Stuttgart, Staatsoper – DER ROSENKAVALIER

von Richard Strauss (1864-1949), Komödie für Musik in drei Aufzügen von Hugo von Hofmannsthal, UA: 1911, Dresden
Regie: Stefan Herheim, Bühne: Rebecca Ringst, Kostüme: Gesine Völlm
Dirigent: Manfred Honeck, Staatsorchester Stuttgart, Chor und Kinderchor der Staatsoper
Solisten: Christiane Iven (Feldmarschallin), Lars Woldt (Baron Ochs auf Lerchenau), Marina Prudenskaja (Octavian), Karl-Friedrich Dürr (Herr von Faninal), Mojca Erdmann (Sophie), Michaela Schneider (Jungfer Marianne), Torsten Hofmann (Valzacchi), Carola Guber (Annina), Mark Munkittrick (Polizeikommissar und Notar), Heinz Göhrig (Haushofmeister der Feldmarschallin und bei Faninal und Wirt), Bogdan Mihai (Sänger), Isolde Daum, Christina Otey, Gudrun Wilming (drei adelige Waisen), u.a.
Besuchte Aufführung: 1. November 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
stuttgart-rosenkavalier.jpgDie Feldmarschallin hat eine Affäre mit dem jungen Octavian. Da platzt der Baron Ochs herein. Um die Situation zu vertuschen, verkleidet sich Octavian als Kammerzofe. Obwohl Baron Ochs sich mit Sophie verloben will, er macht ihr/ihm den Hof. Für die Brautwerbung schlägt die Feldmarschallin Octavian als Rosenkavalier vor. Als Octavian Sophie die Rose überbringt, verlieben sich beide ineinander. Es kommt zur Auseinandersetzung mit Ochs. Der beruhigt sich erst, nachdem er eine Einladung der Kammerzofe zum Stelldichein in ein obskures Lokal erhalten hat. Die Kammerzofe (d.h. Octavian) verwickelt Ochs in ein Possenspiel. Eine peinliche Untersuchung durch die Polizei folgt. Die Feldmarschallin macht Ochs klar, daß er nun auf Sophie verzichten muß. Am Ende überläßt sie schweren Herzens Octavian seiner Sophie.
Aufführung
Vor dem ersten Ton aus dem Orchestergraben wabert zu elektronischen Klängen Trockeneisnebel über die Bühne. Die Marschallin sitzt mißmutig vor dem Frisierspiegel und zerschlägt ihn. Da bricht ein Bacchantenreigen herein, bedrängt die Herzogin, während Pan die Splitter des Spiegels zu einer Rose zusammensetzt. Mit Octavians Auftritt als deus ex machina verschwinden die Satyrn, um als Lerchenauer Gefolgsleute zurückzukommen.
Zentrale Gedanken der Inszenierung versinnbildlicht das Pasticcio im Bühnenhintergrund, das aus Werken von Hans Makart (österreichischer Maler) und William Adolphe Bouguereau (französischer Maler) besteht. Antike mythische Figuren wie Ariadne, Europa auf dem Stier (oder ist es hier ein Ochs?), Nymphen oder die Charakterisierung der Personen durch Allegorien mit Tieren waren im Barock durchaus üblich. Die Diener sind Schafe und Affen, die Waisen Kätzchen und das Intrigantenpaar treffenderweise Schabe und Motte. Es gibt neben anderem einen tiefenpsychologischen Ansatz: Die Feldmarschallin hat Angst davor, älter zu werden und den Geliebten zu verlieren. Sophie tritt als Double der Feldmarschallin auf – nur jünger. Auch die Geschichte wird behandelt, etwa die Französischen Revolution oder der erste Weltkrieg während Ochs’ Rendezvous am Schluß er Komödie. Der Faun verletzt sich an den Splittern der zerbrochenen Rose, stirbt und winkt zu den letzten Takten der Musik mit seinem Taschentuch dem Publikum zu.
Sänger und Orchester
Die Entdeckung des Abends ist Mojca Erdmann als Sophie: Ein wirklich klarer jugendlicher Sopran mit unangestrengter Höhe. Fast ebenso gut ist Marina Prudenskaja als Octavian. Ihrem dramatischen Sopran mit sehr harter Höhe geht aber ein wenig das dunklere Timbre ab, das für diese Hosenrolle notwendig wäre. Christine Iven ist in ihrem Rollendebüt als Marschallin auf dem richtigen Weg, muß aber noch an der Rollengestaltung feilen und ihr Vibrato minimieren; es kann jedoch sein, daß sie sich zu sehr auf die Inszenierung konzentriert. Das gleiche scheint für den Ochs des Lars Woldt zu gelten, der jugendlich strahlend intoniert, wenn er auch eher farblos bleibt. Ärgerlich für eine Staatsoper, daß die Nebenrollen nicht gleichmäßig gut besetzt werden konnten. Während Bogdan Mihai (Sänger) seine Kantilenen voll aussingt und als sehr lyrischer Sänger glänzen kann, passen die drei adeligen Waisen stimmlich nicht so recht zusammen und Mark Munkittrick holpert sich durch zwei wenig überzeugende Auftritte.
Das Staatsorchester Stuttgart unter Manfred Honeck eifert nicht dem Wiener oder Dresdener Strauss-Klang nach. Die Streicher bringen allerdings jenes Jauchzen hervor, das für den Rosenkavalier so charakteristisch ist.
Fazit
Stefan Herheim hat mit vielen Ideen einen sehr vielschichtigen und bunten Rosenkavalier inszeniert, der zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Denn nicht alles ist eindeutig oder verständlich. Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Handlung der Oper, die freilich mit vielen anderen Handlungen angereichert wurde, so aufgeführt wurde, wie man sie kennt. Das Publikum empfand das in der Mehrheit auch so und feierte die Produktion als Erfolg für die Staatsoper Stuttgart. Die wenigen Buhrufe gingen in der Menge unter.
Oliver Hohlbach

Bild: Martin Sigmund
Das Bild zeigt: Der Blick in den Spiegel ist trügerisch für Ochs, Marschallin und Leopold als Pan.

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