Bonn, Opernhaus – DER GOLEM

von Eugen d´Albert (1864-1932) Musikdrama in drei Akten, Libretto: Ferdinand Lion nach dem gleichnamigen naturalistischen Drama von Arthur Holitscher (1908), UA: 14. Dezember 1926 Frankfurt a.M. Regie: Andrea Schwalbach, Bühne: Anne Neuser, Kostüme: Stefan von Wedel, Beleuchtung: Max Karbe, Dirigent: Stefan Blunier, Beethovenorchester Bonn; Chor des Theaters Bonn, Einstudierung: Sibylle Wagner, Solisten: Mark Morouse (Golem), Alfred Reiter (Rabbi Loew), Tansel Akzeybek (Jünger), Ingeborg Greiner (Lea), Giorgos Kanaris (Kaiser Rudolf II.), Mark Rosenthal (1. Jude), Sven Bakin (2. Jude), Katrin Schyns (Jüdin)
Besuchte Aufführung: 24. Januar 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
bonn-golem.jpgPrag zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Eine kabbalistische Erzählung aus dem jüdischen Prag berichtet von Rabbi Loew, der aus Lehm ein übermenschlich großes und starkes Wesen (Golem: ungeformte Masse) ausgräbt und es mit Hilfe mystischer Kräfte zum Leben erweckt. Lea, die in Träumen schwelgende Tochter des Rabbis, nähert sich dem Golem in menschlicher Weise, bringt ihm das Sprechen bei. Der Golem verliebt sich in das Mädchen. Indem er langsam seine eigene Existenz erkennt, verweigert er dem Rabbi immer mehr den Gehorsam und versetzt schließlich die Bewohner des Ghettos, anstatt es zu schützen, in Angst und Schrecken. Am Ende töten sich der Golem und Lea, um im Tod vereint zu sein.
Aufführung
Rabbi Loew zerrt mit seinem Jünger einen eingehüllten menschlichen Körper (Golem) in eine bis auf die Dachluke geschlossene Kuppel. Am Rand der an das römische Pantheon erinnernden Kuppel hockt eine puppenhaft ausstaffierte Gruppe. Im Verlauf der Handlung, die in schwarz- weiß und grauem Interieur und Kostümen spielt, wird klar, daß aus diesem Raum niemand entkommt. Es ist eine Art Laboratorium des Rabbi. Unter den Perücken und Masken der Gruppe sieht man riesige Operationsnarben, offensichtlich gescheiterte Experimente des Rabbi. Die Kostüme passen stilistisch in die Entstehungszeit der Oper. Im letzten Akt ist die Kuppel zerschlagen. Die Juden des Ghettos berichten von den Greueltaten eines Unbekannten. Als sich beiden Verliebten am Ende die Pulsadern öffnen, wird das Rot ihres Blutes zur einzigen Farbe.
Sänger und Orchester
Musikalisch ist unter dem sorgfältigen Dirigat von Stefan Blunier nicht nur an Richard Wagner erinnernde Leitmotivik zu vernehmen, sondern das schwere Parfum changierender Harmonien des frühen 20. Jahrhunderts. Trotz üppiger Orchesterbesetzung sind die Solisten sehr gut zu verstehen, die Übertitel sind dennoch begrüßenswert. Allen voran ragt der Bassist Alfred Reiter als Rabbi sowohl musikalisch als auch darstellerisch heraus. Mit zwar sparsamen Gesten, jedoch ausdrucksstarker Mimik verkörpert er den verwegenen Geist des Rabbis, der selbst Schöpfer sein will. Ihm steht die glasklar artikulierende Ingeborg Greiner mit ihrer eindringlichen Verkörperung der somnambulen Lea in nichts nach. Leas Annäherung an den Neuling Golem bis hin zur Liebesbekundung ist zwischen Traumverwirrtheit und naiver Zuneigung glaubhaft dargestellt. Tansel Akzeybek gibt den hörigen und in Lea verliebten Jünger überzeugend wieder. Mark Morouse als Golem singt seine Partie ausdrucksstark, die körperliche Behäbigkeit seiner Rolle paßt gut zu seiner Person, nicht desto trotz, wirkt dieser Golem kaum beängstigend, im Vergleich zu der seine Aktionen begleitenden, aufbrausenden, fast wie einen Film illustrierenden Musik. Die Texte sprechen die Sprache des Expressionismus: Die Rede ist von Traumdeutung, Psychoanalyse und mystischen Überlieferungen.
Die in Farben schwelgende Musik wurde nicht immer zur Inspirationsquelle der Regisseurin Andrea Schwalbach für Aktionen und Bilder oder gar für die Charakterisierung des Titelhelden. Ansonsten hätte manche musikalische Phrase, die geradezu mit maschinell wirkenden Repetitionen arbeitet, den Golem roboterhafter erscheinen lassen. Wenn im 3. Akt von begangenen Morden des Golem im Ghetto berichtet wird, bleiben die Augenzeugenberichte ohne Bilder. Dafür werden zu Beginn, an Stelle einer Ouvertüre, Videoproduktionen von menschlichen Gesichtern gezeigt, die im Verlauf mit keiner Person mehr verknüpft werden können und deren Sinn verborgen bleibt.
Fazit
Die Stefan Blunier zu verdankende Wiederentdeckung eines lange Zeit vergessenen Werkes des Schöpfers von Tiefland (1905) für Bonn ist zu würdigen. Musikalisch läßt die Bonner Aufführung kaum Wünsche offen. Die schillernde Instrumentierung, die illustrierende Musik verfehlte ihre Wirkung nicht, ebenso wie die von den Sängern glanzvoll dargebotene Partien.
Felicitas Zink

Bild: Lilian Szokody
Das Bild zeigt: links: Ingeborg Greiner (Lea), rechts Mark Morouse (Golem)

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