von Gioacchino Rossini (1792-1868), Dramma buffo per musica in 2 Akten, Libretto: Felice Romani, UA: 14. August 1814, Mailand. Regie/Bühnenbild: Michiel Dijkema, Kostüme: Claudia Damm, Dirigent: Andreas Schüller, Gewandhausorchester, Chor der Oper Leipzig. Solisten: Viktorija Kaminskaite (Fiorilla), Paolo Rumetz (Geronio), Timothy Fallon (Narciso), Giovanni Furlanetto (Selim), Claudia Huckle (Zaida), Dan Karlström (Albazar), Giulio Mastrototaro (Prosdocimo), u. a.
Besuchte Aufführung: 7. November 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Der Dichter Prosdocimo sucht händeringend nach einem Stoff für eine neue Oper. In einem Zigeunerlager findet er schließlich die dazu nötige Inspiration. Geronios Gattin Fiorilla bandelt in dem Lager nämlich mit dem Türken Selim an. Doch nicht nur Geronio, sondern auch Fiorillas Liebhaber Narciso sind darüber gar nicht erfreut. Als Selim Fiorilla entführen will, verkleidet sich Zaida, die in Selim verliebt ist und welche sich ebenfalls in dem Lager aufhält, als Selims Geliebte, Narciso aber als Selim. In dem allgemeinen Durcheinander erringt schließlich Zaida ihren Selim wieder und Fiorilla bereut ihre Untreue bitter. Geronio verzeiht ihr schließlich und der Poet Prosdocimo ist über den guten Stoff für sein neues Werk überaus zufrieden.
Aufführung
Die Inszenierung versetzt den Zuschauer ganz in den Entstehungsprozess des Librettos, wie es gerade auf der Bühne umgesetzt wird und somit auch in die Gedankengänge des Dichters. Auf der Bühne steht in beiden Akten eine große Maschinerie, auf der das Libretto in deutscher Sprache (welche die Übertitel ersetzen) abgespult und aufgewickelt wird. Dabei durchläuft es eine, auf der Vorderseite der Maschine angebrachte Bühnenfront mit Vorhang. Durch den Vorhang und das Libretto entschlüpfen immer wieder die Charaktere wie sie auch bei ihrer Einführung großen Säcken entsteigen, die als Einfälle des Dichters vom Bühnenboden herabfallen. Der Dichter ist bei dem ganzen Schaffensprozess zugegen und steuert ihn durch Gestikulationen und Eingriffe in die Handlung. Ein Pantomimenensemble verkörpert dazu in Nackt-Kostümierung des Dichters Gedanken, während die Protagonisten in plakativ historisierenden Kostümen die Bühne bevölkern.
Sänger und Orchester
Es ist ein Glücksfall für die Inszenierung, daß sich die Solisten gesanglich auf einem durchweg hohen Niveau bewegen. Sopranistin Viktorija Kaminskaite (Fiorilla) verzaubert mit ihrer geschmeidigen, selbst in den Höhen ohne Anstrengung strahlend aufleuchtenden und wohl geführten Stimme wie in der Kavatine Non si dà follia maggiore – Es gibt keine größere Verrücktheit. Auch Giovanni Furlanetto gibt einen Selim, wie man sich ihn wünscht. Bereits in seiner Auftrittsarie Cara Italia, alfin ti miro – Schönes Italien, seh ich dich endlich weiß der kernige, luxuriös ausgebaute Baß ein nuancenreiches Spektrum ostinater Klangartikulation einzusetzen. Baß Paolo Rumetz (Geronio) brilliert mit seiner bezwingend beweglichen und insbesondere in den Gruppenbildern mit sattsam druckvoll ausgebauten Stimme. Timothy Fallon (Narciso) wandelt im Tu seconda il mio disegno, dolce amor – Hilf meinem Plan, süßer Amor mit seiner schmiegsam elegant timbrierten Tenorstimme traumsicher zwischen lyrisch ausgekosteter Ergriffenheit und subtil affektierter Überbetonung. Claudia Huckle (Zaida) indes verführt mit ihrem warmen Mezzosopran, neben dessen immenser Strahlkraft sich insbesondere die auffallend bewegliche Phrasierung auszeichnet. Weitere Höhepunkte sind Bariton Giulio Mastrototaro (Prosdocimo) mit geschmeidigem Timbre, gewandter Betonung und süffisant einnehmendem Spiel sowie Dan Karlström (Albazar), dessen Tenor sich vor allem im Mittelbau mit weit öffnendem Stimmvolumen überzeugen kann.
Dirigent Antonello Allemandi weiß das Gewandhausorchester sicher durch die, für Rossini typische, breit angelegte Farbpalette musikalischer Gefühlsnuancierungen zu leiten. Mit hohem Anspruch an musikalische Transparenz und mittels unbändiger Spielfreude gelingt es ihnen, die Brücke von den ausgelassen heiteren Szenen zu den ausdrucksstark lyrischen Passagen zu schlagen und Rossinis Werk in schillernder Leuchtkraft erblühen zu lassen.
Fazit
Es wird eine intelligent umgesetzte, abwechslungsreiche und dem Stück angemessen mit sprühend komischen Einfällen gespickte Inszenierung geboten, die eine herrliche Abrundung mit den gesanglichen Leistungen erfährt, alles durchweg auf sehr hohem Niveau angesiedelt. In dieser genußvoll interpretierten italienisch-musikalischen Süße mit gesanglichen Höchstleistungen zu schlürfen wie ein anregender, starker türkischer Kaffee!
Dr. Andreas Gerth
Bild: Andreas Birkigt
Das Bild zeigt: Orientalisch-italienische Liebe, Viktorija Kaminskaite (Fiorilla) und Giovanni Furlanetto (Selim).