramatischen Sopran ungewöhnlich stark modifizieren. So nahm sie ein paar Verse in ihren ironischen Ausführungen im ersten Aufzug etwas zu tief und vibratofrei, was ihnen einen sprecherischen Charakter verlieh, sang einige Passagen schon fast deklamierend, war aber jederzeit in der Lage, in einen unangestrengten, hell strahlenden Ton zurückzuschalten. Diese klangliche Flexibilität macht ihren Vortrag abwechslungsreich und lebendig. Ihr Schlußgesang war makellos und frei von Effekthascherei.

Fazit

Das Publikum erhob sich beim Schlußapplaus nach einer berührenden und musikalisch über weite Strecken großartigen Premierenaufführung. Elisabet Strid, Stephen Milling und Jens Søndergaard wurden völlig zu Recht am stärksten bejubelt. Der Eindruck blieb, daß wir an diesem Abend eine weitere schwedische Sopranistin erleben durften, deren stimmliche Fähigkeiten nun auf ihrem Höhepunkt angelangt sind und die mit dieser Partie ihren Eintritt in die exklusive Schar der großen Wagner-Heroinen vollzog. Vor ihr dürfte, wenn alles gut geht, eine glänzende Karriere liegen. Die Inszenierung stellte sich in den Dienst der Sache und ließ den Sängern den nötigen darstellerischen Freiraum. Insgesamt ist das Bühnenbild vielleicht jedoch etwas zu kammerspielartig, um auf dieser großen Szene zu überwältigen, was hingegen den Musikern rundum gelang.

Dr. Martin Knust

Bild:Miklos Szabo

Das Bild zeigt: Bryan Register (Tristan), Elisabet Strid (Isolde)

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