Die Meistersinger von Nürnberg – Kopenhagen, Königliche Oper

von Richard Wagner (1813–1883), Oper in drei Aufzügen, Libretto vom Komponisten, UA: 21. Juni 1868 München, Nationaltheater

Regie: Laurent Pelly, Wiederaufnahmeregisseur: Luc Birraux, Bühnenbild: Caroline Ginet, Kostümdesign: Laurent Pelly und Jean-Jacques Delmotte, Lichtdesign: Urs Schönebaum

Dirigent: Axel Kober, Königlich dänische Hofkapelle

Chor der dänischen Hofoper, Leitung: Alessandro Zuppardo

Solisten: Johan Reuter (Hans Sachs), Jens-Erik Aasbø (Veit Pogner), Tom Erik Lie (Sixtus Beckmesser), Jens Søndergaard (Fritz Kothner), Magnus Vigilius (Walther von Stolzing), Jacob Skov Andersen (David), Jessica Muirhead (Eva), Hanne Fischer (Magdalena), u.v.a.

Besuchte Aufführung: 16. März 2025 (Premiere)

Kurzinhalt

Veit Pogner, ein Nürnberger Meistersinger, verspricht dem Gewinner eines Gesangswettbewerbs, der am Johannistag stattfindet und dessen Teilnehmer ebenfalls Meistersinger sein müssen, seine Tochter Eva zur Frau. Aussichtsreichster Kandidat ist der Stadtschreiber Sixtus Beckmesser. Eva hat sich jedoch bereits in den Junker Walther von Stolzing verliebt, der völlig unvorbereitet versucht, durch ein Vorsingen als Meistersinger aufgenommen zu werden. Da er die Regeln nicht kennt, wird nichts daraus. Dem Schuster und Meistersinger Hans Sachs bleibt sein Probelied jedoch in Erinnerung. Die Nacht bricht herein und Walther und Eva beschließen, gemeinsam zu fliehen. Sachs, der die beiden mit Sorge beobachtet, beginnt lautstark vor seiner Werkstatt zu arbeiten und zwingt sie so, in ihrem Versteck zu bleiben. Als auch noch Beckmesser erscheint, um Eva ein Ständchen zu singen, nutzt Sachs die Gelegenheit, um ihm die zahlreichen musikalischen Fehler in seinem Lied zu zeigen. Der Lehrling David kommt hinzu und beginnt mit Beckmesser eine Schlägerei, weil der statt Eva versehentlich deren Amme Magdalena seine Serenade darbietet. Allgemeines Chaos bricht aus, das erst von der Ankunft des Nachtwächters beendet wird. Eva und Walther werden getrennt und Sachs zieht den Junker zu sich in die Werkstatt, wo er die Nacht verbringt. Am nächsten Morgen berichtet er Sachs singend von seinem Traum. Das Lied beeindruckt Sachs, der es niederschreibt und auf dem Tisch liegen läßt. Dort entdeckt es Beckmesser, der Sachs zur Rede stellt, ob er denn auch als Werber teilzunehmen gedenke. Sachs verneint und beschließt, eine List anzuwenden. Er schenkt Beckmesser das Lied mit dem Hinweis, es sei schwer auszuführen. Die Zünfte und Meistersinger versammeln sich auf der Festwiese. Beckmesser scheitert mit seiner Darbietung des Liedes und klagt Sachs an, ihm mit dem unausführbaren Stück eine Falle gestellt zu haben. Der behauptet, es sei ein gutes Lied, wenn es denn von seinem Schöpfer vorgetragen werde und bittet Walther als Zeugen auf das Podium. Seine Darbietung des Liedes bezaubert alle, ihm wird der Preis – Evas Hand – und der Rang eines Meisters angeboten, den er doch erst nach einer Ermahnung Sachs‘ annimmt.


Aufführung

Diese Gemeinschaftsproduktion mit dem Teatro Real in Madrid findet in einer Art großer, auseinanderfallender Fabrikhalle statt. In der Bühnenmitte befinden sich riesige Paletten, das verwinkelte Nürnberg wird im zweiten Aufzug mit Häusern aus Karton angedeutet, die während der Prügelfuge durcheinandergeworfen und umgekippt werden. Sachs‘ Werkstatt im dritten Aufzug besteht aus enormen Bücherstapeln und einer Traube von Schuhmacherwerkzeug, die von der Decke hängt. Die Festwiesenszene findet vor einem gewaltigen romantischen Berggemälde statt, vor dem die von einem goldenen Bilderrahmen eingefaßten Meistersinger ihre Plätze einnehmen. Die Kostüme erinnern an die 1940er Jahre. Die Meistersinger sind allesamt alt und ergraut und bewegen sich drollig wackelnd. Veit Pogner am Stock mit seinem würdevollen Auftreten und der unruhige Beckmesser stechen aus der Gruppe der Meistersinger heraus. Die Personenregie hält sich sklavisch an Wagners originale Vorgaben in der Partitur und die Aktionen sind rhythmisch exakt mit der Musik synchronisiert.

