Aachen, Theater – FALSTAFF

von Guiseppe Verdi (1813 – 1901), Commedia lirica in drei Akten, Libretto: Arrigo Boito nach William Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor und Heinrich IV., UA: 1893, Mailand, Teatro della Scala
Regie: Alexander von Pfeil, Bühne: Piero Vinciguerra, Kostüme: Sabine Blickensdorfer, Dramaturgie: Kai Wessler, Beleuchtung: Hartmut Litzinger
Dirigent: Daniel Jakobi, Sinfonieorchester Aachen, Opernchor Theater Aachen, Choreinstudierung: Frank Flade
Solisten: Stefan Stoll (Sir John Falstaff), Martin Berner (Ford), Louis Kim (Fenton), Lasse Penttinen (Dr. Cajus), Ralf Rachbauer (Bardolfo), Pawel Lawreszuk (Pistola), Irina Popova (Alice Ford), Eva Bernard (Nannetta), Leila Pfister (Mrs.Quickly), Mélanie Forgeron (Meg Page)
Besuchte Aufführung: 5. Dezember 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
aachen-falstaff.jpgSir John Falstaff befindet sich einerseits in einer persönlichen, andrerseits in einer finanziellen Krise. Um beidem abzuhelfen versucht er, sich zugleich den beiden wohlhabenden Damen Alice Ford und Meg Page zu nähern. Die beiden Damen beschließen, nachdem sie das doppelte Spiel bemerkt haben, sich einen Spaß aus dem lüsternen Falstaff machen. Das mit ihm stattfindende Rendezvous wird durch den eifersüchtigen Mr. Ford vereitelt. Gemeinsam mit der Nachbarin Mrs.Quickly wird ein neuerliches Treffen unter der sogenannten Herne-Eiche arrangiert. Falstaff soll hier mit einem Geweih auf dem Kopf erscheinen. Natürlich folgt er der Einladung und wird zur verabredeten Stunden von wunderlich maskierten Gestalten umzingelt. Unter den Verkleideten entdeckt er jedoch seinen früheren Bediensteten Bardolfo und löst damit den Verkleidungsreigen auf. Obzwar er nun „der Gehörnte“ ist, schließt er zu guter Letzt milde resigniert mit Tutto nel mondo è burla – Der Mensch an sich ist lächerlich.
Aufführung
Schauplatz des Geschehens ist eine Liegewiese. Der Orchestergraben könnte als ein dazu gehörender Swimmingpool betrachtet werden. Die Sänger und Sängerinnen sind vielfach in Badebekleidung zu sehen, einzig Falstaff ist durchgehend mit einem mehr oder weniger vollständigen Anzug kostümiert. Die Kulissen des Bühnenbildes wirken in Kombination mit den eingangs eingespielten Vogelstimmen realistisch, zudem agieren die Darstellenden großenteils mit Natürlichkeit. Nach der Pause im dritten Akt schlägt das bis dahin fröhliche Geschehen deutlich um: Mrs. Quickly trägt auf einmal schwarze Strapse unter dem gelben Bademantel, windet sich um einen Laternenpfahl und hantiert auffällig mit Seilen; Nannetta raucht mit Fenton und einem anderen Mädchen einen Joint. Hernach singt sie ein Lasso schwingend ihre Feen-Arie. Falstaff wird mit nacktem Oberkörper von Mrs. Quickly und Mrs. Page gefesselt.
Sänger und Orchester
Stefan Scholl als Falstaff zeigt sich im Verlauf der langen und anspruchsvollen Titelpartie als durchgehend stimmgewaltig; seine Stimme ist tragfähig und abwechslungsreich im Ausdruck. Weicher Schönklang ist bei Martin Berner (Ford) zu hören; zudem ist das Entsetzen über seine vermeintlich untreue Gattin im zweiten Akt für die Zuhörenden gut nachfühlbar. Irina Popova (Alice Ford) und Mélanie Forgeron (Meg Page) wirken im ersten Akt etwas unsicher und zurückhaltend, vor allem im Ensemblegesang. Nach der Pause präsentiert sich jedoch vor allem Erstere mit weicher Höhe und schönem Vibrato. Leila Pfister gefällt durch ihren kraftvollen Stimmeinsatz, präzise Artikulation und durch die Wandlungsfähigkeit, mit der sie ihre große Mezzosopranstimme einzusetzen weiß. Besonders erfreulich anzuhören ist außerdem Louis Kim als Fenton, trotz leichter Ansatzschwierigkeiten bei den hohen Tönen. Seine Partnerin ist eine schauspielerisch sehr präsente Eva Bernard. Allerdings hält ihr Gesang nicht immer, was ihr Spiel verspricht: Ihre Stimme klingt nicht ganz so frei, wie eine junge, unschuldige und verliebte Nannetta idealerweise klingen sollte. Ralf Rachbauer (Bardolfo) und Pawel Lawreszuk (Pistola) wirken insgesamt etwas hölzern und ihre Stimmen sind teilweise ganz vibratolos. Das Orchester klingt zackig und wird unter der Leitung von Daniel Jakobi dem komödiantischen Aspekt der Oper durchaus gerecht, jedoch werden die Solisten bei den Forte-Stellen zum Teil überdeckt. Exaktes und sicheres Spiel in Verbindung mit ebensolchem Gesang ist im Verlauf der Schlußfuge zu hören.
Fazit
Eine im ersten und zweiten Akt zunächst sehr eingängige und gefällige szenische Gestaltung. Die komödiantischen Elemente werden wirkungsvoll umgesetzt. Es ist eine durchgehend stimmige Darstellung durch die Akteure zu sehen. Etwas unnötig und fast störend seitens der Regie sind im dritten Akt die fortwährenden und etwas zu gehäuft auftretenden sexuellen Anspielungen. Nach dem vielversprechenden Start enttäuscht dieser Teil nach der Pause etwas. Trotzdem kann dem Regisseur zugute gehalten werden, daß es ihm durchweg gelungen ist, den Sängern darstellerische und musikalische Echtheit abzugewinnen. Als Belohnung hierfür bekommen sowohl die Interpreten als auch die „Schwarzen“ (Regie, Kostüme, Beleuchtung) Bravorufe der zufriedenen Zuschauer.
Raika Simone Maier

Bild: Carl Brunn
Das Bild zeigt von li nach re: Mélanie Forgeron,  (Meg Page), Stefan Stoll (Sir John Falstaff), Leila Pfister (Mrs.Quickly)

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