von G.F. Händel (1685-1759), Opera in drei Akten, Libretto : Pietro Metastasio
U.A.: 15. Januar 1732, London, King’s Theatre, Haymarket
Dirigent: Attilio Cremonesi, Kammerorchester Basel
Solisten: Verónica Cangemi (Fulvia), Kristina Hammerstroem (Onoria), Lawrence Zazzo (Ezio), Sonja Prina (Valentiniano), Antonio Abete (Varo), Vittorio Prato (Massimo)
Besuchte Aufführung: 14. Novembre 2009 (konzertante Aufführung)
Neben der Opéra National von Paris mit Palais Garnier und Bastille bringt das Théâtre des Champs-Elysées neben vielen Konzerten zwölf konzertante und acht szenische aufgeführte Opern. Besonders die Barockopern haben hier ihre repräsentative Bühne in Paris. Mit dem Besuch der weniger bekannten Händeloper Ezio will OPERAPOINT die Vortrefflichkeit dieses Opernhauses hinsichtlich der Aufführung mit Spezialorchestern und renommierten Solisten herausstellen.
Kurzinhalt
Im Jahr 451 besiegte Aetius (Ezio) auf den Katalaunischen Feldern die Hunnen unter Attila und kehrte triumphierend nach Rom zurück. Dort bezichtigte Kaiser Valentiniano Ezio zu Unrecht der Treulosigkeit und verurteilt ihn zum Tode. Grund war die Liebe Ezios zu Fulvia; denn diese begehrte der Kaiser selbst zur Frau. Massimo, Fulvias Vater, Drahtzieher von allem, haßte den Kaiser, da dieser vor Jahren seine Frau hatte verführen wollen. So bereitete er ein Attentat auf den Kaiser vor, das aber fehlschlug. Für dieses Attentat wurde Ezio verantwortlich gemacht. Doch Massimo wollte unbedingt den Tod des Kaisers und wiegelte das Volk zum Aufstand gegen den Kaiser auf. Aber Ezio rettete den Kaiser vor dem Tod. Danach nahm Valentiniano Ezio wieder in Gnaden auf und gestattete ihm die Heirat mit Fulvia.
Sänger und Orchester
Das Baseler Kammerorchester, in breiter Front (rechts und links die beiden prächtig bemalten Cembali) auf der großen Bühne plaziert, paßt sich mit großer Flexibilität dem Singen der Solisten an. Nie übertönt es die Sängerinnen und Sänger. Der Basso continuo setzt Attilio Cremonesi auffallend differenziert ein: mal in der üblichen Gemeinsamkeit der beiden Cembali mit Violoncello und Kontrabaß, mal nur die Harfe oder Theorbe oder auch das Violoncello allein. Diese Behandlung der Baßgruppe wird keineswegs überall in den Spezialensembles geübt. Die vielen Rezitativen bekommen so jeweils ein dem Inhalt der Wort gemäßen Charakter, was wiederum das Hören sehr abwechslungsreich macht.
Sonja Prina (Valentiniano) ist eine koloratursichere Mezzosopranistin, die sich im Laufe des Abends enorm steigert. Es fehlt ihr allerdings ein wenig das notwendige Volumen. Lawrence Zazzo (Ezio), international gefeierte Countertenor, singt seine Arien mit subtiler dynamischer Schattierung, doch bei einer Reihe von Koloraturpassagen vermißt man deutliche Artikulation, und viele Noten kommen verschliffen, statt getrennt zu Gehör.
Große Ruhe, genaueste Intonation und lyrisch warmer Sopranstimme zeichnet Kristina Hammerstroem (Onoria) in ihren Arien aus. Ungemein deutlich gestaltet Vittorio Prato (Massimo) die wahrscheinlich vollkommenste Arie dieser Oper: se povero il ruscello mormora lento e basso – wenn der kümmerliche Bach träge und dumpf murmelt. Allein schon Metastasios Worte sind Musik. Händel setzt die Wortbilder in eine betörende nachahmende Musik um. Dann wandelt sich das Tempo vom Larghetto in Allegro bei den Worten: doch wenn er dann angeschwollen über die Ufer tritt. Große Intervalle und abrollende schnelle Noten verdeutlichen die Worte. Prato bringt sie ungemein tonsicher und perlend. Eine Meisterleistung. Antonio Abetes (Varo) Baß hat Sonorität und großes Volumen. Händel hat in dieser Oper dem Bassisten ungemein virtuose Arie zugedacht. Die Schlußarie dieser Oper Già risonar d’intorno al Campidoglio io sente – schon höre ich auf dem Kapitol die kämpferischen Rufe, die einzige Trompetenarie dieser Oper, bringt Abete mit Grandezza, Temperament und ausdrucksvoll zur Geltung.
Fulvia, wohl die Hauptperson mit ihrer Treue zum Verlobten, als auch ihrer Anhänglichkeit zum Vater, wird von Verónica Cangemi dargestellt. Ihre Glanznummer ist ihre A-Dur Allegro-Arie: La mia costanza – meine Beständigkeit. Hier zeigte sie ihr ganzes profundes Können im Ziergesang: die untadelige Intonationssicherheit, das genaue Binden der dennoch einzeln zu hörenden schnellen Noten, ihre runden Triller, die deutliche Artikulation und nicht zuletzt ihre ungemein ausgeglichene Atemtechnik. Diese ist wohl bei dem raschen Verlauf für den Ausschlag des Erfolgs verantwortlich. Hinzu kommt das kontrolliert Forte auf den hohen Noten, ihre Messa di voce (sanftes An- und Abschwellen) und die Lyrik ihrer Stimme, die reiner Balsam ist. Nicht endend wollender Beifall ist die Folge.
Fazit
Leider wird die Oper als konzertante Aufführung nur einmal gegeben. Hohes Niveau aller Solisten und der Baseler unter Attilio Cremonesi sind hervorzuheben. Die Besucher des Théâtre des Champs-Elysées erwarten aber in den kommenden Monaten noch mehr solcher musikalischer Genüsse!
Dr. Olaf Zenner
Das Bild: Georg Friedrich Händel gegen 1730 von Balthasar Denner