Sänger und Orchester

Die königlich dänische Hofkappelle wurde vollkommen verdient am Ende mit stehenden Ovationen bedacht. Axel Kober läßt die Instrumente kraftvoll spielen, ohne daß die Sänger übertönt würden. Mit der Wahl der Tempi kam er ihnen entgegen und die Koordination von Bühne und Orchestergraben lief tadellos. Das bei geschlossenem Vorhang erklingende Meistersinger-Vorspiel gab die generelle Richtung der musikalischen Interpretation vor: Der vielstimme Satz wurde durchhörbar, indem Neben- und Baßstimmen herausgehoben wurden und das Tempo nicht zu breit genommen wurde. Man konnte auch im weiteren Verlauf des Abends den Variationen der unterschiedlichen Themen und ihrer polyphonen Verzahnung im Orchesterpart gut folgen. Johan Reuter (Hans Sachs) gestaltete seine lange Partie klug mit den stimmlichen Ressourcen haushaltend, so daß der Wahnmonolog und die Dialoge im dritten Aufzug wie auch seine Ansprachen auf der Festwiese volltönend und ohne vokale Ermüdungserscheinungen dargeboten wurden. Seine Aussprache ist deutlich; lediglich ein paar Schlußkonsonanten könnten noch stärker forciert werden. Darstellerisch zeichnet ihn eine gewisse lässige Natürlichkeit aus; sein Sachs ist unprätentiös und so gar nicht statuarisch. Ebenso wie seine szenische Verkörperung der Rolle ist auch sein Gesang angenehm unaufdringlich. Es mag angesichts der eigentlichen Hauptrolle eigenartig klingen, aber es gelingt ihm, musikalisch und darstellerisch Teil des Ensembles zu werden, anstatt das Geschehen zu dominieren. Jens-Erik Aasbø (Veit Pogner) hat verglichen mit Reuter eine fülligere Stimme, die allerdings auch dank seines eher getragenen Parts stärker zur Geltung kommt. Tom Erik Lie (Sixtus Beckmesser) ist ein begnadeter Darsteller und hat nicht nur die Worte und Töne seiner Partie, sondern auch die rhythmisch synchron mit dem Orchesterpart ausgeführten Aktionen – vor allem in seiner Solo-Pantomime im dritten Aufzug – vollkommen verinnerlicht. Das Timing seiner Aktionen sitzt und er beweist, daß Wagners originale Regieanweisungen auch noch nach über anderthalb Jahrhunderten funktionieren. Sein Beckmesser ist eine komische, aber keine lächerliche Figur. Mit seiner Stimmgebung findet er eine gute Balance zwischen Sprechtonfall und Gesang. Jens Søndergaard (Fritz Kothner) hat von der Gruppe der Meistersinger den bedeutendsten Part, den er mit seiner recht großen Stimme als pedantischen Schulmeister mit dem Zeigestock gibt. Magnus Vigilius (Walther von Stolzing) hat eine glänzende, starke Tenorstimme mit einer lyrisch anmutenden Spitze und bot seine Lieder ohne hörbare Anstrengung dar. Seine Aussprache ist mustergültig und im zweiten Aufzug schlug er gekonnt die erforderlichen deklamatorischen Töne an. Interessanterweise sang Jacob Skov Andersen (David) seine Spieltenorpartie mit einem vollen Brustton, der fast schon heldentenoral timbriert war. Sein s ist leider etwas undeutlich. Darstellerisch beweglich nahm man ihm den jugendlichen Charakter, den er verkörperte, ohne weiteres ab. Jessica Muirhead (Eva) hat eine ausgeglichene Stimme mit einem leichten, von ihr mit Umsicht eingesetzten Vibrato in der hohen Lage. Sie kann, wenn nötig, auch hochdramatische Töne anschlagen. Hanne Fischer (Magdalena) gestaltete ihre komische Nebenrolle darstellerisch souverän. Die Chöre der Lehrbuben agierten und sangen überaus deutlich und die dynamischen Höhepunkte der Chöre auf der Festwiese wurden gekonnt gesetzt. Überhaupt beeindruckte die Sicherheit der musikalischen Darbietungen aller Sänger dieses komplexen Werkes.

Fazit

Die Kopenhagener Produktion der Meistersinger bietet ein hübsch anzusehendes Bühnenbild, eine strikt befolgte Umsetzung der originalen Handlung und Musiker, die ihre vokalen und instrumentalen Parts souverän vortragen. Die Hauptpartien sind mit exzellenten Kräften besetzt und die abwechslungsreiche Choreographie und Personenregie machen die Aufführung des langen Stück zu einem kurzweiligen Erlebnis. Es gibt keine Umdeutung oder kritische Hinterfragung des Stoffes, sondern eine von einer zupackenden musikalischen Interpretation getragene geradlinige Darbietung von Wagners Komödie. Nicht nur für Wagnerfreunde uneingeschränkt zu empfehlen.

Dr. Martin Knust

Bild: Miklos Szabo

Das Bild zeigt: Jessica Muirhead (Eva), Johan Reuter (Hans Sachs), Magnus Vigilius (Walther von Stolzing), Meistersinger, Lehrbuben, Chör der königlichen Hofoper

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