Giovanna d‘Arco – Malmö, Oper

von Giuseppe Verdi (1813–1901), Oper in einem Prolog und drei Akten, Libretto von Temistocle Solera, UA: 15. Februar 1845 Mailand

Regie: Philipp M. Krenn, Szenographie, Kostüm- und Maskendesign: Leslie Travers, Licht: Alessandro Careletti, Video: Douglas O’Connell

Dirigent: Daniela Musca, Orchester und Chor der Oper Malmö, Chorleitung: Elena Mitrevska

Solisten: Ania Jeruc (Giovanna), Bror Magnus Tødenes (Carlo), Fredrik Zetterström (Giacomo), Gustav Johansson (Talbot), Tor Lind (Delil)

Besuchte Aufführung: 12. Oktober 2024 (nordeuropäische Erstaufführung)

Kurzinhalt

Der französische Kronprinz Carlo befindet sich in einer verzweifelten Situation: Die Engländer drohen Orléans einzunehmen und damit ganz Frankreich zu erobern. Er hat eine Vision, in dem ihm eine Statue der Jungfrau Maria vor einer Eiche befiehlt, Schwert und Helm abzulegen. Tatsächlich, so wird ihm berichtet, soll sich in einem Wald in der Nähe, der von Dämonen und Hexen bevölkert wird, eine Statue Marias befinden, und er begibt sich dorthin. Im Wald befinden sich der Schäfer Giacomo und seine schlafende Tochter Giovanna. Giacomo befürchtet, sie habe einen Bund mit dem Teufel geschlossen. Giovanna hört innere Stimmen von Engeln und Dämonen. Die Engel ermahnen sie, ihre Unschuld zu bewahren wohingegen die Dämonen sie auffordern, ihre Jugend zu genießen. Als sie Schwert und Helm Carlos findet, sieht sie darin ein göttliches Zeichen, gegen die Engländer in den Kampf zu ziehen und fordert den Kronprinzen auf, ihr zu folgen. Nach dem Sieg der französischen Truppen begibt sich Giacomo zu den Engländern und berichtet ihnen, daß seine Tochter eine Hexe sei. Carlo gesteht ihr unterdessen seine Liebe und fordert sie auf, seiner Krönung in Reims beizuwohnen. Dadurch bringt er sie in Versuchung und der Chor der Dämonen triumphiert. In Reims wird die Krönung feierlich begangen bis Giacomo hervortritt und Giovanna der Ketzerei bezichtigt. Ihr Schweigen, das sie sich selbst auferlegt hat, wird als Zeichen ihrer Schuld gedeutet und man liefert sie den Engländern aus. Im englischen Lager besucht Giacomo die Gefangene und findet sie im inbrünstigen Gebet. Er erkennt seinen Irrtum und befreit sie. Giovanna stürzt sich sogleich auf das Schlachtfeld und rettet Carlo das Leben, wird dabei aber selbst schwer verwundet. Kurz bevor sie stirbt, verzeiht sie ihrem Vater. Der Himmel öffnet sich und die Jungfrau Maria ruft Giovanna zu sich.

Aufführung

Die Bühne ist leer und bis auf Schild, Helm und Schwert Giovannas und eine große Bettdecke, in die Carlo sie im zweiten Akt wickelt, frei von Requisiten. Der Anfang des Prologs findet im Dunkeln statt. Als Giovanna zum ersten Mal erscheint öffnet sich der Blick auf den Bühnenhintergrund, der eine spektakuläre Gebirgslandschaft zeigt, die im Laufe des Abends in unterschiedlichen Farben beleuchtet wird. Noch ein weiteres spektakuläres Szenenelement gibt es, nämlich eine Spiegelung Giovannas an der Bühnendecke, wo die Akrobatin Andrea Hilario über Kopf auf- und abschreitet. Am Ende der Oper berührt Giovanna ihr Spiegelbild zum ersten Mal und stirbt. Die ersten beiden Akte sind von den Kostümen und der Beleuchtung her dunkel und farblos, wohingegen die Krönung in Reims eine regelrechte Farbenorgie ist: Die Choristen sind bunt angemalt und gekleidet und ziehen an farbigen Bändern, die von der Decke hängen. Als Giacomo Giovanna vor dem Volk anklagt, zerreißen sie die Bänder und bewerfen sie mit den Fetzen. Ausschließlich Giovanna hat ein komplett weißes Kostüm. Als das Volk sich von ihr abwendet, dreht sich die Gebirgslandschaft im Hintergrund und bleibt bis zum Ende über Kopf stehen.

