von Giacomo Puccini (1858-1924); Tragedia giapponese in drei Akten, Libretto: Luigi Illica und Giuseppe Giacosa nach David Belasco
UA: Mailand 1904
Regie: Katharina Wagner, Bühne: Monika Gora, Kostüme: Thomas Kaiser
Dirigent: Catherine Rückwardt, Philharmonisches Staatsorchester Mainz
Solisten: Abbie Furmansky (Cio-Cio San, genannt Madama Butterfly), Patricia Roach (Suzuki), Cornelia Langhals (Kate Pinkerton), Sergio Blazquez (Benjamin Franklin Pinkerton), Patrick Pobeschin (Sharpless), Alexander Kröner (Goro), Patrick Hörner (Fürst Yamadori), Hans-Otto Weiß (Onkel Bonzo), Soung-Teak Moon (Onkel Yakusidé), Ion Grigorescu (Kommissar), Si Jae Lee (Standesbeamter), Ewa Wargin (Mutter Cio-Cio Sans) u.a., Statisterie des Staatstheaters Mainz
Besuchte Aufführung: 15. Januar 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Marineleutnant Pinkerton heiratet in Japan die Geisha Cio-Cio San, genannt Butterfly. Für sie ist es eine Verbindung auf ewig, doch Pinkerton will später einmal eine Amerikanerin heiraten.
Drei Jahre sind vergangen, seit Pinkerton Butterfly zurückließ. Nach japanischer Landessitte gilt eine verlassene Frau als geschieden. Doch sie hofft auf Pinkertons Rückkehr. Tatsächlich kehrt er zurück, doch nur, um mit seiner amerikanischen Frau das gemeinsame Kind abholen, Butterflys letzte Verbindung zum Leutnant. Als letzten Ausweg greift sie zum Dolch.
Aufführung
Ein Schulmädchen mit Teddy, eine Soldatin in kurzem Rock, eine Transvestit-Putzfrau, eine aufreizende Krankenschwester, eine in ein Lackkostüm gehüllte Frau mit überdimensionierten Brüsten, ein homosexueller Matrose und andere bieten Pinkerton ihre Dienste in blockartigen, weißen, unterschiedlich farblich angestrahlten Kabinen wie im Amsterdamer Rotlichtviertel an. So beginnt Katharina Wagners Inszenierung von Madama Butterfly in Mainz. Der Leutnant entscheidet sich für die verschleierte graue Maus Cio-Cio San. Butterfly ist nicht traditionell gekleidet. Kostümbildner Thomas Kaiser verleiht lediglich Goro, Onkel Bonzo und der Amerikanerin Kate (!) ein japanisch anmutendes Aussehen.
Das Bühnenbild von Monika Gora ist ein wenig hausbacken: Ab dem zweiten Akt symbolisieren lediglich zwei weiße Wände die Unterkunft Butterflys. Im Hintergrund sind die nach vorne hin offenen Kabinen aus dem ersten Akt zu einem grün angestrahlten wackeligen Haus aufgetürmt, in dem ein Mann umherwandert und sich offenbar seinen psychischen Zwängen hingibt: In einem Raum schmiert er Blut an der Wand, in einem anderen windet er sich wie in einer Zwangsjacke, in einem weiteren erschießt er wieder und wieder zwei bereits durchlöcherte Soldaten. Unverständlich ist die Umsetzung des Kindes, das bei Puccini vom zweiten Akt an maßgeblicher Bestandteil der Handlung ist: Eine rote Schachtel, eingewickelt in einen Stück Stoff, soll wohl das Kind verkörpern. Die Schachtel wird im dritten Akt von Kate zerbröselt – allerdings noch, bevor das Kind aufhört, Teil der Handlung zu sein. Goro wird in Katharina Wagners Inszenierung als mephistotelischer Zauberer dargestellt. Er scheint nicht nur Suzuki, sondern auch Sharpless und Pinkerton voll und ganz in der Hand zu haben. Der Selbstmord Butterflys am Ende wird in der Mainzer Inszenierung offen gelassen.
Sänger und Orchester
Abbie Furmansky (Butterfly) singt mit warmen, kräftigem Vibrato. Ihr Un bel dì vedremo – eines Tages werden wir sehen stellt ihr Können in lauten wie lyrischen Passagen unter Beweis. Sie läßt damit Sergio Blazquez (Pinkerton) hinter sich, der zwar mit weichem Timbre aber wenig Volumen singt. Hervorzuheben ist noch die gesangliche Leistung von Patricia Roach (Suzuki), die wie gewohnt mit klarer, warmer und kraftvoller Stimme singt. Das Orchester unter der Leitung von Catherine Rückwardt ist zwar agil, klingt an manchen Stellen aber zu wenig homogen. Besonders die Perkussionisten stechen oft zu sehr aus dem Gesamtklang heraus. Leider gelingt es Rückwardt nicht immer, ihre Instrumentalisten im Zaum zu halten, und so geht nicht nur das Liebesduett am Ende des ersten Aktes im Lärm des Orchesters unter. Gut gelingt das Zusammenspiel mit dem Summchor am Ende des zweiten Aktes.
Fazit
Die Urenkelin Richard Wagners gestaltet eine kontroverse, anzügliche und teilweise sehr abstrakte Inszenierung. Die äußerst reduzierten Übertitel tragen das ihrige dazu bei, daß man vieles nicht versteht. Hinzu kommt, daß die vordergründige Handlung oft im vielfältigen Geschehen des Hintergrundes untergeht. Merkwürdig ist die Kostümwahl der Amerikanerin Kate, die im gleichen, asiatisch anmutenden Outfit wie Heiratsvermittler Goro auftritt. Musikalisch hat das Mainzer Haus schon Besseres erlebt. Die Reaktion des Publikums ist gespalten: Es sind einige Buhrufe und Pfiffe zu hören, die überwiegende Mehrheit scheint aber mit der Inszenierung zufrieden zu sein.
Julia Korst
Bild: Martina Pipprich
Das Bild zeigt: Angedeutete Unterkunft von Patricia Roach (Suzuki) und Abbie Furmansky (Butterfly): Alexander Kröner (Goro) lässt seinen Zauber walten.