von Giuseppe Verdi (1813-1901) Dramma lirico in vier Teilen, Libretto: Temistocle Solera, UA: 9. März 1842, Mailand, Teatro alla Scala
Regie und Bühne: Ben Baur, Kostüme: Julia Katharina Berndt, Choreographie: Rachele Pedrocchi
Dirigent: Sesto Quatrini und das Gürzenich-Orchester Köln
Solisten: Ernesto Petti (Nabucco), Young Woo Kim (Ismaele), Evgeny Stavinsky (Zaccaria), Marta Torbidoni (Abigaille), Aya Wakizono (Fenena)
Besuchte Aufführung: 1. Dezember 2024 (Premiere)
Der babylonische König Nabucco hat die Hebräer besiegt. Seine Tochter Fenena ist verliebt in den Hebräer Ismaele und will mit ihm durchbrennen. Abigaille, die erstgeborene Tochter, ist eifersüchtig auf ihre Schwester, da sie ebenfalls in Ismaele verliebt ist und ihr Vater Fenena bevorzugt. Nabucco nimmt in seiner Überheblichkeit die Hebräer gefangen und betitelt sich als ihr Gott. In diesem Moment wird er vom Blitz getroffen und verliert den Verstand. Abigaille reißt die Krone an sich, nimmt den Vater gefangen und plant ein Todesurteil für alle Hebräer, inklusive Fenena. Erst als ihr Vater den Gott der Juden um Verzeihung bittet und von ihm seinen Verstand zurückerlangt, sieht sie ihr Fehlverhalten ein. Sie vergiftet sich und bittet Jehovah sterbend um Vergebung. Nabucco preist zusammen mit dem Volk Israels und ihrem Hohepriester Zaccaria Gott und die wiedergewonnene Freiheit.
Aufführung
Die Bühne ist sehr karg und wird lediglich von Stahl- und Betonträgern an der Seite verziert. Der Rest der Bühne bleibt kahl, da der Platz für das immens große Ensemble (Chor und Sänger) benötigt wird. Die Kostüme sind keiner spezifischen Zeitepoche zuzuordnen, aber eher modern und in dezenten Farben gehalten. Ernesto Petti erscheint im Geschäftsmann-Outfit mit schwarzem Anzug, weißem Hemd und zurückgelegten Haaren, als König ist er lediglich durch ein goldenes “Metallstirnband” und Brustpanzer erkennbar. Marta Torbidoni als Abigaille trägt ein Satinkleid mit Ledermantel in schwarz. Die Hebräer erscheinen in abgenutzter Alltagskleidung. Die Inszenierung geht sehr frei mit dem Libretto um: Auf religiöse Symbole wird trotz des biblischen Stoffes komplett verzichtet, zwischen dem Umbau der Bühne wird ein Gedicht von Ingeborg Bachmann vorgetragen und Nabucco eher als ein von Hybris und Macht zerfressener Diktator stilisiert. Der geänderte Schluß verwandelt das Dramma lirico nahezu in eine griechische Tragödie: nicht nur Abigaile trinkt Gift und stürzt zu Boden, sondern Fenena und Nabucco gleich mit.
Sänger und Orchester
Von Beginn an dirigiert Sesto Quatrini das Gürzenich-Orchester mit sehr strengen und akkuraten Gesten, um auch in den lauten und schnellen Läufen gut zu kontrollieren und die Instrumente auszutarieren. Dabei klingen in der Ouvertüre die lebhaften schnellen Tempi deutlich flüssiger als die leiseren tragischen Töne, wo es etwas an Schmelz und legato fehlt. Der Zusammenklang mit dem immens großen Chor ist von Anfang an einer der Höhepunkte des Abends. Sowohl Männer-, als auch Frauenstimmen entfalten ein prächtiges Volumen, können sich aber auch an den entsprechenden Stellen zurücknehmen und zart und andächtig singen. Insgesamt besticht der Chor durch die rhythmische Genauigkeit und die großen dynamischen Crescendi-Bögen, besonders in dem bekannten Stück Va pensiero – Flieg Gedanke, und baut vom piano zum fortissimo eine großartige Spannung auf. Evgeny Stavinsky (Zaccaria) verfügt über einen mächtigen, donnernden Baß und singt mit sehr viel Bruststimme und sehr kraftvoll. Dabei betont er den standhaften Hohepriester durch ein sehr ruhiges, unaufgeregtes Schauspiel. Young Wo Kim (Ismaele) zeigt hingegen sehr viel Theatralik in seiner verzweifelten Liebe zu Fenena, schmeißt sich auf den Boden, reißt die Augen weit auf und legt sich mit seinem hell gefärbten, schmetternden Tenor voll in jeden einzelnen Ton. Absolutes Highlight unter den Männerstimmen ist Ernesto Petti (Nabucco), der mit seiner verbissenen Miene und dominanten Körperhaltung von Anfang an als Herrscher präsent ist. Sein Bariton hat ein warmes, schmelzendes Timbre, dass er besonders im zweiten Aufzug in der Phrase “non piu son ré, son dió – ich bin kein König mehr, ich bin Gott” strahlend zur Geltung bringt, dabei aber auch den Zusammenbruch und die leisen Töne in einem wunderschönen sotto voce hauchen kann. Unangefochtener Star des Abends ist allerdings Marta Torbidoni (Abigaille), die sich mit ihrem glockenklaren, hellen Sopran technisch fehlerfrei und intonationssicher durch den gesamten Abend singt und alle Register zieht. Sie verfügt über eine ausgesprochen markante Mimik, sodaß ihr schon am Funkeln ihrer Augen der Haß und die Rachsucht gegenüber der eigenen Familie anzuerkennen ist. Dabei brilliert sie in den Spitzentönen durch ein strahlendes und reines Volumen und beherrscht auch die Koloraturen in den schnellen Partien rhythmisch einwandfrei. Dagegen kann Aya Wakizono (Fenena) im Vergleich kaum mithalten. Sie verfügt zwar über einen warmen und lyrischen Sopran, den sie besonders in den leisen Tönen sehr anmutig und sanft schimmern lassen kann, reicht aber bei weitem nicht an das technisch und schauspielerisch hohe Niveau ihrer Mitsängerin heran.
Fazit
In der Inhaltsangabe auf der Website der Kölner Oper liest man: “an dieser Oper ist alles groß (…)”. Und das stimmt: aber leider spiegelt das die Inszenierung in dem zu kleinen Staatensaal nicht wider. Das Bühnenbild ist sehr spartanisch, die Kostüme zu zurückhaltend. Fehlende Symbole des biblischen Stoffes machen es hier und da schwer, die Handlung noch nachzuvollziehen. Das tragische Ende mit gleich drei Toten macht die Oper zu einer recht düsteren und wenig versöhnlichen Veranstaltung und verdreht die eigentliche Botschaft des Librettos. Zum Glück kann die musikalische Leistung vollends überzeugen und den Abend retten. Großen Applaus gibt es allen voran für den Chor, Marta Torbidoni und Ernesto Petti, vereinzelte Buhrufe für Regie, Bühne und Kostüme.
Melanie Joannidis
Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt: Chor der Oper Köln