von Hector Berlioz (1803 – 1869), Opéra-comique, Text vom Komponisten nach Shakespeares Wie es euch gefällt; deutsche Dialogfassung von Nina Maria Metzger, UA: 9. August 1862 Baden-Baden
Regie: Susanne Lietzow, Bühne: Aurel Lenfert, Kostüme: Jasna Bošnjak, Dramaturgie: Caroline Scheidegger, Licht: Norman Plathe-Narr, Video: Petra Zöpnek
Dirigent: Stefan Klingele, Bremer Philharmoniker, Opernchor des Theater Bremen, Chorleitung: Karl Bernewitz
Solisten: Ulrike Mayer (Gesangsrolle Béatrice), Mirjam Rast (Sprechrolle Béatrice), Oliver Sewell (Gesangsrolle Bénédict), Christian Freund (Sprechrolle Bénédict), Elisa Birkenheier (Héro), Arvid Fagerfjäll (Claudio), Jasin Rammal-Rykała (Don Pédro), Nathalie Mittelbach (Ursula), Judith Goldberg (Sprechrolle Léonata)
Besuchte Aufführung: 9. Februar 2025 (Premiere)
Kurzinhalt
Don Pédro kehrt siegreich aus dem Krieg zurück und wird von dem Gouverneur Léonato triumphal empfangen. Héro, seine Nichte, ist in den Adjutanten Don Pédros Claudio, verliebt und beide sollen noch am selben Tag heiraten. Die drei beschließen, sich mit Béatrice und Bénédict, die sich anscheinend gegenseitig verabscheuen und niemals zu heiraten gedenken, einen Spaß zu erlauben: Sie machen beide glauben, der bzw. die andere sei in Wahrheit in sie verliebt. Die beiden beginnen, ihre scheinbare Abneigung zueinander zu überdenken. Als das Brautpaar festlich getraut wird, finden Béatrice und Bénédict die Zeit, miteinander zu sprechen, und gehen daraufhin kurzerhand gemeinsam mit Héro und Claudio den Bund fürs Leben ein.
Die Fassung, die im Bremer Theater zu sehen war, war mehr oder weniger lose an die originale Vorlage angelehnt und nahm einige Änderungen an der Handlung vor. Beispielsweise ist die Gouverneurin Léonata eine Frau und am Ende der Oper knüpft Don Pédro überraschend mit ihr zarte Bande, während Héro und Claudio beschließen, ihre Hochzeit aufzuschieben und sich erst einmal näher kennenzulernen. Die beiden Titelrollen werden von jeweils zwei Darstellern gespielt und ein eine Gesangs- und eine Sprechrolle aufgeteilt. Das ergibt insofern Sinn, als es sich hier um eine Opéra-comique handelt, die wie ein Singspiel gesprochene Dialoge vorsieht. Neben den Veränderungen der Handlung sieht die Dialogfassung auch einige weitere Scherze vor, die im Original nicht vorkommen. So hat etwa der Dirigent den Orchestergraben zu verlassen, um den Chor, der zu früh seine tariflich vereinbarte Pause angetreten hat, für den Hochzeitschor zusammenzutrommeln. Wie er bemerkt, „ist alles in Bremen etwas kompliziert“. Er erklärt auf Nachfrage von der Bühne auch die komplizierte Struktur der Doppelfuge des Hochzeitschores, bittet das Publikum um Unterstützung, damit der Chor seinen Part singt, und wirft einige gesprochene Bemerkungen ein. Das Bühnenbild ist quietschig-bunt und wird von Flamingos, Choristen mit rosa Perücken und riesigen Gewächsen bevölkert. Zusätzlich gibt es Videoprojektionen im Hintergrund. Wie es sich für eine komische Oper gehört, jagen sich die Gags und Aktionen in schneller Folge.
