Elektra – Köln, Oper

Richard Strauss (1864-1949) Oper in einem Aufzug, Libretto: Hugo von Hofmannsthal, UA: : 25. Januar 1909, Dresden

Regie: Roland Schwab, Bühne: Piero Vinciguerra, Kostüme: Gabriele Rupprecht, Licht: Andreas Grüter

Dirigent: Felix Bender, Gürzenich-Orchester Köln

Solisten: Lioba Braun (Klytämnestra), Allison Oakes (Elektra), Astrid Kessler (Chrysothemis), Martin Koch (Aegisth), Insik Choi (Orest), Lucas Singer (Pfleger des Orest)

Besuchte Aufführung: 06. Oktober 2024 (Premiere)

Kurzinhalt

Klytämnestra und Aegisth herrschen gemeinsam über Mykene. Elektra ist währenddessen verzweifelt über den Mord an ihrem Vater Agamemnon durch die eigene Mutter und ihren Geliebten und sinnt nach Rache. Elektras Schwester Chrysothemis erfährt, daß der verschollene Bruder Orest verstorben sei. Elektra versucht, ihre Schwester dazu zu überreden, die Mutter im Schlaf zu töten. Diese lehnt aber ab. Bevor Elektra selbst die blutige Tat ausführen kann, begegnet ihr der totgeglaubte Bruder Orest vor den Toren des Palasts. Sie klagt ihm ihr Schicksal, woraufhin dieser Klytämnestra im Schlaf umbringt und auch den zur Hilfe eilenden Aegisth erschlägt. Anhänger Agamemnons metzeln die Gefolgschaft Klytämnestras und Aegisths ab. Elektra ereifert sich in Ekstase so sehr, bis sie zusammenbricht.

Aufführung

Die Bühne zeigt einen Wald aus rechteckigen schwarzen Säulen, die mit länglichen schmalen Lichtröhren versehen sind. Durch den Einsatz von Lichteffekten entstehen unterschiedliche Stimmungen auf der Bühne, vorwiegend in düsteren Tönen. Die Kostüme sind keinem besonderen Stil zuzuordnen und wirken archaisch: Elektra trägt ein schwarzes Kleid mit einem weißen N als Aufschrift (N steht für Nemesis, in der griechischen Mythologie die Göttin der Rache) und wirkt dadurch wie eine wilde Furie, während ihre Schwester Chrysothemis in einem weißen Tüllkleid aus glänzendem Stoff, die unschuldige, reine Jungfrau verkörpert. Klytämnestra trägt divenhaft ein pink farbiges, seidenes Kleid mit einer langen Schleppe und ist (als alternde Greisin) auf einen Gehstock gestützt. Insgesamt ist die Inszenierung sehr düster, blutrünstig und zeigt viele horrorfilmartige Szenen. Beispielsweise erscheint Klytämnestra wie eine Hexe mit mehreren Sklaven im Schlepptau, die an Ketten festhängen und ihre Gesichter zu schreienden Fratzen verziehen. Das Schlußbild zeigt blutüberströmte Leichen, die an eine Zombie-Apokalypse erinnern – auch Orest schlitzt sich zuletzt mit einem Messer die Kehle auf der Bühne auf.

Sänger und Orchester

Da es zu der Oper keine Ouvertüre gibt, wird ein “Vorspiel” ohne Musik geboten, in dem man flüsternde Stimmen hört, die unter anderem “Der Tod ist die Erlösung” hauchen und ahnungsvoll auf den Abend einstimmen. Allison Oakes (Elektra) ist von der ersten Minute an, voll in der Rolle der Rache lustigen und kämpferischen Tochter des Agamemnon präsent. Mit einem warmen, sehr eindringlichen Timbre in der Stimme singt sie sehr klar und gut akzentuiert. In der Höhe entfaltet sie ein unfaßbar pralles Volumen. Während sie den Tod ihres Vaters anschaulich beschreibt hält sie sich links und rechts an zwei Seilen gespannt fest, was ihre innere Zerrissenheit gut verbildlicht. Dabei starrt sie mit einem stählernen Blick in die Weite und beschmiert sich mit Blut im Gesicht. Kontrastprogramm dazu ist ihre Schwester Chrysothemis, die Astrid Kessler mit einem dunkleren Timbre in der Stimme, dafür aber einem etwas zarteren und schlankeren Sopran singt. Bei ihr klingen die Töne sehr weich intoniert, sodaß sie das Mädchenhafte ihrer Rolle gut verkörpern kann. Dabei schaut sie mit einem ängstlichen Blick über die Bühne und singt verzweifelt über die Sehnsucht danach, Mutter und Ehefrau zu sein. Lioba Braun (Klytämnestra) vervollständigt das Frauen-Trio mit einem dunklen Mezzo, der fast schon wie ein Alt klingt, mit sehr viel Bruststimme und bewußt gesetzten Stimmbrüchen beim Wechsel in die Kopfstimme. Dadurch betont sie die Königin als alternde Greisin mit brüchiger Stimme und geschwächt – auch indem sie sich ständig auf ihren Gehstock oder ihre Vertrauten stützt. Besonders hervorzuheben ist aber ihr Schauspiel: mit einem schallenden Lachen zum Ende ihres Auftritts markiert sie ihre Rolle als bösartige Hexe. Die Männerstimmen sind in der Strauss-Oper durch die eher kurzen Auftritte nur Nebensache, trotzdem sei Insik Choi (Orest) mit seinem schallenden Bariton erwähnt, den er besonders nach Entschluß des Mordes an der Mutter mit den Worten “Ich will es tun” scheppern läßt. Dabei zeigt er aber anhand seiner verkniffenen Mimik und nicht zuletzt des Selbstmords am Ende, dass er sich an dieser Entscheidung zerbricht. Absolut hervorragend leitet Felix Bender das Orchester, was in der Strauss-Oper eine große Eigenständigkeit einnimmt, durch den gesamten Abend und legt dabei sehr viel Wert auf die dynamische Entwicklung von Lautstärken, durch sehr große Crescendi- und Decrescendi-Bögen. Ebenso wuchtig und pompös dirigiert er die Bläser, was zu einem dramatischen Klang führt, der fast schon an Filmmusik erinnert. Die Synchronität von Orchester und Gesang ist durch sein akkurates Dirigat jederzeit gegeben, was eine große Leistung ist, wenn man bedenkt, dass das Orchester in diesem Fall links von der Bühne platziert ist.

Fazit

Ein stimmgewaltiger Blutrausch mit epischen Bildern, Drama pur von der ersten bis zur letzten Minute und ein absolut hervorragender Orchesterklang in Vollbesetzung. Mehr kann man sich für eine Strauss-Oper nicht wünschen! Der gesamte Saal steht am Ende und applaudiert ganz besonders Allison Oakes, Astrid Kessler und dem Orchester für diese Glanzleistung. Ein grandioser Start in die neue Saison!

Melanie Joannidis

Bild: Matthias Jung

Das Bild zeigt: Allison Oakes

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