Sänger und Orchester

Daniela Musca leitete Orchester, Chor und Solisten mit sicherer Hand. Die Wahl der Tempi war ausgesprochen sängerfreundlich, der Gesamtklang ohne Schärfen und die rhythmische Koordination zwischen allen lief reibungslos. Durch starke dynamische Zurücknahmen, etwa in Giovannas Sterbeszene, schuf die Dirigentin Intensität und Konzentration auf das szenisch-musikalische Geschehen. Alle drei Hauptpartien waren mit exzellenten Sängern besetzt. Ania Jeruc hat die Titelrolle, die darstellerisch und sängerisch schwer zu gestalten ist. Sie hat den ständigen inneren Kampf ihrer Figur zu verkörpern und dazu jede Menge Koloraturen und hohe, leise Figurationen zu singen, gleichzeitig heroisch und zurückhaltend-bescheiden zu sein. Neben einer leicht laufenden, ausgeglichenen Stimme von beeindruckender dynamischer Bandbreite, einer makellosen Technik und Deutlichkeit im Vortrag verfügt sie über die nötige szenische Präsenz, um ihren anspruchsvollen Part souverän zu meistern. Bror Magnus Tødenes (Carlo) ist ein beweglicher Tenor mit einem fast schon idealtypischen Belcanto Klang. Seine Figurationen artikulierte er akkurat und seinen leichten, an den geeigneten Stellen bisweilen schluchzenden Ansatz nutzte er stilsicher und nuanciert als Ausdrucksmittel. Trotz seiner langen, anspruchsvollen Passagen zeigte seine Stimme keine Spur von Ermüdung, und sein Spiel war durchweg engagiert. Wie Ania Jeruc ist er in der Lage, auch hohe Passagen kauernd oder im Liegen ohne klangliche Abstriche auszuführen. Fredrik Zetterström (Giacomo) hat eine beeindruckende Stimme. Sein voller Bariton verliert auch an den lauten, energischen Stellen nicht seine Wärme und bleibt klanglich ausgeglichen. Viele lange Bögen und lange Töne gibt es in seiner Partie, die sie zu einem veritablen Kraftakt machen. Alle drei Sänger verfügen über einen schlackenfreien Stimmklang, intonieren in ihren A-Cappella-Passagen blitzsauber und lieferten den ganzen Abend hinweg nicht einen einzigen prekären Ton ab. Sehr gut aufeinander abgestimmt waren die kompositorisch gediegenen Duett- und Terzett-Abschnitte. Die kurze Partie des Delil wurde gut von Tor Lind gesungen, die des Talbot von Gustav Johansson, dem es trotz einer beeindruckenden szenischen Erscheinung am nötigen stimmlichen Volumen fehlt. Der Chor hat sowohl auf als auch hinter der Szene zu singen. Nach einem von der Aussprache her undeutlichen Beginn im Prolog verbesserte sich seine Aussprache schlagartig. Insgesamt war die Lautstärke der Chöre eher verhalten, was dem Gesang der Solisten größeres Gewicht verlieh, wie auch die abgesenkte Decke für einen schön in den Zuschauerraum abstrahlenden Klang sorgte. Überhaupt machte sich die Regie die außergewöhnlich niedrige und breite Bühne der Oper Malmö geschickt zunutze, etwa, indem die drei Solisten in den Terzetten weit entfernt voneinander plaziert wurden, was es leicht machte, dem Vortrag eines jeden von ihnen separat zu folgen.

Fazit

Verdis selten zu hörende Oper wird in Malmö mit erstklassigen Solisten in einer visuell ansprechenden Inszenierung dargeboten. Die spartanische Ausstattung rückt sowohl das Spiel der Akteure als auch ihren Gesang in den Vordergrund und die auf das Wesentliche reduzierte Personenregie schafft eine Erzählung, die von der originalen Handlung abstrahiert, sie aber nicht überschreibt oder gar konterkariert. Das Publikum feierte alle Beteiligten vollkommen zu Recht für eine rundum gelungene, spannungsgeladene Produktion.

Dr. Martin Knust

Bild: Jonas Persson

Das Bild zeigt: Ania Jeruc (Giovanna), Bror Magnus Tødenes (Carlo), Andrea Hilario (Akrobat)

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