Sänger und Orchester
Elisa Birkenheier (Héro) setzt mit der ersten Sologesangsnummer gewissermaßen den Ton für diesen Abend. Nach einem gesprochenen Dialog setzt sie zu ihrer halsbrecherischen Koloraturarie „Je vais le voir“ an, die sie mit Leichtigkeit und Präzision vorträgt, während sie auf einem großen Flamingo sitzt. Schnelle Wortwechsel, unerwartete Wendungen, karikierende Kostüme und sauber gestaltete Gesang der rhythmisch oft anspruchsvollen Partien zeichneten die Leistungen von Sängern und Choristen aus. Oliver Sewell (Gesangsrolle Bénédict) sang mit schlanker Tonbildung, die Sprechrolle des Bénédict, die Christian Freund mit gutem Gespür für Timing vortrug, ergänzte den Gesangspart mit bissigen Kommentaren und gab der Rolle so mehr Charakter und Tiefe. Wie die beiden Darstellerinnen sind die beiden Bénédicts gleich gekleidet und die Sprechrollen sind in ihren Aktionen schneller und beweglicher als die Sänger. Freunds und Mirjam Rasts (Sprechrolle Béatrice) Kampfsportaktionen im ersten Akt entbehrten nicht eines akrobatischen Moments. Rast wechselt zwischen deutschen und französischen Repliken. Sie spielt ihren Part sehr beweglich während Ulrike Mayer (Gesangsrolle Béatrice) ihre Rolle eher ruhig und introvertiert verkörperte. Ihr Sopran ist im Gegensatz zu Birkenheiers wesentlich dunkler timbriert und schwerer in der Tongebung. Nathalie Mittelbachs Partie der Ursula beschränkt sich im wesentlichen auf ihre Duette mit der Partie der Héro in denen sich ihre Stimme gut mit Birkenheiers mischt bzw. auf die stimmlich ebenso ausgewogenen Frauenstimmenensembles. Jasin Rammal-Rykała (Don Pédro) mischt in seine Sprechpartie polnische Wörter und Verse, die von Freund übersetzt werden. Er blieb stimmlich etwas blaß. Von den beiden tiefen Männerpartien war Arvid Fagerfjäll (Claudio) gesanglich am besten besetzt. Er hat eine angenehm volle und über die Register hinweg ausgeglichene Stimme. Judith Goldberg (Sprechrolle Léonata) hat am Ende ihren großen Auftritt mit einer Tirade, als ihre Nichte die Hochzeit verweigert. Stefan Klingele leitete die Bremer Philharmoniker sicher durch die anspruchsvolle, rhythmisch und melodisch nicht immer eingängige Partitur des ganz späten Berlioz, dessen musikalisches Idiom sich durch einen gewissen kapriziösen Zug auszeichnet. So vermag beispielsweise die Ouvertüre mit ihren unvermittelt nebeneinander gestellten kontrastierenden Abschnitten zu überraschen. Die Sänger kamen mit den Tempi gut zurecht.
Fazit
Mit ihren Änderungen an der Handlung ist diese Inszenierung vielleicht nichts für Puristen. Sie hat jedoch unbestreitbar ihren Charme und die Dialogfassung imitiert auf ihre Weise die mitunter wuselige Musik Berlioz‘, die nicht selten unerwartet abbiegt. Die langen Solo- und Ensemblenummern werden mit pantomimischen Aktionen angereichert, so daß sich ein stetiger Fluß der Bilder und Handlung ergibt. Die Musiker und Darsteller agieren und spielen ihre Parts mitreißend und das Gesamtresultat ist wirklich unterhaltsam und bleibt trotz seiner Vertiefung der im Original doch recht schablonenhaften Figurenentwicklungen immer angenehm unbeschwert. Das Premierenpublikum hatte auf jeden Fall seine Freude. In diesen dunklen Wintertagen ist eine solche schön anzusehende und flott gespielte Produktion im Grunde genau das, was man benötigt. Es erwartet Sie hier eine kurzweilige musikalisch-szenische Glanznummer.
Dr. Martin Knust
Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt: Nathalie Mittelbach (Ursula), Elisa Birkenheier (Héro)