Köln, Opernhaus – ORFEO ED EURIDICE

von Christoph Willibald Gluck, Azione teatrale per musica in drei Akten (1714 – 1787), Libretto: Ranieri Simone Francesca Maria de‘ Calzabigi, UA der italienischen Fassung: 5. Oktober 1762, Wien
Inszenierung: Johannes Erath, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Claudia Jenatsch, Licht: Hans Toelstede, Dramaturgie: Francis Hüsers
Dirigent: Konrad Junghänel, Gürzenichorchester, Chor der Oper Köln, Einstudierung: Andrew Ollivant
Solisten: Maria Gortsevskaya (Orfeo), Jutta Böhnert (Euridice), Anna Palimina (Amore)
Besuchte Aufführung: 24. Oktober 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
koln-euridice.jpgVon der Klage um seine tote Gattin gerührt erlauben die Götter Orpheus, seine Frau aus der Unterwelt zurückzuholen. Er dürfe sie währenddessen jedoch nicht ansehen, sonst sei sie für immer verloren. Orpheus will die Bedingung der Götter erfüllen, doch Euridice zweifelt an seiner Liebe. Orpheus verliert die Beherrschung, umarmt Euridice, und sie sinkt tot zu Boden. Überraschend erscheint Amor und erweckt Euridice erneut zum Leben. Am Ende preisen alle die Macht Amors.
Aufführung
Die Inszenierung ist sehr schlicht. Das Bühnenbild verzichtet auf jegliche Darstellung des jeweiligen Ortes der Handlung, zwei Stühle sind die einzigen Requisiten. Schwarze verschiebbare Zwischenwände werden eingesetzt, um Änderungen der Szenerie anzudeuten und Vorder- und Hinterbühne zu trennen. Das Gefilde der Seligen wird durch eine gelblich hell strahlende Wand dargestellt, auf der auch der Schatten Euridices erscheint. Auf der Bühne herrscht beinahe ständig Bewegung, da der Chor nicht nur statisch singt, sondern als Bewegungschor eingesetzt wird. Alle Beteiligten tragen zeitlose Kleidung. In der Schlußszene schweben dann barocke Kostüme an Bügeln von der Decke herab, und der Chor und Amor verkleiden sich in barocke Gewänder. Euridice aber bleibt tot auf dem Boden liegen.
Sänger und Orchester
Alle drei Sängerinnen geben in Glucks Oper Orfeo ed Euridice ihr Rollendebüt. Maria Gortsevskaya (Orfeo) umreißt mit ihrem szenischen Spiels und ihrem Gesang beide Seiten des Orfeo-Charakters: Verzweiflung auf der einen, Hoffnung auf der anderen Seite. Die bekannteste Arie der Oper Che faro senza Euridice –was werde ich ohne Euridice machen singt sie voller Trauer, ohne übertriebene Gestik. Gesangstechnisch erlebt der Zuschauer an diesem Abend ein Höchstmaß an Präzision: Jeder Triller, jede Koloratur, jeder Ton sitzt. Gerade die Partie des Orfeo, bei der die Sängerin fast durchgehend singen und präsent sein muß, fordert Ausdauer und einen durchdachten Einsatz der Stimme. Geradlinig führt Maria Gortsevskaya ihre Stimme auch in die tieferen Passagen und wird, auch dank des sensibel geführten Orchesters, nie übertönt. Überhaupt stehen die Stimmen der drei Sängerinnen absolut und zu jedem Zeitpunkt im Vordergrund. Jutta Böhnert (Euridice) beherrscht ebenfalls sehr ordentlich den Koloraturgesang und interpretiert ihre Partie stets lyrisch. Vor allem den Dialog zwischen Orpheus und Euridice im dritten Akt gestaltet sie mit wunderschön timbrierter Höhenlage und perfekt ausgeführten Koloraturen und Trillern. Anna Palimina (Amore) darf bei der Inszenierung Johannes Eraths mehr singen, als es bei Gluck der Fall gewesen wäre, denn die Umdeutung des Schlusses beschert der Sopranistin einen zusätzlichen Schlußauftritt, bei dem sie die Identität Euridices annimmt. Gesanglich steht sie ihren beiden Kolleginnen in nichts nach.
Konrad Junghänel leitet das Gürzenichorchester mit Elan, man meint beinahe ein Spezialorchester für Alte Musik vor sich zu haben. Die Ouvertüre beginnt effektvoll mit einem Knall, als ob ein schwerer Gegenstand auf den Boden gefallen wäre. Besonders hervorzuheben ist auch die Leistung des Chores in der Einstudierung von Andrew Ollivant. Die Bewegungen des Chores wirken nie übertrieben, und wie in der gesamten Inszenierung steht der Gesang im Vordergrund, ebenso wie die Vermittlung eines zentralen Gefühls, nämlich des Gefühls der Trauer, das auch bei einem doch so fröhlich anmutenden Stück wie dem Jubelschlußchor beherrschend bleibt.
Fazit
Alles in allem eine gelungene, wenn auch keine überragende Inszenierung.
Musikalisch wurden bis auf kleine Einschränkungen alle Erwartungen mehr als übertroffen. Sonderapplaus erhielten verdientermaßen vor allem Konrad Junghänel und Andrew Ollivant mit seinem exzellenten Opernchor, von den Sängerinnen die überragende Maria Gortsevkaya. Stereotyp wirken einige Mittel, die den Schmerz auszudrücken sollen. So werden schwarze Westen mehrmals ausgezogen und vor Verzweiflung auf den Boden geworfen sowie Stühle krachend auf der Bühne umhergeworfen. Die Deutung des Schlusses als verzweifelte Selbsttäuschung des trauernden Menschen ist im Grunde nichts Neues.
Katharina Rupprich

Bild: Klaus Lefebvre
Das Bild zeigt: Anna Palimina als Amore und einen Teil des Ensembles (Chor der Oper Köln)

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