Mannheim, Nationaltheater – CARMEN

von Georges Bizet (1838 – 1875), Opera comique in vier Akten, Libretto: Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der Novelle Carmen von Prosper Mérimée
Regie: Gabriele Rech, Bühne: Sandra Meurer, Kostüme Renée Listerdal, Licht: Bernard Häusermann, Dramaturgie: Roland Quitt
Dirigent: Dan Ettinger, Orchester, Chor, Extra-Chor, Kinderchor und Statisterie des Nationaltheaters Mannheim
Solisten: Edna Prochnik (Carmen), Jeffrey Francis (Don José), Marina Ivanova (Micaëla), Jaco Venter (Escamillo), Radu Cojocarin (Zuniga), Nikola Diskić (Moralès), Frasquita (Katharina Göres), Anne-Theresa Albrecht (Mercédès), Lars Møller (Dancaïro), Uwe Eikötter (Remendado), Benjamin Dami (Lillas Pastia)
Besuchte Aufführung: 5. Dezember 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
mannheim-carmen.jpgDon José, Soldat in Sevilla, wird von Micaëla, der Ziehtochter seiner Mutter, aufgesucht. Die Mutter bittet ihn, nach Hause zu kommen und Micaëla zu heiraten. Don José aber ist der Zigeunerin Carmen verfallen, die er auf Kosten seiner eigenen Inhaftierung freiläßt. Carmen hatte zuvor eine Fabrikarbeiterin schwer verletzt. Don José zieht mit den Zigeunern in die Berge, das Verhältnis des Paares ist zerrüttet, da der Torero Escamillo ihm Carmens Liebe streitig macht. Micaëla erscheint ein zweites Mal und bittet ihn, sie zur sterbenden Mutter zu begleiten. Aus Eifersucht vor ihrer Freisinnigkeit tötet Don José Carmen am Ende während eines Stierkampfes.
Aufführung
Das Bühnenbild ist einfach gehalten. Ein Milchglasquader auf einer Drehbühne dient zur Darstellung von Kaserne, Fabrik und Schenke. Der Chor der Gassenjungen Avec la garde montante – mit der antretenden Wache singt für den Zuschauer unsichtbar, während Don José zu Beginn mit verbundenen Augen am Bühnenrand steht. Als dies am Ende der Oper wieder der Fall ist, wird deutlich, daß es sich der literarischen Vorlage, also Mérimée Novelle entsprechend um eine rückblickende Erzählung handelt: Einen Tag vor seiner Hinrichtung erinnert sich Don José an die zurückliegenden Ereignisse. Bei der Begegnung mit Don José taucht Micaëla, ganz in weiß, aus dem Bühnenboden auf, beinahe wie eine Wagnersche Erda. Lilla Pastias Schenke ist in rotes Licht getaucht. Carmen erscheint inmitten einiger Liebespaare. Verträgt die folgende Toréador-Szene mit ihren auf der Bühne umherfahrenden Stierköpfen und ähnlichen Anspielungen die in ihr dargestellte Komik? Zu Beginn des vierten Aktes Les voici! les voici – Da sind sie, da sind sie steht der Chor regungslos und statisch an der Bühnenrampe, so daß auch diese Szene nur musikalisch Wirkung erzielte.
Sänger und Orchester
Dan Ettinger bevorzugte rasche Tempi. Bereits in der Ouvertüre changierten in der Dynamik feine Nuancen und schroffe Kontraste. Edna Prochnik glänzte als Carmen in ihrem überaus bekannten L’amour est un oiseau rebelle – Die Liebe ist ein rebellischer Vogel vor allem durch ihre sehr kräftige Stimme, mit der sie sich gegen die Chormassen zu behaupten wußte. Schauspielerisch war ihre Darstellung dagegen blaß. Die Tanzeinlage zu Beginn des zweiten Aktes wirkte äußerst steif und unglaubwürdig. Auch Jeffrey Francis (Don José) schien mit der Rolle des Liebhabers überfordert zu sein. Er brachte seine Gesangspartien zwar solide über die Bühne, etwa im Schlußduett C’est toi – C’est moi – Du bist’s – Ich bin’s. Leider kam seine Stimme sonst aber des öfteren nicht gegen den Orchesterklang an. Im zweiten Akt während des Je vais danser – Ich werde tanzen wußte das Paar nur wenig mit sich anzufangen, weshalb die Szene ohne jede Dramatik retardierend wirkte. Ein ganz anderes Bild bot Marina Ivanova als Micaëla: Ergreifend sang sie ihr Gebet Je dis que rien me n’èpouvante – Ich sagte, daß mich nichts erschreckt. Überzeugender kann eine Botschaft von Glaube, Liebe und Hoffnung kaum dargebracht werden. Ebenso bot Jaco Venter (Escamillo) mit seinem Votre toast je peux vous le rendre –Euren Gruß kann ich erwidern einen heldenhaften und zu Recht umjubelten Auftritt.
Fazit
Neben der musikalischen Glanzleistung Dan Ettingers wirkt die Bühnenaktion stets farblos. Die Hauptrollen werden hölzern gespielt, und die Darsteller scheinen wenig mit dem zu verkörpernden Charakteren vertraut zu sein. Das rührt daher, daß an kaum einer Stelle die musikalische Dramatik des Dramas ernsthaft auf das Bühnengeschehen übertragen wird.
Daniel Rilling

Bild: Hans Jörg Michel
Das Bild zeigt: Jeffrey Francis (Don José), Marina Ivanova (Micaëla)

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