Dresden, Semperoper – GIULIO CESARE IN EGITTO – JULIUS CÄSAR IN ÄGYPTEN

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Libretto: Nicola Francesco Haym, UA: 20. Februar 1724, King’s Theatre am Haymarket, London
Regie: Jens-Daniel Herzog, Bühne/Kostüme: Mathis Neidhardt, Choreographie: Ramses Sigl, Dramaturgie; Stefan Ulrich
Dirigent: Alessandro De Marchi, Sächsische Staatskapelle und Chor der Staatsoper
Solisten: Anke Vondung (Giulio Cesare), Steffen Rössler (Curio), Christa Mayer (Cornelia), Janja Vuletic (Sesto), Laura Aikin (Cleopatra), Max Emanuel Cencic (Tolomeo), Christoph Pohl (Achilla), Christopher Field (Nireno)
Besuchte Aufführung: 13. Dezember 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
dresden-cesare.jpgIn der Verfolgung seines Widersachers Pompeo landet Cäsar in Ägypten. In der Absicht, ihm zu gefallen, wird ihm zum Empfang das abgeschlagene Haupt des Pompeo präsentiert. Cäsar ist darüber äußerst verärgert und beabsichtigt, diese Untat durch Eroberung Ägyptens zu rächen. Cleopatra will den Pharao Tolomeo, ihren Bruder, vom Thron drängen. Zunächst bezirzt sie Cäsar, verliebt sich dann aber in ihn. Cäsar ist von ihr fasziniert. Als es dann zum Kampf zwischen Römern und Ägyptern kommt, wird Tolomeo getötet und Cleopatra vom siegreichen Cäsar zur Königin Ägyptens ausgerufen.
Aufführung
Hölzerne Wände von hellbrauner Farbe werden vom Schnürboden dann und wann heruntergelassen. Diese hohen Wände bilden einmal den Hintergrund. Davor ist die Bühne leer. Das andere Mal bilden sie die Privatgemächer im Königspalast. Für die berühmte Pastoralszene (dem Parnaß), in der Cäsar den Reizen von Cleopatra erliegt, bilden die Holzwände eine Bar mit Bühne und Tischen. Später gibt es innerhalb dieser Wände auch eine Hinrichtungsszene: Tolomeo erledigt etliche Personen mit Kopfschuß. Sie steht nicht im Libretto. Zum Schlußbild liegen Cäsar und Cleopatra im riesigen Bett, das die Bühnenmitte völlig ausfüllt.
Sänger und Orchester
Schon die Ouvertüre leidet unter dem dauernden Trampeln einer Gruppe hellbraun Uniformierter. Im späteren Opernverlauf kommen noch Stampfen, Schießen, Schreien hinzu. Dadurch wird die Arbeit des eminent gut aufspielenden Orchesters stark beeinträchtigt. Unter Alessandro De Marchi entfaltet die Staatskapelle (an Zahl stark verringert) und die dazu engagierte Baßgruppe (Basso continuo) eine dynamisch, kontrastreiche Musik, die sich den Sängern in Tempo und Lautstärke perfekt anpaßt. Bei ihren beiden Auftrittsarien läßt Anke Vondung (Giulio Cesare) eine gewisse Atemlosigkeit verspüren, ihre Spitzentöne kommen ungenau und die Koloraturen werden verschliffen. Später wird ihr Singen etwas ausgeglichener, erreicht aber leider nicht das Niveau, das die männliche Hauptperson der Oper als strahlenden, beherzt zupackenden Herrscher darstellen sollte. Christa Mayer (Cornelia) und Janja Vuletic (Sesto) singen ihren Part beherzt und tongenau, wobei man die sonst kaum anzutreffende Textaussprache und Koloraturtechnik bei Janja Vuletic herausstellen sollte. Max Emanuel Cencic (Tolomeo) zeigt, wie genau man Gruppetti (vier Noten, die die Melodie „umspielen“, vielleicht häufigste Verzierung in der Barockmusik), Triolen, das Legato oder Spitzentöne singen kann. Allein bei den Fermaten (Phrasenschlüssen) übertreibt er ein wenig. Ähnlich perfekten Ziergesang liefert Christopher Field (Nireno) ab, der sogar die selten gesungene Arie: Chi perde un momento – Wer sich einen Moment verliert mit Emphase vorträgt. Der Bassist Christoph Pohl (Achilla) zeigt mit großem Volumen einen dynamisch abgestuften Gesang.
Laura Aikin (Cleopatra) hat eine schöne Sopranstimme, doch ihre Koloraturen, der eigentliche Prunk einer Barockoper, lassen an diesem Abend viele Wünsche offen. Am besten gelingt ihr Se pietà di me non senti – Wenn du mit mir kein Erbarmen hast. Diese Fis-Moll-Arie ist einer der bedeutendsten der Oper. Doch sonst kommen die Forti in der Höhenlage unkontrolliert, zahlreiche Aspirationen verdunkeln das Legato, das An- und Abschwellen des Tons (messa di voce) gelingt nur ausnahmsweise. Alles in allem eine sehr schwankende Leistung für die weibliche Hauptperson der Oper. Ein besonderes Lob verdienen die beiden Cembalisten (Andrea Marchiol/Jobst Schneiderat) und Spiel und Gestik des Violinisten (Wieland Heinze) während Cesares Arie: Se in fiorito ameno prato – Hält in blühenden Gefilden (2. Akt).
Fazit
Viele Striche bei Rezitativen und Arien sowie Umstellungen (besonders im 3. Akt) stören erheblich die Proportionen dieser ausgewogenen Händeloper. Da wichtige Arien, die das Verlieben von Cleopatra und Cesare beschreiben, weggelassen sind, kommt kaum Anteilnahme gegenüber den Protagonisten auf. Durch unausgewogene Artikulation fast aller Sänger verliert der Text jedes Relief. Das dauernde Trampeln oder Schießen beeinträchtigt die Musikdarbietung. Den Parnaß, das Reich der Musen, in eine Bar zu verlegen und Cleopatra als Solosängerin mit Mikrofon auftreten zu lassen, zeugen kaum vom tiefen Eindringen in Händels Vorstellung. Das Publikum war wohl nicht sehr barockgewöhnt, sondern klatschte viel und häufig.
Dr. Olaf Zenner

Bild: Matthias Creutziger
Das Bild zeigt:  Laura Aikin (Cleopatra)

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